Spielbericht Profis

Ein Heimsieg, über den keiner redet

01.03.2020, 14:57 Uhr von:  Vanni
Ein Heimsieg, über den keiner redet

Beginnen wir mit dem Elefanten im Raum. Beim Bundesliga-Spiel zwischen Borussia Dortmund und dem SC Freiburg (das der BVB mit 1:0 gewann, darauf wird im Rahmen dieses Artikels selbstverständlich auch noch eingegangen werden), stand das Ergebnis im Hintergrund. Grund dafür war die unnötige Eskalation einer lange schwelenden Debatte zwischen aktiver Fanszene, Dietmar Hopp und dem deutschen Fußball-Bund, die am gesamten 24. Spieltag, noch nicht mal mit dem Westfalenstadion als Haupt-Handlungsort, ihren neuen Höhepunkt erreichte. Was war passiert?

In Dortmund wurden mit Beginn der zweiten Hälfte sowohl auf Heim- als auch auf Gästeseite Banner ausgerollt. „DFB – Eure Worte sind nicht mehr als Schall und Rauch! Kollektivstrafen abschaffen!“, hieß es auf der Südtribüne auf dem Banner von The Unity. Im Gästeblock schoss man in eine ähnliche Richtung: „Gegen Kollektivstrafen! Verlogener Scheiß DFB!“ Begleitet wurde das ganze zunächst von „Scheiß DFB“-Wechselgesängen zwischen Süd- und Nordtribüne.

Protestspruchband gegen Kollektivstrafen

Hier wurde sich also im ersten Schritt sehr deutlich gegen den Wortbruch des Deutschen Fußball-Bundes positioniert, der zunächst im Zwiegespräch mit der aktiven Fan-Szene versprochen hatte, keine Kollektivstrafen mehr zu verhängen, mit dem in der letzten Woche beschlossenen Ausschluss von BVB-Fans für Auswärtsspiele in Hoffenheim aber genau dieses tat. (Wem diese Einordnung zu redundant erscheint, darf sie gerne überspringen, dem Autor war es wichtig, zu versuchen, die Geschehnisse im Westfalenstadion in den Gesamtkontext einzuordnen, weil dies vielen Medien seit Samstagnachmittag nicht gelang.)

Erst im zweiten Schritt wurde die verbal vorgetragene Kritik von „Fick dich DFB“, die auf der Südtribüne gesungen wurde, umgewandelt auf Kritik gegen Dietmar Hopp. Auf der gleichen Melodie von „Give it up“ wurde dann nämlich „Hopp, du Hurensohn“ gesungen. Und auch hier scheint es sinnvoll noch einmal einzuordnen, dass dies nicht zwingend von der Ultra-Ecke in „Block Drölf“ geschah. Einige Redaktionsmitglieder, die gestern auf der Südtribüne standen, berichten eher davon, dass die Ultras den Gesang übernahmen, nachdem die Umwandlung des Liedtextes von anderen Bereichen der Süd vorgenommen wurde.

Klare Ansage von THE UNITY

Kurz nachdem diese Gesänge angestimmt wurden, sah sich Schiedsrichter Robert Hartmann dazu genötigt, das Spiel für wenige Sekunden zu unterbrechen. Hartmann schnappte sich die beiden Kapitäne, nach kurzer Irritation auf den Rängen ging das Spiel weiter. Die Gesänge waren an dieser Stelle schon wieder abgeklungen und in das unterstützende Liedgut übergegangen, es dauerte eine Zeit, bis BVB-Stadionsprecher Hartmut Salmen dann Hartmanns Anweisung folgte und per Stadiondurchsage darauf hinwies, die „Schmähgesänge“ zu unterlassen. Andernfalls sei ein Spielabbruch zu erwarten. Erst diese Durchsage brachte das Fass zum Überlaufen, ein gellendes Pfeifkonzert – um eine Vielzahl lauter als die ursprünglichen Gesänge – ergoss sich im Westfalenstadion. Und natürlich – was anderes konnte man von einer Durchsage dieser Art auch nicht erwarten – folgten erneute Gesänge, an dieser Stelle noch einmal deutlich lauter als die ursprünglichen, mitgetragen von weitaus größeren Teilen als nur Block Drölf. Und auch hier sei noch einmal darauf verwiesen, dass es die Vorsänger waren, die nach Gesängen wie „Ihr macht euch lächerlich“ den Fokus schließlich wieder auf das Spielgeschehen und den Support der eigenen Mannschaft lenkten.

