Spielbericht Profis

Der Kapitän gibt die Richtung vor

15.02.2020, 16:41 Uhr von:  Michael
Der Kapitän gibt die Richtung vor

Es ist ein Phänomen, das jeder Kreisliga-Spieler kennt. Auswärtsspiele sind scheiße. Man muss früher los, teilweise mehr als 15 km weit fahren, die Kabinen sind dreckig, die Duschen kalt, die Toiletten verranzt und der Platz ist scheiße.

Na gut, zuhause sind die Kabinen auch dreckig, die Duschen kalt, die Toiletten verranzt und der Platz scheiße, aber es gehört einem halt. Und deswegen gewinnt man.

Offenbar scheint es in der Bundesliga ähnlich zu sein. Der BVB bleibt nach zwei empfindlichen Auswärtsniederlagen in Bremen und Leverkusen zuhause weiter ungeschlagen.

Personelles

Teil 1 der Choreografie von THE UNITY

Lucien Favre erhörte das Flehen vieler Fans und gab Akanji eine Pause. Hatte man Anfang der Rückrunde noch gehofft, dass Akanji sich die Sicherheit über die Spiele gegen Köln, Düsseldorf und Union wiederholen kann, zeigte sich in Leverkusen wieder die derzeitige Formschwäche des Schweizers. Lukasz Piszczek bildete zusammen mit Hummels und Zagadou die Dreierkette.

Die offensive Mittelfeldachse hatte sich durch die Verletzungen von Brandt und Reus selbst aus dem Spiel genommen. Can und Hazard übernahmen die Positionen.

Vor dem Spiel

Es ist ja nicht so, dass wir in Dortmund nicht Choreoverwöhnt wären. Doch wer gestern abend ab 20:25 Uhr den Blick auf die Südtribüne richtete, wird einmal mehr Gänsehaut bekommen haben. Nach dem zunächst die Dortmunder Stadtfarben inklusive Wappen und Skyline erstrahlten, änderte sich das Bild beim Einlaufen der Mannschaften auf schwarzgelb inklusive Vereinswappen. In der nicht kleinen Rangliste der Dortmunder Choreographien nimmt diese ohne Zweifel einen Spitzenplatz ein.

Erste Halbzeit

Und der "BVB-Teil" der Choreografie

Die Südtribüne startete dementsprechend engagiert in das Spiel, was allerdings auch für den Gästeblock galt. Und auf dem Platz? Versuchte der BVB es den Tribünen gleichzutun. In Anbetracht der verletzungsbedingten Ausfälle in der Mitte suchte der BVB immer wieder die offensiven Außen und versuchte über Guerreiro, Hakimi und Sancho in Abschlusspositionen zu kommen. Eine erste Annäherung gab es in der 09. Minute, als Haaland in halbrechter Position gefoult wurde und Guerreiro den Freistoß an den Außenpfosten setzte.

In der Folge verflachte das Spiel nicht nur auf dem Platz sondern auf den Rängen. Der BVB versuchte insbesondere nach Ballgewinnen schnell umzuschalten, scheiterte aber häufig an technischen Ungenauigkeiten. Insbesondere Hazard und Haaland ließen mehrfach aussichtsreiche Situationen durch schlechte Pässe oder schwache Ballannahmen liegen. Defensiv hingegen hatte die Dreierkette zur Abwechslung mal alles im Griff. Aufregung gab es nur, als Hummels Rode zentral vor dem Sechzehner sehr rustikal legte, Dankert aber den folgenden Distanzschuss als Vorteil wertete.

Das Spiel schien sich für den BVB zum zähen Geduldsspiel zu entwickeln. Doch dann kam der alte Mann.

Der Kapitän bejubelt das 1-0

Lukasz Piszczeks Hereinnahme in die Startelf war nicht überall mit Zustimmung aufgenommen worden. (Beim Autor übrigens schon, so stand zumindest ein Schwarzgelber auf dem Platz, der noch älter war als er.) Die Aussicht auf Laufduelle zwischen Piszczek und Kostic sorgte für Sorgenfalten auf diversen schwarzgelben Gesichtern. Doch zum einen ist Piszczek immer noch ein veritabler Verteidiger und zum zweiten braucht man auch einen Kapitän und wer eignet sich da besser, als der Champions-League-Rekordspieler.

