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Ostern soll der Ball rollen: BVB-Frauenfußball nimmt weiter Gestalt an

13.11.2020, 19:26 Uhr von:  Malte S. Larissa Alexey
Das Bild zeigt ein Spruchband, in Nahaufnahme, hochgehalten in Block drölf der Südtribüne. Aufschrift: "Fußball ist für alle da - Frauenteam jetzt". Dahinter das Logo von ballspiel.vereint!
Spruchband von ballspiel.vereint! im Herbst 2019

Ein Wunsch wird Wirklichkeit: Im September hat Borussia Dortmund bekanntgegeben, zum 1. Juli 2021 eine Abteilung für Mädchen- und Frauenfußball zu gründen. Die Planungen schreiten weiter voran. Im Frühjahr 2021 könnte es Sichtungstrainings geben, um Ostern erste Testspiele.

Der „Dortmunder Weg“, wie ihn die Verantwortlichen nennen, probiert den Spagat zwischen organischem Wachstum und gleichzeitig hohen Ambitionen. Das neue Frauenteam soll zur Saison 2021/2022 in der Kreisliga B starten und möglichst binnen eines Jahrzehnts sieben Mal aufsteigen – dann wäre man in der Bundesliga.

Eine lange Reise, die der BVB da auf sich nimmt. Bewusst hat man sich gegen den Kauf der Lizenz eines höherklassigen Vereins entschieden. Dennoch ist diese Frage nicht nur unter Fans, sondern auch innerhalb des Vereins offen diskutiert worden, wie Abteilungsleiterin Svenja Schlenker im Interview mit schwatzgelb.de verrät. So habe man Bundesligist SGS Essen im Visier gehabt: „Wir haben zumindest kurz überlegt, eine Lizenz zu übernehmen. Auch weil es zunächst für Essen – nach dem Weggang einiger Stammspielerinnen – nicht ganz so rosig aussah. Aber die haben sich, nach meinem letzten Stand, wieder gut gefangen. Persönliche Gespräche gab es jedoch nicht.“

BVB möchte in der Roten Erde spielen

Schlenker ist seit über 13 Jahren bei Borussia Dortmund und hat selber unter anderem beim Wambeler SV gespielt. Sie leitet, neben ihrem Job als Teamleiterin des Live- und Social-Marketings, die Projektgruppe, die schwarzgelben Mädchen- und Frauenfußball im kommenden Jahr an den Start bringen soll. Mit 15 Kolleg:innen aus allen Abteilungen ist es übrigens die größte Projektgruppe, die es derzeit beim BVB gibt. Die neue Abteilung wird dann unter dem Dach der KGaA stehen.

Das Foto zeigt eine seitliche Nahaufnahme von Svenja Schlenker während des Gesprächs mit schwatzgelb.de
Svenja Schlenker, die neue Abteilungsleiterin Frauen- und Mädchenfußball

Bis im kommenden Sommer der reguläre Ligabetrieb starten kann, sind jedoch noch einige Fragen zu klären. Gemeinsam mit Geschäftsführer Carsten Cramer hat Svenja Schlenker Einblicke in die aktuellen Planungen gegeben. So gibt es bei der Suche nach einer geeigneten Spielstätte für die Mädchen und Frauen eine klare Tendenz: „Unser Traum ist es, in der Roten Erde zu spielen“, macht Schlenker keinen Hehl. Problematisch ist dabei die Qualität des Rasens. Wer die U23 verfolgt,
weiß, wie häufig in der Vergangenheit Spiele wegen Unbespielbarkeit des
Platzes (kurzfristig) verschoben werden mussten. "Das Problem müsste man also noch angehen", blickt Svenja Schlenker voraus.

Auch Carsten Cramer sieht in der Roten Erde "mit die beste Lösung", nicht zuletzt wegen einer möglichen Verzahnung von Frauenteam und U23. Für ihn gehöre das Frauenteam am Ende auf ein Gelände von Borussia Dortmund, "und das ist entweder hier am Stadion, auch wenn die Rote Erde uns aktuell nicht gehört, im Rabenloh oder drüben in Brackel".

