Ein letztes Mal Weserstadion?
Vorab das Wichtigste
Wie in allen Bundesligastadien gab es auch in Bremen eine Schweigeminute für die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau. Erfreulich, dass dies ohne Zwischenrufe ablief, traurig, dass dies überhaupt Erwähnung finden muss. Noch viel erfreulicher war der anschließende kurze „Nazis Raus“-Wechselgesang zwischen Bremer Ostkurve und Westkurve inklusive Gästeblock. Zeigen wir allen Rassisten jeden Tag und an jedem Ort, dass ihre Einstellung in dieser Welt keinen Platz hat.
Gehen in Bremen die Lichter aus?
Die erste Bundesliga-Saison, die ich wirklich durchgehend aktiv mit verfolgte, war die Saison 1994/95. 5 Teams aus der damaligen Spielzeit sind seitdem durchgehend in der Bundesliga vertreten: Der glorreiche BVB, die gar nicht so glorreichen 3 Teams aus Blauland, Bayern und Leverkusen und der SV Werder Bremen. Nun ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich letztgenannter Verein nach dieser Saison aus dieser Runde verabschiedet. Zu groß sind die Defizite im Bremer Angriffsspiel, zu eklatant die Differenz zwischen Bemühung und Ertrag. So konnte der BVB die drei Punkte aus dem Weserstadion im Schongang entführen.
1. Halbzeit
Der BVB begann in der gleichen Aufstellung wie unter der Woche gegen Paris. Allerdings nicht mit der gleichen Einstellung. Ob die Knochen doch noch müde waren, ob der strömende Regen die Einsatzbereitschaft hemmte oder ob es schlichtweg das Gesicht der Auswärtsborussia war, es war nicht gut, was die Schwarzgelben auf dem Rasen zeigten.
Werder hingegen schien die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Von Anfang an pressten die Bremer hoch und eroberten viele Bälle schon im Bereich der Mittellinie. In den ersten 5 Minuten kamen die Borussen kaum mit dem Ball über die Mittellinie, die Bremer hingegen zwar ein paar Mal in den Strafraum, aber gefährlich wurde es nicht. Und damit gibt es zur ersten Halbzeit auch nicht mehr viel zu sagen, nur, dass Ömer Toprak die größte Chance der Partie nach einem Freistoß hatte, sein Schuss ging jedoch knapp vorbei (ist halt n Borusse). Beim BVB lief nach vorne so gut wie nichts zusammen. Lediglich nach einem Freistoß von Guerreiro kam kurz vor dem Pausenpfiff so etwas wie Torgefahr auf. Schüsse aufs Tor von Pavlenka in der ersten Halbzeit: 0.
2. Halbzeit
Begann zunächst genau wie die erste Halbzeit. Bremen presste, Dortmund war einigermaßen ideenlos. Und während der BVB-Fan so langsam überlegte, wie fit wohl Julian Brandt ist und ob seine Dynamik hier was ausrichten könnte, nahm Zagadou die Sache in die Hand.
Nach einer abgewehrten Ecke wurde er auf dem linken Flügel von Axel Witsel eingesetzt und gab den Ball präzise in die Mitte auf Haaland. Dessen Schuss wurde allerdings im letzten Moment von einem Bremer Abwehrbein zur Ecke gelenkt. „Wenn selbst der Norweger da vorne nicht trifft, dann mach ich es halt direkt selbst.“ dachte Zagadou, versenkte die folgende Sancho-Ecke humorlos mit dem linken Fuß im Tor und zog den Bremern den Stecker. In der Folgezeit konnten die Borussen Ball und Gegner laufen lassen und endlich auch ein vernünftiges Spiel über die Flügel aufziehen. So dauerte es nicht allzu lange, ehe Haaland auf Hakimi-Vorlage das 0:2 folgen ließ.
Auch als die Borussen sich nach dem Tor etwas zurückfallen ließen, konnte Bremen kaum Torgefahr ausstrahlen. Und so ließen die Fische am Ende die Köppe hängen und der BVB noch einige Konterchancen liegen.
Fazit (zu den Bremern)
Auch wenn wir ein BVB-Fanzine sind und alles außer Dortmund naturgemäß gar nicht so gut ist, doch noch ein paar Worte zu den Bremern. Derzeit gibt es wenig Anlass zur Hoffnung, dass es zum Klassenerhalt reicht. Gerade in der ersten Halbzeit hätten die Bremer die Dortmunder Lethargie viel besser ausnutzen müssen, so wie es ihnen im Pokal gelungen ist. Den Bremern fehlt es jedoch derzeit an spielerischen Mitteln, um sich Torchancen zu erarbeiten. Auch in der zweiten Halbzeit, als der BVB zunächst etwas offensiver stand, scheiterten viele aussichtsreiche Umschaltsituationen an schlampigen Pässen oder technischen Fehlern.
Bislang haben die Bremer an Kohfeldt festgehalten. Es wird sich zeigen, ob es dabei bleibt. Ob ein neuer Trainer die Mannschaft innerhalb der verbleibenden Wochen auf Kurs Klassenerhalt bringen kann, ist fraglich. Prekär wird die Lage besonders dadurch, dass die anderen Mannschaften im Tabellenkeller ihre Punkte sammeln. In Düsseldorf scheint der chaotische Trainerwechsel keine Langzeitschäden zu hinterlassen, Köln ist so dermaßen auf dem aufsteigenden Ast, dass nach der kölschen Art eigentlich schon der Angriff auf die Europapokalplätze ausgerufen müsste und Paderborn ist zwar Tabellenletzter, dafür aber seit Anfang der Saison auf Abstiegskampf eingestellt.
