Als Frau mittendrin – ein Spießrutenlauf auf unserer Süd
Im Block wie auf dem Rasen: Der Fußball war für die meisten von uns schon immer eine Männerdomäne. Doch, ist das auch heute, in Zeiten von Frauenmannschaften, weiblichen Fanclubs und Anti-Sexismus-Workshops noch immer so? Oder hat sich an dieser ungeschriebenen Wahrheit in den letzten Jahren was verändert?
Im Block wie auf dem Rasen: Der Fußball
war für die meisten von uns schon immer eine Männerdomäne. Doch,
ist das auch heute, in Zeiten von Frauenmannschaften, weiblichen
Fanclubs und Anti-Sexismus-Workshops noch immer so? Oder hat sich an
dieser ungeschriebenen Wahrheit in den letzten Jahren was verändert?
Ich bin nun seit 15 Jahren Inhaberin einer Dauerkarte für unsere Süd, Block 13 und die Heimspiele, die ich seitdem verpasst habe, kann ich an meinen beiden Händen abzählen. 15 Jahre stehe ich nun schon mittendrin im Herzen unseres Stadions und das als Frau. Ich sage das so bewusst, weil es immer und immer wieder Situationen gibt, in denen ich mich genau deswegen rechtfertigen, verteidigen oder schlicht zusammenreißen muss. Nicht, weil ich auf der Süd stehe, nein. Das Problem für die umstehenden (männlichen) Fans ist eher, dass ich nun mal bin, was und wie ich bin: eine Frau!
Ich bin als waschechte Ruhrpottgöre mit dem Volkssport Fußball aufgewachsen und groß geworden. Mein Vatta hat das runde Leder übern Platz getreten, seit ich denken kann und meine Mutter war stets eine der guten Seelen in unserem Dorfverein. Wann immer es ging waren wir als Familie auf dem Sportplatz und so war es nur normal, dass auch ich irgendwann mit dem Fußball anfing.
Ich bin in den späten 80ern geboren und den 90ern aufgewachsen, damals gab es noch nicht viele Mädchen- oder Damenmannschaften in den Dorfvereinen und ich spielte somit zusammen mit einer handvoll anderen Mädels in einer Jungenmannschaft. Schon damals wurden wir, egal wo wir auswärts antreten mussten, belächelt und man legte uns Mädchen immer wieder nahe, doch lieber zum Turnen oder zum Ballett zu gehen. Und den Jungs unserer Mannschaft erklärte man, dass sie mit den ganzen Mädchen in ihrer Mannschaft ja sowieso keine Chance hatten. Selbst mit knapp 9 Jahren fand ich das schon sehr traurig und erschreckend. Wieso sprach man uns das Können und den Verstand für den Fußball ab, nur weil wir Mädchen waren?
Im Laufe der Jahre schossen die
Mädchen- und Damenmannschaften der kleinen Vereine immer mehr und
mehr aus dem Boden, so dass Fußballerinnen allmählich zur
Normalität wurden. Gott sei Dank!
Nach meiner eigenen Fußballlaufbahn
bekam ich dann 2005 endlich meine langersehnte und bis heute geliebte
Dauerkarte für das Epizentrum unseres Tempels. Seitdem stehe ich
dort, immer am gleichen Platz, zusammen mit meinen Freunden und
denen, die im Laufe der Zeit dazu geworden sind. Man kennt sich nach
all der Zeit.
Ich liebe es, ins Stadion zu gehen, doch manchmal gibt es Situationen oder ganze Spieltage, da frage ich mich, wozu ich das überhaupt mache.
„Borussia verbindet Generationen, Männer und Frauen, alle Nationen“ jeder von uns kennt diese Liedzeile von Günna und jeder von uns singt sie im Stadion lauthals mit. Doch ist dem tatsächlich so? Verbindet Borussia wirklich Männer und Frauen? Alle Nationen? Sicher, unser Verein tut einiges um Sexismus und Rassismus aus dem Westfalenstadion zu verbannen. Doch die Spieltagswahrheit sieht leider häufig anders aus.
Ich habe ihn in meiner Zeit auf der Südtribüne oft genug erlebt – den Spießrutenlauf als Frau im Stadion.
Nur um das klar zu stellen, die
folgenden Situationen passieren bei weitem nicht jedes Mal, aber
dennoch finde ich, dass – egal wie oft es passiert – jedes Mal
ein Mal zu viel ist.
Meistens beginnt das „Schauspiel“ schon VOR dem Stadion, beim Einlass.
Ich stehe einfach mit meinen Freundinnen und Freunden – ja wir sind mehr Mädels als Jungs - in der Einlassschlange und warte, da kommen schon von links oder rechts von den meist männlichen Umstehenden Kommentare darüber, dass wir doch sicherlich nur ins Stadion gehen, um den Arsch von Mats Hummels zu begutachten. Ernsthaft? Wenn es mir nur um das Anglotzen das Hinterteil eines Innenverteidigers ginge, würde ich mich sicher nicht stundenlang auf eine mit grölenden und mitunter auch pöbelnden Menschen gefüllte Stehplatztribüne stellen, sondern hätte von zu Hause vor dem Fernseher wohl den besser „Aussichtspunkt“.
Im Stadion angekommen, ist unser Ablaufplan auf Grund des Aberglaubens unter dem Einige von uns „leiden“ immer gleich: Ein kurzer Schnack mit anderen Bekannten am „Büdchen“ oder am Bierstand, aufsuchen des „Glücksklos“ und dann zum Essens- und Getränkestand, Versorgung holen. Soweit bleibt meist alles ruhig, man ist ja unter Bekannten. An den Fressbuden geht’s dann aber weiter. Oft wird uns Damen dann von hinter uns stehenden „echten Kerlen“ empfohlen doch die Weinschorle zu nehmen, das wäre doch bestimmt was für uns, zusammen mit dem Putenschnitzel. Meist antworten wir darauf gar nicht und tun so, als würden wir nichts hören. Zu doof kommt man sich vor, wenn man sich jedes Mal umdreht und sagt „Danke, ich nahm lieber ne Bratwurst und nen kaltes Bier!“
Tja, so ist das nun manchmal, wenn man als Frau ins Stadion geht.