Empörung auf den Rängen nach der Stadiondurchsage

Was dann – nicht nur in Dortmund, sondern vor allem auch mit Blick auf die Geschehnisse in Sinsheim folgte – ist eine komplett überzogene Reaktion sämtlicher Handelnden. Mit Blick auf die Situation im Westfalenstadion kann der Autor festhalten: Ja, die Schmähgesänge gegen Dietmar Hopp (die immer noch nicht persönlich zu verstehen sind), sind drüber, sind unkreativ, sind plump, sind zu kritisieren. Der Eiertanz, der dadurch ausgelöst wurde, ist aber um eine Vielzahl unnötiger. Es war doch komplett abzusehen, dass eine Stadiondurchsage wie die gestrige genau das Gegenteil bewirkt und die Gesänge, die schon lange wieder abgeklungen waren, noch weiter intensiviert. Man kippt hier Öl in ein ohnehin immer größer brennendes Feuer. Nehmen wir doch einfach mal an, es hätte diese Durchsage nicht gegeben: es würde sich in diesem Spielbericht um das Sportliche drehen (Surprise!), die Gesänge wären bestenfalls eine Randnotiz in der Berichterstattung. Stattdessen eskaliert die Situation weiter. Und das auf einer Stufe, in der es gestern nur um Gesänge ging. Was passiert in zwei Wochen, wenn das Derby im Westfalenstadion stattfindet? Dem gestern angewendeten Drei-Stufen-Plan folgend wird das Spiel kaum angepfiffen, garantiert aber nicht zu Ende gebracht werden können, weil diffamierende Gesänge dort auf der Tagesordnung stehen. Das darf man sicherlich auch kritisch sehen, aber es ist doch einfach so, dass sich Dortmunder und Schalker genauso unterhalb der Gürtellinie beleidigen, wie es die Gesänge gegen Dietmar Hopp tun.

Spuchband der Jubos gegen Kollektivstrafen

Man wird ein Stadion nicht mundtot machen können – und genau das wurde gestern versucht. Im Gegenteil erzürnt man damit sogar noch Fans, die eigentlich gar nicht so richtig Teil der Schmähgesänge sind, aber keine Lust darauf haben, sich sagen zu lassen, was sie zu singen haben und was nicht. Von der unsäglichen Berichterstattung in vielen Medien soll hier nicht mehr weiter die Rede sein. Wir kommen so langsam zurück zum Sportlichen, denn Fußball wurde auch noch gespielt.

Zum Sportlichen

Vor Anpfiff schickten die Jubos ebenfalls Grüße in Richtung des DFB, während die Freiburger mit einer kleinen Fahnen-Choreo punkteten. Mit Blick auf den Aufstellungsbogen überraschten bei den Dortmundern zwei Kleinigkeiten: Erling Haaland nahm zunächst auf der Bank Platz, da er sich unter der Woche mit einer Magenschleimhautentzündung herum plagte und Mario Götze stand gar nicht im Spieltagskader - warum, ist noch offen. Für Hazard rückte Brandt zurück in die Startformation und die Formation präsentierte sich als eine Art 3-4-1-2 mit Brandt hinter den beiden Spitzen Hazard und Sancho, die Haaland also im Doppelpack ersetzen sollten.

