Unser Fußball - Wir möchten den Fußball auf ein neues Wertegerüst stellen
Im Juni 2020 gründete sich die Initiative „Unser Fußball“ mit dem Ziel, den Profifußball dahingehend zu verändern, dass er nachhaltig, basisnah und zukunftsfähig wird. Wie das gelingen kann, haben wir mit Manuel Gaber besprochen.
schwatzgelb.de: Wo steht "Unser Fussball" heute?
Manuel Gaber: Mit „Unser Fußball“ haben wir deutlich gemacht, dass eine breite Fanbasis grundlegende Reformen im deutschen Fußball möchte. Trotz der Diversität der Fanlandschaft, gibt es hier eine große Einigkeit.
Aufbauend auf unserer Erklärung wurden von einer Vielzahl an Fans aus bundesweiten Fanorganisationen im Projekt „Zukunft Profifußball“ detaillierte Konzepte und Reformansätze entwickelt. Wir sind also nicht nur viele, die sich lautstark Veränderungen einfordern, es gibt von Seiten der Fans auch sehr konkrete Ideen, wie diese umgesetzt werden können.
Wie viele Menschen repräsentiert die Initiative aktuell?
Rund
eine halbe Millionen Menschen stehen hinter den über 2.600 Fanclubs,
Fanabteilungen und Organisationen, die unsere Erklärung
unterzeichnet haben.
Einfach weitermachen wie vor der Krise ist für uns nach wie vor keine Option.
Über den DFB, die DFL und die Resonanz auf die Übergabe der Unterschriften
Ihr habt an die beiden großen deutschen Verbände Unterschriften übergeben. Wie war die Resonanz?
Das Feedback der Verbände war insgesamt angemessen. Dem DFB haben wir die zentralen Punkte nochmal vorgestellt und auch konsequentes Handeln gefordert. Ob man sich auf die Veränderungsbereitschaft des DFB verlassen kann, darf aber zurecht angezweifelt werden.
Die DFL ist ja bekanntlich demokratisch organisiert. Daher war es uns wichtig, die Erklärung nicht nur der DFL in Frankfurt, sondern auch möglichst vielen lokalen Vereinsvertreter*innen zu übergeben. Hier gab es von einigen Vereinen sehr positives Feedback, aber letztendlich bringen uns nette Worte allein auch hier nicht weiter.
Die Übergabe ist ja nun schon einige Tage her. Habt Ihr in irgendeiner Form bemerkt, dass sich etwas bewegen könnte? Falls ja: Woran macht Ihr das konkret fest?
Der
deutsche Fußball befindet sich nun schon seit 7 Monate im
Ausnahmezustand. Ob er tatsächlich seine Lehren aus der Krise ziehen
wird, ist allerdings noch vollkommen offen. Wir fordern in unserer
Erklärung einen Grundsatzbeschluss, um eine klare Richtung für den
Reformprozess vorzugeben. Diesen hat es bis heute nicht gegeben.
Mittlerweile hat die DFL ihre Taskforce gestartet, deren Ausgang
natürlich noch offen ist. Bis tatsächliche Reformen
beschlossen sind, wird es auf diesem Wege noch einige Zeit dauern.
Gleichzeitig erleben wir in der laufenden Debatte um die Verteilung
der TV-Gelder, dass sich immer mehr Vereine für eine gleichmäßigere
Verteilung aussprechen. Da gibt es Bewegung in die richtige Richtung.
Was erwartet Ihr in der Zukunft?
Unsere Erwartungshaltung an Vereine und Verbände hat sich die letzten Monate nicht verändert. Wir fordern weiterhin grundlegende Reformen. Einfach weitermachen wie vor der Krise ist für uns nach wie vor keine Option.
Der deutsche Fußball ist ja nicht isoliert in Europa. Wie passt die Initiative in den europäischen Rahmen?
Es
gibt sicherlich viele problematische Entwicklungen im europäischen
Fußball, die negative Auswirkungen auf die Bundesliga haben. Dazu
gehören beispielsweise die immens hohen Champions-League-Gelder, die
den nationalen Wettbewerb zerstören oder der ungebremste
Kapitalzufluss von zweifelhaften Investoren. Umso wichtiger ist es,
dass der deutsche Fußball diesen Entwicklungen nicht blind
hinterherrennt. Wir möchten stattdessen den Fußball bei uns in
Deutschland auf ein neues Wertegerüst stellen. Das bedeutet auch,
dass sich deutsche Verbände im europäischen Kontext für strengere
Regulierungen einsetzen müssen.
Reden wir über die europäischen Wettbewerbe
Du hast gerade die Champions League angesprochen. Um einmal konkret zu werden: Was tun mit den Erlösen aus den europäischen Wettbewerben?
Es ist ja auch in anderen Ligen der Fall, dass die UEFA-Gelder massiv das Ungleichgewicht in den nationalen Wettbewerben fördern. Die Vertreter des deutschen Fußballs müssen sich daher zwingend im internationalen Kontext für eine Neugestaltung dieses Auszahlungssystems einsetzen.
Auch aus dem Projekt „Zukunft Profifußball“ gibt es einen attraktiven Vorschlag dazu: Die Erlöse aus den europäischen Wettbewerben sollen zukünftig zu 50% an die Teilnehmer der europäischen Wettbewerbe gehen, während die übrigen 50% innerhalb der Liga gleich verteilt werden
Gibt es Feedback zu eurer Initiative aus anderen europäischen Ländern?