Vor dem Spiel passiert meist nicht viel. Man redet mit der Truppe über die privaten Ereignisse der letzten 14 Tage, bespricht die Aufstellung, singt sich warm oder redet über das aktuelle Geschehen in der Welt. Zwischendurch trudeln langsam die immer gleichen Gesichter ein, die dann ebenso in die Gespräche eingebunden werden - man kennt sich eben. Zumindest einen Teil.
Südtribüne ist eben ein bisschen wie
Familie. Aber eben nur ein bisschen...
Wenn man als Frau auch gerne mal lautstark seine Meinung zum Spiel, zur Taktik, zum Schiri oder zu was auch immer kund tut, erntet man von vielen anderen meist blöde Kommentare, egal was man sagt bzw. ruft. Entweder wird man gefragt, ob man den überhaupt wisse, was Abseits sei, oder man wird im witzigen Ton darauf hingewiesen, dass wir doch „die Gelben“ sind.
Sorry, aber ich trage Woche für Woche einen gelben Schal, eine gelbe Jacke oder sonst irgendwas in den von mir geliebten Vereinsfarben, da muss nicht irgendein Trottel kommen, der sein Ego vor seiner Gruppe beweisen will und mir mit einem solchen Kommentar zeigen, wie blöd er ist.
Auf die Frage, ob ich denn wisse was Abseits sei, antworte ich meist mit einem genervten „Ja, wieso? Muss ich es dir noch erklären?“ Meist werd ich dann mit einem „blöde Kuh“ oder dergleichen bedacht und weiterhin ignoriert. Oft wird dann aber auch gefragt, ob ich nur als „Beiwerk“ meines Freundes da sei oder (wenn der Gegenüber merkt, dass da doch ein bisschen Fußballverstand hinter meiner geschminkten Fassade lauert) ob ich eine „Lesbe“ sei. Herrlich klischeehaft und dumm! Ich verstehe den Zusammenhang zwischen sexueller Orientierung und einer Leidenschaft für Fußball bis heute nicht. Es sollte doch im Fußball, sowie im allgemeinen Leben keinerlei Rolle spielen, wer wen liebt. Aber Homophobie im Fußball ist nochmal ein anderes Thema. Manchmal versuche ich auf derlei Kommentare auch gar nicht zu antworten diese meinerseits einfach zu ignorieren, das führt aber leider zu immer weiteren und vor allem lauteren Kommentaren, so als wäre ich taub. Echt anstrengend sowas, vor allem wenn man einfach nur Fußball gucken möchte. So zieht sich das dann die kompletten 90 Minuten , wenn man Pech hat.
Aber so ist das nun mal, wenn man als Frau ins Stadion geht.
Die von mir und meinen Freundinnen aber am meisten „geschätzte“ Zeit ist die Halbzeitpause. Wir haben es uns angewöhnt unsere Plätze auf der Süd vor allem in der Halbzeit nur in Ausnahme- bzw. Notfällen zu verlassen, denn jeder der während dieser 15 Minuten durch die Katakomben unseres Tempels irrt weiß, dass dies ähnlich entspannt ist wie ein samstäglicher Besuch bei IKEA. Also bleiben wir meist wo wir sind und erfreuen uns an all den Kerlen, die „mal eben“ vorbei wollen und dabei natürlich REIN ZUFÄLLIG unsere Möpse oder unseren Arsch berühren. Ein „Hey, pass doch auf“ oder dergleichen führt meist ins leere oder wird mit einem „Halt die Fresse“ bedacht.
Aber so ist das nun mal, wenn man als Frau ins Stadion geht.
Ich bzw. Wir als Gruppe gehen für unser Leben gern ins Stadion und all die beschriebenen Situationen finden natürlich nicht jedes Heimspiel statt. Es gibt auch Heimspiele in denen nichts von alldem passiert und wir einfach nur ein weiteres geiles Stadionerlebnis genießen können. Spieltage in denen man als wirklich große Familie mit jedem der um einen herum steht feiert, leidet und am Ende vor Freude explodiert. Spieltage an denen es scheißegal ist, ob du im Stehen pinkelst oder eben nicht. Spieltage in denen es egal ist, ob du Bier oder Weinschorle trinkst, ob du Putenschnitzel oder Bratwurst isst und an denen es keine Rolle spielt, ob du weißt was Abseits ist. Diese Tage überwiegen übrigens im Saisonverlauf bei Weitem, aber dennoch ist es erschreckend, dass es auch diese anderen Tage gibt. Diese Tage an denen man sich beim Verlassen des Stadions fragt, warum man sich das überhaupt antut. Warum man sich so sexistisch und abwertend behandeln lässt und warum man in manchen Situationen nicht schlagfertiger reagiert. Die Spieltage an denen die Textstelle von Günna einen Scheiß wert zu sein scheint und an denen man einfach nur froh ist, wenn man anschließend an seinem Auto oder der Bahn nach Hause angekommen. Spieltage an denen man merkt, dass es noch vieler Aktionstage und anderer Aktionen zum Thema „Frauen im Stadion“ bedarf, um ein allgemeines Umdenken zu erreichen. Das sind die Tage, an denen man sich denkt „Wäre ich doch nur zum Turnen oder zum Ballett gegangen...“
Aber so ist das nun mal hin und wieder, wenn man als Frau ins Stadion geht...