Schwarzgelber Jubel um Jadons Führungstreffer

Durchaus passend, dass genau diese Kombination nach einer Viertelstunde schon für den goldenen Treffer des Tages sorgte. Brandt schickte Hazard auf die Reise, der sich auf der linken Strafraumseite mit ein wenig Glück und viel technischem Vermögen durchtankte und damit den Weg zu Jadon Sancho öffnete. Der Belgier fand den Engländer ziemlich freistehend in der Mitte und somit hatte Sancho keine Probleme, seinen nunmehr siebten Heimspieltreffer in Serie beizusteuern – was für eine Serie des 19-Jährigen Mittelfeldjuwels! Es blieb jedoch eines der wenigen Highlights in einer sportlich doch sehr schwachen Partie, die dann auch noch Zeuge eines kleinen Stürmchens war, das Mitte der ersten Hälfte durch das Westfalenstadion zog. Die sky-Werbebande landete somit auf dem Platz, zwischenzeitlich war zu befürchten, dass mehr Müll in Form von Chipstüten, Bierhaltern etc. auf dem Platz lag als auf den Rängen. Das ungemütliche Wetter störte auch den Spielfluss des BVB, der zwar noch kleinere Chancen in Form eines Brandt-Schlenzers (32.) oder eines nicht gut ausgespielten Konters über Hazard (35.) hatte, aber insgesamt nicht oft überzeugte. Stattdessen hatten auch die Gäste aus Freiburg einige Abschlussmöglichkeiten, auch wenn es dem BVB immerhin gelang, sie in die Situationen zu drücken, die eher weniger erfolgsversprechend sind. So waren es dann häufig Distanzschüsse oder Abschlüsse aus spitzerem Winkel, die Roman Bürki vor wenig Herausforderungen stellten.

Aktivposten: Achraf Hakimi

Die zweite Hälfte startete nicht nur mit den eingangs erwähnten Szenen, sondern auch mit der Auswechslung von Mats Hummels, der bereits nach acht Minuten mit dem Kopf eines Freiburgers zusammen gerasselt war, aber dennoch bis zur Pause weiter spielte – vermutlich ein weiteres Zeichen dafür, dass der Fußball einen anderen Umgang mit Kopfverletzungen benötigt. Im Verlauf der zweiten Hälfte gelang es dem BVB nur selten und auch nach der Einwechslung von Haaland nicht unbedingt besser, sich vor das Freiburger Tor zu kombinieren. Stattdessen konnten die Gäste gleich mehrmals am Ausgleich schnüffeln. Ein Schmid-Abschluss verfehlte den Dortmunder Kasten nur knapp (68.), nach einer Ecke kurze Zeit später war ganz Dortmund kurze Zeit in Not und hatte wiederholt Mühe, den Ball irgendwie aus dem Strafraum zu bekommen (70.) und weitere fünf Minuten später konnte nach einer Flanke von der rechten Seite nur noch Lukasz Piszczek klären.

Emre Can gegen Lucas Höler

Die Dortmunder Abwehr hatte Petersen komplett aus dem Auge verloren, Bürki war schon geschlagen und der BVB-Veteran war die letzte Rettung kurz vor der Torlinie (75.). Bedingt durch die nun weiter auf machenden Freiburger ergaben sich für Dortmund in der Schlussphase natürlich Räume und damit auch Chancen, aber auch die blieben letztlich ungenutzt. So stand am Ende zumindest ein Arbeitssieg und vielleicht sogar die Erkenntnis, dass die Mannschaft ein solches Spiel in der schwierigeren Phase der Hinrunde nicht über die Zeit gebracht hätte (wie beispielsweise beim 2:2 beim SCF im Hinspiel). Neue drei Punkte auf dem Konto, der vierte Pflichtspiel-Sieg in Serie. Allein, er war am Ende tatsächlich eher eine Randerscheinung, weil die meisten Dortmund-Fans nach der Partie über andere Dinge diskutierten als über dieses Spiel, das zugegebenermaßen aber auch nicht viele Glanzpunkte setzte und rein sportlich auch schnell wieder vergessen sein wird – ganz im Gegensatz zum Rest des 29. Februars 2020, auf den wir fanpolitisch vielleicht noch lange zurück blicken werden.

Statistik

Borussia Dortmund: Bürki - Zagadou, Hummels (46. Akanji), Piszczek - Guerreiro, Witsel, Can, Hakimi - Brandt (62. Haaland) - Hazard (80. Reyna), Sancho

SC Freiburg: Schwolow - Gulde, Lienhart, Heintz (86. Schlotterbeck) - Haberer (46. Keitel), Höfler - Schmid, Grifo, Sallai (70. Höler), Günter - Petersen

Tor: 1:0 Sancho (15.)

Gelbe Karte: Can

Schiedsrichter: Robert Hartmann

Zuschauer: 81.365 (ausverkauftes Westfalenstadion)

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