Lukasz Piszczek hatte offenbar keine Lust auf ein Geduldsspiel und nagelte den Ball nach kluger Ablage von Hakimi aus 16 Metern mit links ins untere rechte Eck. Der anschließende „HalsschlagaderwieGartenschlauch“-Jubel ist ja mittlerweile gut bekannt. Es war das 16. Bundesligator des Polen für den BVB und mit Ausnahme eines 5:1-Treffers gegen Wolfsburg waren es nur immens wichtige Tore. Verloren hat der BVB übrigens noch nie, wenn Piszczeck getroffen hat.

Das Tor sorgte weiter für Beruhigung im schwarzgelben Spiel. Bis zur Pause ließ man den Ball klug laufen und Frankfurt nicht ins Spiel kommen. Sorgen bereiteten nur die Behandlungspausen bei Witsel und Can, die beide aber zunächst weiterspielen konnte.

Zweite Halbzeit

Der BVB täte gut daran auf jegliche Materialverbote zu verzichten

Im Norden zog zu Beginn der 2. Halbzeit Nebel auf, da der Gästeblock bewies, dass auch Materialverbote nichts gegen Pyrotechnik ausrichten können. Auf dem Platz brachte Adi Hütter Bas Dost, in der Hoffnung, damit offensiv etwas mehr Akzente setzen zu können. Klappte allerdings nur so mittel.

Grund dafür war ein blitzsauberer Konter des BVB. Hummels erahnte Ndickas Fehlpass, brachte Witsel ins Spiel und der schickte Sancho auf die Reise. Der zog in der Strafraum und Abraham setzte eine Grätsche der Kategorie „Und wenn er nicht gestorben ist, dann rutscht er noch heute“ an. Sancho, der noch nicht einmal zum Schuss angesetzt hatte, nahm das Geschenk dankend an, schlug einen kurzen Haken, wünschte dem vorbeirutschenden Abraham eine gute Reise und versenkte den Ball trocken neben Trapp im Kasten.

Sollten die Frankfurter sich für die zweite Halbzeit etwas vorgenommen haben, war das der perfekte Dämpfer. Und damit auch keiner auf die Idee kommen konnte, dass hier noch etwas anbrennt, legte BVB durch Haaland das 3:0 nach. Seinen Ursprung hatte dieses Tor jedoch nicht in der guten Vorbereitung von Sancho und Hakimi, sondern in der Balleroberung samt Sololauf durch die eigene Hälfte von Raphael Guerreiro.

Apropos Guerreiro

Jubel um Raphael's Treffer zum 4:0

Es war nicht immer einfach mit dem Portugiesen in Dortmund. Im Sommer schien ein Wechsel beschlossene Sache, Gerüchte über einen eher unprofessionellen Lebenswandel machten die Runde. Ob da was dran ist, kann ich nicht beurteilen. Was ich aber beurteilen kann, dass Guerreiro ein verdammt geiler Fußballer ist. Seine Schnelligkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Übersicht sind für den BVB besonders dann wertvoll, wenn die Kreativität im Mittelfeld durch das Fehlen von Brandt eingeschränkt ist. Zudem sichert die Dreierkette seine defensiven Schwächen besser ab, als das vorher bei der Viererkette der Fall war.

Seine starke Leistung krönte er dann auch noch mit dem 4:0. Nachdem Haaland im Strafraum der Ball versprungen war, legte die schwache Frankfurter Abwehr Guerreiro den Ball genau in den Fuß und der versenkte ihn aus 20 Metern in der langen Ecke. Ein würdiger Abschluss einer zweiten Halbzeit, in der es nichts negatives zu berichten gab.

Nichts negatives? Das stimmt dann leider doch nicht.

Starke Leistung bei der Heimpremiere: Emre Can

In der 65. Minute musste Emre Can den Platz verlassen. Nach der Behandlungspause in der ersten Halbzeit ging es dann doch nicht weiter. Favre bestätigte in der Pressekonferenz, dass Can schon unter der Woche nur eingeschränkt trainieren konnte. Es bleibt zu hoffen, dass es nichts schlimmeres ist. Für Can kam Dahoud ins Spiel.

Apropos Dahoud: Leute, wir müssen reden!

Vermutlich hat Dahoud keine große sportliche Zukunft in Dortmund. Das ist einerseits schade, weil er auch gestern wieder zeigte, wie gut er mit dem Ball umgehen kann, aber die Entscheidungsfindung gehört auch zum Spiel und da trifft er leider zu häufig die falsche. Es könnte sein, dass Dahoud den BVB nach der Saison verlassen wird. Das ist okay, manchmal reicht es einfach nicht.