Vor einigen Jahren hatte Borussia Dortmund versucht, die Rote Erde zu übernehmen. Eine Einigung konnte man jedoch nicht erzielen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke erklärte 2017 während der Mitgliederversammlung: „Wir wollten die Rote Erde von der Stadt kaufen – das geht aber nicht wegen den Leichtathleten.“ Wie die Ruhr Nachrichten damals berichteten, habe Borussia Dortmund im Falle einer Übernahme vorgehabt, ein neues Spielfeld inklusive einer Rasenheizung einzubauen. Doch das Ansinnen sei gescheitert aufgrund der Bedingung der Stadt, die Leichtathlet:innen müssten das Stadion weiter nutzen dürfen. Auch vom Vorwurf, der BVB erdrücke die anderen Sportarten in Dortmund, war zu lesen. Nun ist im August dieses Jahres ein neues Leichtathletik-Stadion in Hacheney eröffnet worden. Ob nun ein neuer Versuch zum Kauf der Roten Erde gestartet werden solle, lassen die BVB-Verantwortlichen jedoch offen.

Das Foto zeigt den grünen Rasen des Stadions Rote Erde, einen Teil der roten Tartanbahn und im Hintergrund die Nordost-Ecke des Westfalenstadions.
Stadion Rote Erde, nicht nur beim BVB beliebt

Andere mögliche Spielorte habe man bereits verworfen, so zum Beispiel den Hoesch-Park in der Nähe des Borsigplatzes, immerhin Gründungsviertel des BVB. Carsten Cramer sieht dafür gute Gründe: „Wir kamen schnell zum Schluss, dass sich ein Frauenteam dort sehr isoliert fühlen würde. Das Team gehört am Ende auf ein Gelände von Borussia Dortmund.“

Wünsche und Sorgen der Dortmunder Vereine

Schwierig gestaltet sich die Suche nach einem Trainingsort. Naheliegend ist das Trainingszentrum der männlichen Profis in Dortmund-Brackel, doch dort seien momentan alle Kapazitäten erschöpft. Svenja Schlenker hat sich deshalb bereits von dieser Idee verabschiedet. Möglichkeiten bietet hingegen die BVB-Fußballakademie am Rabenloh, „wo wir abends mit Sicherheit trainieren könnten.“

Grundsätzlich hat die Ankündigung des BVB, aktiv in den Mädchen- und Frauenfußball einzusteigen, viele positive Reaktionen hervorgerufen. Gleichzeitig wurde aber auch die Sorge geäußert, Borussia Dortmund könne kleineren, lokalen Vereinen das Wasser abgraben. Cramer und Schlenker haben sich deshalb früh mit den Verantwortlichen des kürzlich in die zweite Bundesliga aufgestiegenen SV Berghofen zusammengesetzt. Schlenker sprach außerdem mit dem Vorstand des Fußballkreises.

„Zum einen besteht die Angst, der BVB habe eine so große Strahlkraft, dass alle Mädchen und Frauen zu uns wollen und sich bestehende Mannschaften auflösen müssen“, berichtet Schlenker aus den Gesprächen, „zum anderen sind alle Vereine von Sponsoringgeldern abhängig, und die haben einen sehr, sehr regionalen Bezug.“ Sorgen, denen man am Rheinlanddamm gerne entgegentreten möchte: „Wir werden den anderen Vereinen nicht die lokalen Partner und Sponsoren madig machen.“

Jugend-Kooperationen mit lokalen Klubs?

Außerdem werde es eine Transferbeschränkung geben, auf die man sich noch einigen müsse. So sei laut Schlenker eine Idee, „maximal zwei bis drei Spielerinnen pro Verein zum BVB zu holen“. Darüber hinaus hege man die Hoffnung, dass der Frauenfußball allein schon durch das Engagement des BVB belebt werde, indem mehr Mädchen und Frauen Lust auf Fußball bekommen. Carsten Cramer sieht vor diesem Hintergrund auch noch einen weiteren Aspekt: „Natürlich verliert ein Vorortverein dadurch auch mal ein Talent an Borussia Dortmund. Aber irgendwann kommt es ja vielleicht auch wieder zurück, wenn es sich zum Beispiel beim BVB nicht durchsetzen kann. Bei den Jungs läuft es ja auch so.“

