Westfalenstadion kämpft Paris nieder
Es sollte einer dieser Abende werden im Westfalenstadion. Eine dieser atemberaubenden Europapokalnächte. Die Südtribüne zeigte eine beeindruckende Choreografie über drei Tribünen und die Mannschaft schlägt die französische Milliardentruppe aus Paris mit 2:1. Fußballherz, was willst du mehr?
„Harte Arbeit und das Leben genießen“, sagte Erling Haaland nach dem Spiel mit einem Lächeln auf den Lippen am Mikrofon eines Bezahlsenders. „Und ein Smoothie direkt nach dem Spiel.“ Mehr Geheimnisse für seinen Erfolg habe der 19-Jährige nicht. Wenige Augenblicke zuvor lief Haaland noch alleine auf die Südtribüne zu. Frenetisch gefeiert von allen, die es mit Schwarz-Gelb hielten an diesem Abend. Der Stürmer wurde nicht nur für seine beiden Tore gefeiert. Sondern auch für seine Art, Fußball zu spielen und stellenweise auch Fußball zu arbeiten. Er reißt seine Teamkameraden mit, motiviert, klatscht ab. Er geht voran. Mit 19 Jahren.
In den 90 Minuten zuvor avancierte Haaland abermals zum Matchwinner und schnürte einen Doppelpack. Erst brachte der junge Norweger den BVB mit 1:0 in Führung (69.), nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Neymar (75.) erzielte Haaland dann noch den Treffer zum 2:1-Endstand (77.). Das war zeitgleich sein 10. Treffer in dieser Champions League-Saison. Mehr als der gesamte FC Barcelona bisher zusammen.
„Er ist immer bereit und will immer Tore schießen“, beschreibt BVB-Trainer Lucien Favre den für das BVB-Spiel wohl wichtigsten Charakterzug seines Winterzugangs. „Das sieht man auch im Training.“ Im Training scheint Favre zuletzt aber wieder vermehrt auf die Abstimmung in der Defensive gesetzt zu haben. Von großer Unkonzentriertheit wie noch gegen Leverkusen oder zuvor Werder Bremen war nicht viel zu sehen.
Nach dem Spiel fand deshalb auch der Trainer lobende Worte für die dargebotene Leistung seiner Mannschaft: „Ich habe den Spielern gesagt, dass wir clever verteidigen müssen – und mit Geduld. Wir haben das gut gemacht und wenig Chancen zugelassen.“ Hans-Joachim Watzke schlug in dieselbe Kerbe und attestierte der Mannschaft ebenfalls ein sehr gutes Defensivverhalten.
Im Prinzip kann man das Heimspiel gegen Paris mit dem Spiel gegen den FC Barcelona aus der Gruppenphase vergleichen. Der BVB war die bessere Mannschaft und ließ den Gegner kaum zur Entfaltung kommen. Nur, dass man gegen die Katalanen nicht gewonnen hatte. Gegen das Star-Ensemble aus Paris hingegen schon. Am Ende war der Erfolg verdient, da waren sich alle aus dem BVB-Umfeld einig.
Ereignislose Tuchel-Rückkehr
Einer, der mal zum BVB-Umfeld gehörte, ist Paris-Trainer Thomas Tuchel. Viel war in den letzten Jahren geschrieben worden über das Verhältnis zwischen dem 46-Jährigen und der Führungsetage des BVB. Das Arbeitsverhältnis endete in einem Streit. Doch, so scheint es, ist das alles Schnee von gestern. Knapp eine halbe Stunde nach Abpfiff der Partie betrat Tuchel das Medienzentrum, glänzte auf der Pressekonferenz mit bestem französisch, scherzte und grinste. Die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte war für Tuchel hier scheinbar fast schon wieder abgehakt.
Zu seiner Zeit beim BVB äußerte sich Tuchel vor dem Spiel. "Viele bekannte Gesichter, viele entspannte Gesichter" habe er wahrgenommen. Auch Hans-Joachim Watzke äußerte sich vor dem Spiel dazu und betonte, dass die beiden "in diesem Leben wohl keine großen Freunde mehr" werden. Müssen sie ja auch nicht. Ein respektvoller und professioneller Umgang reicht ja durchaus aus – und diesen haben die beiden an den Tag gelegt. Zwischen Tuchel und ihm "gibt es nichts nachzutragen", stellte Watzke klar.
Deshalb hatte Tuchel auf der Pressekonferenz auch mehr damit zu tun, über das Spiel seiner Mannschaft zu sprechen. "Zu wenig Körperlichkeit, zu wenig Ballbesitz, zu viele Fehler", hatte er bei seiner Mannschaft bilanziert. Man habe gemerkt, dass der BVB nur die Hälfte an Spielen in den Knochen habe. Und ohnehin waren viele Spieler und Leistungsträger zuletzt verletzt, weswegen seinen Spielern die "Wettkampfhärte" abhanden gekommen ist. Wenn Tuchel sich bereits Mitte Februar über den Zustand seiner Mannschaft so äußert, wie soll das dann nur Mitte April werden?
Königliche Choreografie über drei Tribünen
An diesem Abend hat aber nicht nur die Mannschaft auf dem Rasen Spaß gemacht. Die Fans auf den Tribünen und Spieler auf dem Rasen verschmolzen zu einer Einheit. Kämpften, litten und gewannen schlussendlich gemeinsam. Der Auftritt des gesamten Stadions sollte allen Beteiligten ins Gedächtnis rufen, welche Macht dieses Stadion und seine Fans besitzen.
Die besondere Europapokal-Atmosphäre war schon weit vor dem Anpfiff spürbar und gipfelte in der atemberaubenden Choreografie, die die Fanszene für diesen Abend vorbereitet hatte. Ein großes Dankeschön an alle freiwilligen Helferinnen und Helfer, die sich in ihrer Freizeit mit Planung und Durchführung solcher Spektakel die Stunden um die Ohren hauen.
Was viele nicht sehen: Auch noch nach Mitternacht liefen einige Freiwillige mit Säcken über die Tribünen und sammelten das genutzte Choreo-Material wieder ein. Wer sich irgendwie für diese gigantischen Choreos gegen Frankfurt und nun auch Paris erkenntlich und dankbar zeigen möchte, darf gerne über eine Spende an die Fanszene nachdenken. Die Choreo-Kasse wird nach diesen beiden Spektakeln sicher arg in Mitleidenschaft gezogen worden sein.
Statistik
Tore: 1:0 Haaland (69.), 1:1 Neymar (75.), 2:1 Haaland (77.)
Borussia Dortmund: Bürki - Piszczek, Hummels, Zagadou - Hakimi, Can, Witsel, Guerreiro - Sancho (90. Schmelzer), Hazard (67. Reyna) - Haaland. - Trainer: Favre
Paris St. Germain: Navas - Marquinhos, Kimpembe, Thiago Silva - Meunier, Gueye, Verratti, Kurzawa - Di Maria (77. Sarabia), Mbappe, Neymar. - Trainer: Tuchel
Schiedsrichter: Antonio Mateu Lahoz (Spanien)
Zuschauer: 66.099 (ausverkauft)