Aber: Was hat sich ein Dahoud zu Schulden kommen lassen, dass bei seiner Einwechslung von Einzelnen gepfiffen wird? Er hat sich bislang noch nie über seine Rolle beklagt, mangelnden Einsatz kann man ihm bei seinen Auftritten auch nicht bescheinigen. Stattdessen war er auch gestern wieder hochmotiviert und haute sich 25 Minuten in jeden Zweikampf. Also, warum pfeift man bei seiner Einwechslung?

Ich hab keine Ahnung, ob einige von denen die gepfiffen haben, unsere Artikel lesen. Wenn ja: Überlegt euch bitte, ob eure Eintrittskarte nicht bei anderen besser aufgehoben wäre.

Gehört immer noch zur BVB-Familie: Mo Dahoud

Einzelkritik

Bürki: Also wenn der dafür eine Auflaufprämie bekommt, sollen die Einlaufkinder auch eine bekommen. Die mussten nämlich deutlich mehr leisten als der BVB-Torhüter.

Piszczek: Siehe oben. Legende.

Hummels: Die Frankfurter Spielanlage kam ihm entgegen, er konnte die flachen Bällen ablaufen und die Kopfballduelle gewinnen. Die Hessen schafften es nie, den Ball in Hummels Rücken zu bringen, um ihn in Laufduelle zu bringen.

Zagadou: Was soll man zu diesem Typen noch sagen? Lässt die Gegenspieler regelmäßig mit simplen Bewegungen eiskalt in die falsche Richtung laufen, deutet an, nicht zum Ball zu gehen, nur um ihn dann doch locker abzulaufen, wenn der Gegenspieler losläuft und strahlt eine Coolness aus, wie ein Tiefkühlgerät auf höchster Stufe.

Hakimi: Nicht nur wegen seiner zwei Torvorlagen absoluter Aktivposten. Stellte mit seiner Geschwindigkeit die Frankfurter immer wieder vor große Probleme.

Guerreiro: Siehe oben.

Axel Witsel: Wurde dankenswerter Weise von den Frankfurtern weitestgehend unbehelligt gelassen und konnte so auch immer wieder Fahrt nach vorne aufnehmen. Leitete das 2:0 mit seinem starken Pass auf Sancho ein.

Can (bis 64.): Sorgte für viel Stabilität im Mittelfeld, klärte in der ersten Halbzeit resolut per Grätsche gegen Kostic. Ist im Gegensatz zu Brandt die defensivere Variante, was heute aber durchs Witsels Aktionen nach vorne aufgefangen wurde.

Hazard: Ich mag ja Spieler, die den Kopf nicht hängen lassen, auch wenn es mal nicht läuft. Viele technische Schwächen heute, steckte aber nie auf.

Sancho (bis 75.): Bei Ousmane Dembélé war ich mir sicher, dass ich eine solche Ballbehandlung so schnell nicht wiedersehen werde. Bei Sancho denke ich jedes Mal, dass Dembélé irgendwie doch ein Holzfuß war.

Haaland (bis 79.): Ähnlich wie Hazard unterwegs. Erstaunliche Schwächen bei der Ballverarbeitung, aber immer unterwegs, anspielbar und immerhin mit dem 8. Tor im 5. Spiel.

Dahoud (ab 64.): Siehe oben.

Reyna (ab 75.): Kam in ein Spiel, aus dem die Luft so dermaßen raus war, dass auch der jugendliche Elan nicht ausreichte.

Götze (ab 79.): Durfte auch mal wieder.

Und auf den Rängen?

Das Westfalenstadion mit einem der besseren Auftritte in dieser Saison. Lediglich in der Phase vor dem 1:0 gab es einen Hänger, ansonsten war es durchgehend okay. Auch der Gästeblock startete gut, ließ dann aber mit dem Verlauf des Spiels nach und verlegte sich aufs Pöbeln. Das aber im besten Grundschulsinn mit Sprechchören wie "Eure Eltern sind Geschwister." Da hierbei aber bei weitem nicht alle mitzogen, kam es nicht so richtig an. Erst nach dem Spiel wurde es wieder laut, als die Frankfurter ihre Mannschaft durchaus beeindruckend verabschiedeten.

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