Das Feedback, das wir bekommen haben, auch auf internationale Medienberichte, war bisher sehr positiv.
Gibt es, eures Wissens nach, ähnliche Initiativen in anderen europäischen Ländern?
In England wurde unter dem Dach der Football Supporters Association die Kampagne „Sustain The Game“ gestartet. Auch wenn die Ausgangslage auf der Insel natürlich eine ganz andere ist, gehen auch dort die Forderungen der Fans in die richtige Richtung. Sie fordern beispielsweise eine gerechtere Verteilung der Gelder, mehr Transparenz hinsichtlich der Besitzverhältnisse und strengere Finanzkontrollen.
Wäre eine europäische Initiative nicht sinnvoller, um die Veränderungen in einen europäischen Rahmen einzubetten?
Natürlich kann es sinnvoll sein, für manche Themen europäische Bündnisse zu schmieden. Es gibt ja auch bereits Organisationen, wie Football Supporters Europe, die europaweit Fanthemen voranbringen. Erst im Juni haben europaweit Fanorganisationen die Beteiligung von Fans in den notwendigen Reformprozessen gefordert.
Viele
Themen, die uns Fans bewegen, gilt es aber erst einmal national
anzugehen: egal ob die gesellschaftliche Verankerung des Sports,
Faninteressen oder die Integrität des nationalen Wettbewerbs.
Darüber hinaus stehen viele verschiedene Gruppierungen hinter „Unser Fußball“: Von bundesweiten Fanorganisationen über Fanabteilungen bis zu Ultra-Gruppen. Sie werden sich alle auf ihren Wegen für Veränderungen im Fußball stark machen und nach der Rückkehr in die Stadien sicherlich enormen Druck aufbauen, sollte bis dahin nichts geschehen sein.
Was ist geplant, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen?
In einem ersten Schritt wurden im Projekt „Zukunft Profifußball“ konkrete Konzepte auf Basis unserer Erklärung erarbeitet. Vereine und Verbände sind nun aufgefordert, sich intensiv damit auseinanderzusetzen.
Darüber hinaus stehen viele verschiedene Gruppierungen hinter „Unser Fußball“: Von bundesweiten Fanorganisationen über Fanabteilungen bis zu Ultra-Gruppen. Sie werden sich alle auf ihren Wegen für Veränderungen im Fußball stark machen und nach der Rückkehr in die Stadien sicherlich enormen Druck aufbauen, sollte bis dahin nichts geschehen sein.
Wie will die Initiative weiter vorgehen, um das Thema in der Öffentlichkeit zu halten?
Es ist wichtig, dass wir Fans unsere Positionen und Erwartungen immer wieder bekräftigen. Es ist ja schon absurd, wenn „Hurensohn“-Plakate viel mehr Aufsehen erregen als detailliert ausgearbeitete Konzepte zur Neugestaltung des Fußballs. Wir haben in der Corona-Krise aber auch gesehen, dass ein gestiegenes öffentliches Interesse an grundlegenden Reformen im Fußball vorhanden ist. Dadurch werden sich auch Vereine öffentlich zu ihrem Abstimmungsverhalten zu möglichen Reformen äußern müssen. Die Zeit von Hinterzimmerdeals neigt sich zum Glück langsam dem Ende zu.
Müssen Fans sich eine lautere Stimme in den „Mainstream“-Medien verschaffen?
Normalerweise haben wir Fans das Stadion, um unsere Meinungen und Positionen lautstark zum Ausdruck zu bringen. Aufgrund der Pandemie ist dies aktuell leider nicht möglich. Wenn wir den Fußball grundlegend verändern möchten, braucht es dafür natürlich auch Pressearbeit. Das passiert bereits aktiv und ich habe das Gefühl, dass unsere Positionen in den letzten Monaten auch verstärkt Berücksichtigung in der Berichterstattung finden. Vielleicht haben auch die Geisterspiele ihren Teil dazu beigetragen, weil immer mehr Menschen verstehen: Fans sind ein elementarer Bestandteil des Profifußballs und ihre Stimme muss gehört werden.
Was sollten Fans selber tun, um für Veränderungen im Verein zu sorgen?
Letztendlich sind es die 36 Vereine der 1. und 2. Liga, die in der Mitgliederversammlung der DFL Reformen beschließen müssen. Wir können also nicht genug dafür tun, um unsere Vereinsvertreter zu überzeugen oder zu verpflichten, sich für unseren Fußball stark zu machen. Dafür müssen wir die demokratischen Einflussmöglichkeiten in unseren Vereinen nutzen und sicherstellen, dass die Verantwortlichen die klare Erwartungshaltung ihrer Fans und Mitglieder kennen.
Wenn wir uns in einem halben Jahr erneut unterhalten, was hofft Ihr dann berichten zu können?
Hoffentlich wurden bis dahin
bereits viele grundlegende Reformen in der Mitgliederversammlung der
DFL beschlossen und auch eine deutlich gleichmäßigere Verteilung
der TV-Gelder im DFL Präsidium verabschiedet. Die Verantwortlichen
werden den Fußball aber nicht allein von heute auf morgen zum
Positiven verändern, dazu müssen wir alle die nächsten Wochen und
Monate immer wieder deutlich machen, wie hoch unsere
Erwartungshaltung ist
Vielen Dank für das Gespräch, Manuel.