Nun könnte man mit den Schultern zucken und darauf hinweisen, dass der Abstieg ebenso wie in Hamburg und Stuttgart einem langen schleichenden Abwärtstrend folgt und dementsprechend verdient ist. Und dass Vereine wie Mainz, Augsburg etc. halt bessere Arbeit leisten und somit in der Bundesliga bleiben. Das mag alles richtig sein, aber trotzdem ist (trotz durchaus vorhandener Antipathie gegen den einen oder anderen Verein) ein Gästeblock voller Hamburger, Stuttgarter, Bremer im Westfalenstadion geiler, als ein Häufchen Gästefans in der Nordwest-Ecke. Und auch wenn die Einlasssituation am Gästeblock im Weserstadion gestern erneut katastrophal war, macht eine Auswärtsfahrt an die Weser mehr Spaß als eine Auswärtsfahrt in die unbevölkertste Metropolregion der Welt: Rhein-Neckar. Ach nee, die hat sich ja eh erledigt.
Dass die Traditionsvereine nicht zwangsläufig schnell wieder auftauchen, sieht man an den verzweifelten Bemühungen der Hamburger und Stuttgarter, die sich mit den Fußball-Weltmächten aus Bielefeld, Heidenheim und Kiel um den Aufstieg streiten. Und natürlich an den präfinalen Zuckungen eines einst großen Traditionsvereins aus der Pfalz in der 3. Liga.
Also liebe Bremer, kommt schnell wieder. Oder steigt am besten gar nicht erst ab. Ach ja, und sorgt mal für besseres Wetter bei euch, ich frier mir jedes Mal den Arsch ab.
In den Fanblöcken
Vor dem Spiel gab es seitens TU Unterstützung für die Bremer im Kampf um den Namen „Weserstadion“. Im Bremer Block gab es mehrere Transparente zum Anschlag in Hanau.
Von der Lautstärke her konnte der Gästeblock der Ostkurve nahezu jederzeit das Wasser reichen. Dabei setzte der Gästeblock vor allem auf wenige Lieder, die sehr lang gesungen wurden. Die Ostkurve schaffte es hingegen kaum, den Rest des Stadions mitzunehmen. Nur einmal gelang es, allerdings erzielte genau in diesem Moment Haaland das 0:2. Der Rest war Schweigen außerhalb der Ostkurve.
Ausblick
Der BVB hat nun eine Woche Pause, ehe der SC Freiburg am Samstag um 15:30 Uhr im Westfalenstadion vorstellig wird. Anschließend folgt eine durchaus anspruchsvolle Woche mit einem Auswärtsspiel in Gladbach, dem CL-Rückspiel in Paris und dem Heimderby. Mitte März lässt sich dann wohl auch prognostizieren, in welche Richtung es für die Borussia in dieser Spielzeit noch gehen wird und kann.
Einzelkritik
Bürki: Hatte seine Ruh, hatte Zagadou.
Piszczek: Putzte sich vor dem Spiel kurz die Reste von Neymar aus den Stollen und erledigte alles weitere gewohnt souverän.
Hummels: Unterband die Konter der Bremer ohne Mühe, konnte jedoch kaum Angriffe einleiten.
Zagadou: Hat sich nach seiner Verletzungspause wohl endgültig zurück in die Startelf gespielt und das völlig zu Recht. Und da ist sein Tor noch gar nicht mit berücksichtigt.
Hakimi (bis 90.+3.): Wie wichtig seine Läufe zu Grundlinie sind, merkt man besonders dann, wenn sie nicht stattfinden. So wie gestern in den ersten 65 Minuten. Dann auch direkt mit seiner 10. (!) Torvorlage in dieser Saison.
Guerreiro: Steigerte sich wie alle anderen in der zweiten Halbzeit und kurbelte das Spiel von links an.
Witsel: Konnte neben dem grasfressenden Can seine Ruhe ausspielen und insbesondere in der zweiten Halbzeit die Bälle nach außen verteilen.
Can: Fußballerisch diesmal gar nicht so wahnsinnig auffällig (wenn auch kämpferisch vorbildlich), auffällig dafür im Anweisen, Zuordnen und Dirigieren.
Hazard (bis 90.): Der Can der Offensive. Immer unterwegs, immer arbeitswillig. Nur ohne Dirigieren.
Sancho (bis 77.): Technisch war es nicht sein bestes Spiel. Aber es nötigt einem schon Respekt ab, dass er sich zu keinem Zeitpunkt versteckt.
Haaland: Hing in der ersten Halbzeit in der Luft und war bei Toprak größtenteils gut aufgehoben. Als dieser einmal nicht aufpasste, war der Norweger da.
Reyna (ab 77.): Es ist erstaunlich, wie gut Reyna sofort im Angriffsspiel eingebunden ist. Nahezu jede Umschaltsituation in der letzten Viertelstunde lief über ihn.
Brandt (ab 90.): Wurde zumindest nicht als Letzter gewählt.
Akanji (ab 90.+3.): Durfte sich den Schlusspfiff aus der Nähe anhören.