Das Bild zeigt Carsten Cramer während des Interviews mit schwatzgelb.de, wie er auf seinem Stuhl sitzt und mit den Händen gestikuliert
BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer: Erstmal keine Gehälter

Darüber hinaus könnten sich im Jugendbereich Kooperationen mit anderen Vereinen aus Dortmund ergeben. Noch ist nämlich nicht klar, ob der BVB direkt auch mit einer oder gar mehreren Mädchenmannschaften starten möchte. „Im Jugendbereich müssen wir uns die Frage stellen, ob wir zu einem Teil Doppelpass mit anderen Vereinen spielen möchten. Vielleicht müssen wir nicht in jedem Jahrgang eine Mannschaft haben“, überlegt Carsten Cramer im Gespräch mit schwatzgelb.de beispielsweise.

Klar sind hingegen zwei Dinge: Der BVB möchte lediglich mit einem Frauenteam beginnen, nicht mit zwei. So wird es beispielsweise in Gelsenkirchen praktiziert, wo man den Breitensport-Ansatz verfolgt. Und: „Wir werden sicherlich keine Gehälter zahlen. Die ersten fünf oder sechs Jahre wird es wahrscheinlich so ablaufen wie auch bei den anderen Vereinen“, stellt Carsten Cramer klar.

Quersubventionierungen möglichst lange vermeiden

Nicht nur deshalb hoffen die BVB-Verantwortlichen, dass der Frauenfußball sich so lange wie möglich selbst finanzieren wird. So geht Cramer davon aus, lange ohne Querfinanzierung durch Einnahmen des Profigeschäfts der Männer auskommen zu können. „Anders wäre das, würden wir uns elf Legionärinnen kaufen und diesen dann eine Aufwandsentschädigung von 450 Euro bezahlen. Dann kämen schnell Kosten von 150.000 bis 250.000 Euro auf uns zu. Das soll es, darf es und wird es aber am Anfang nicht kosten. Am Anfang wird sich der Frauenfußball, das glaube ich ganz ehrlich, selber tragen“, macht der Geschäftsführer klar.

Ändern dürfte sich das Ganze, würde der BVB tatsächlich irgendwann in den Profibereich vorstoßen. Dann würden die Spielerinnen neben dem Fußball keinen weiteren Job mehr ausüben und entsprechend bezahlt. Es sei klar, dass dies, Stand heute, „nicht mehr allein durch Ticketing und Sponsoring aus dem Frauenfußball selbst refinanzierbar ist“, prognostiziert Cramer, schränkt aber ein: „Da reden wir dann aber über Bundesliga, und zwar die erste.“ Als Referenz zieht er den SV Berghofen heran. Dort sei man, zu Regionalliga-Zeiten, in der Lage gewesen, 80.000 bis 90.000 Euro über eigene Mittel beizubringen, und habe so einigermaßen kostendeckend arbeiten können.

Obwohl der Geschäftsführer andeutet, anfangs vor allem in Trainerteam und Rahmenbedingungen zu investieren, hält er den Frauenfußball in den unteren Ligen nicht für ein Zuschussgeschäft. Dabei setzt er auch auf großes Interesse an schwarzgelbem Frauenfußball: „Ich bin sicher, dass Frauenfußball beim BVB eine große Resonanz erfahren wird und wir nicht nur 100 Zuschauer, die je zwei Euro Eintritt zahlen, haben werden, wenn wir in der Roten Erde spielen werden.“

Am Ende weiß er aber auch: „Wenn wir heute Bundesliga spielen würden, wäre das ohne Quersubventionen aus dem Männerfußball nicht kostendeckend zu betreiben.“

Bevor die Borussia sich darüber aber Gedanken machen kann, braucht sie erst einmal Spielerinnen. Die Sichtungstrainings sollen im ersten Quartal des neuen Jahres starten. Und wenn die ersten Testspiele wie erhofft um Ostern über die Bühne gehen können, beginnt endgültig ein neues Kapitel in der Geschichte von Borussia Dortmund.

Das ausführliche Interview mit Svenja Schlenker und Carsten Cramer, in dem wir auch ausführlich über die Kritik am vom BVB gewählten Weg sprechen, könnt ihr hier lesen.

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