Udo Scholz: Ein Leben für das Mikrofon
Er erfand den Schlachtruf „Zieht den Bayern die Lederhosen aus.“ Am 1.7.2020 hat Udo Scholz das Mikrofon für immer zur Seite gelegt. Wir erinnern an einen Helden in schwatzgelb.
Der Westfale Udo Scholz erblickte am 15.4.1939 als Sohn eines Lokführers in Brügge bei Lüdenscheid das Licht der Welt. Dort machte er auf dem Bahnhof als 14-jähriger erste Erfahrungen mit dem Mikrofon. Seine aktive Zeit als Fußballer bei Rot-Weiß Lüdenscheid musste er am Nattenberg allerdings verletzungsbedingt sehr früh beenden und schlüpfte in die Position des Stadionsprechers. In Dortmund war man schnell auf die markante Stimme aufmerksam geworden. So war es kein Wunder, dass Udo Scholz in der Saison 1962/1963 als Stadionsprecher von Borussia Dortmund in der Roten Erde begann. Neun Jahre lang bekleidete er diese Position mit Bravour, und es war für unseren BVB eine sehr erfolgreiche Zeit. Der Westfale erlebte hautnah bereits in seiner ersten Saison den Deutschen Meistertitel und hatte als „Stimme“ auch Anteil am Pokalsieg im Jahre 1965. Den Höhepunkt seiner Borussenkarriere erlebte er dann im Jahre 1965/66 mit dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger im Hampdon Park in Glasgow.
Nach neun Jahren verließ Udo Scholz dann die Borussen und wurde im Jahre 1973 zur „Stimme vom Betzenberg“. Es war eine nicht weniger erfolgreiche Zeit. 21 Jahre lang war er Stadionsprecher des 1.FC Kaiserslautern und erfand anlässlich eines Spieles gegen den FC Bayern München den Fangesang „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“ Die Melodie war mit dem Beatles-Song Yellow Submarine schnell gefunden. Der Schlachtruf gehört auch heute noch zum Repertoire eines jeden Nicht-Sympathisanten des Deutschen Rekordmeisters. Leider gelingt das Ausziehen der Lederhose, wie die Corona Saison 2019/20 gezeigt hat, immer seltener.
In seiner Zeit als Stadionsprecher auf dem „Betze“ erlebte der Wahlpfälzer sehr erfolgreiche Jahre mit dem 1.FCK, von denen der heutige Drittligist nur noch träumen kann. Er war Mitglied des Teams beim Pokalsieg gegen den SV Werder Bremen im Jahre 1990 und erlebte das Meisterschaftsspiel gegen den 1.FC Köln im Müngersdorfer Stadion im Jahre 1991 vor 40.000 mitgereisten Fans aus der Pfalz. Die einheimischen Fans konnten damals nur 15.000 Karten ergattern. Ich kann mich noch gut erinnern, denn bevor mein schwarzgelbes Herz zu schlagen begann, war ich Teil dieser Fans und hatte mir, damals in Köln lebend, über den kölschen Karnevals-Klüngel eine Karte besorgt. So konnte ich miterleben wie der Fast-Absteiger der Vorsaison mit einem 6:2 den UEFA-CUP-Aspiranten aus dem Stadion fegte. Obwohl das Spiel noch lief, stürmten mehrere Tausend Gästefans den Innenraum des Stadions und es drohte zeitweilig ein Abbruch des Spiels. Um den Schiedsrichter Harder zu unterstützen, schnappte sich Udo Scholz kurzerhand ein Mikrofon und versuchte die Fans zu beruhigen, es gelang schließlich den beiden. Die Sensation war perfekt.
Eine nette Episode noch am Rande. Ich war damals gerade aus Köln ins Sauerland umgezogen und hatte aus Heimatverbundenheit noch mein pfälzisches Kennzeichen DÜW (Bad Dürkheim an der Weinstraße) an meiner Passat Variant Diesel-Schnecke. Als ich am Autobahnkreuz Richtung Olpe abbiegen wollte, versuchten mir viele euphorische Fans aus der Pfalz unter Einsatz ihres Lebens klar zu machen, dass ich falsch fahren würde und mich in Richtung Koblenz einordnen sollte. Die Kommunikationen über die offenen Fenster scheiterten jedoch. Die Freude überwog, der Meistertitel war im Sack. 1.FCK was ist nur aus dir geworden?
Udo Scholz war auch der erste Sprecher der Liga, der auf dem Rasen stand, um die Mannschaftsaufstellung bekannt zu geben. Dabei nannte er nur den Vornamen und die Fans in der Westkurve vervollständigten den Spielernamen. Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor. Im Jahr 1994 wechselte er dann die Sportart und wurde zur Stimme der Adler Mannheim in der Eishockey Bundesliga, damals noch im Eisstadion am Friedrichspark, wo auch ich als Student oft auftauchte. Mit den Mannheimern erlebte er sieben Meisterschaften als Stadionsprecher und war häufig gerngesehener Gast bei Auswärtsspielen, zu denen er oft mit den Fans unterwegs war. In dieser Zeit war er auch Hallensprecher der SG Leutershausen in der 2. und 3. Handball-Liga.
Neben seiner Tätigkeit am Mikrofon hatte der Westfale aber auch ein großes soziales Herz. Früh setzte er sich für Hilfstransporte in arme Länder ein und war später treibende Kraft beim Verein „Adler helfen Menschen“. Deswegen verwundert es niemanden, dass das Maskottchen der Adler Mannheim seinen Namen trägt. Es war eben ein besonderer und liebenswerter Mensch, der sich immer für Benachteiligte in dieser Gesellschaft einsetzte. Im Jahre 2017 erschien seine Biografie „Ein Leben für das Mikrofon, der Stadionsprecher der Adler Mannheim erinnert sich“, im Gerhard Hess Verlag Bad Schussenried (Link zu Amazon).
Zu den Höhenpunkten seiner Laufbahn gehörten sicher auch die von ihm moderierten 50 A-Länderspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, unter anderem die „Wasserschlacht von Polen“ in Frankfurt am Main bei der Fußball WM von 1974.
Bis kurz vor seinem Tod betrieb der Wahlpfälzer die Weinstube Haardtblick in Friedelsheim nur wenige Kilometer von meinem Geburtsort Bad Dürkheim entfernt. Udo Scholz ist als Westfale zum Wahlpfälzer geworden. Mein Weg war eher der Umgekehrte. Aus dem Pfälzer ist ein leidenschaftlicher Borusse und ein Fan des Ruhrgebietes geworden.
Am
1. Juli 2020 ist Udo Scholz nach einem Herzstillstand im Alter von 81
Jahren in Ludwigshafen verstorben. Er hat das Mikrofon für immer aus
seiner Hand gelegt. Für uns Borussen ist er ein Teil einer sehr
erfolgreichen Zeit in der Roten Erde und damit einer unserer Helden
in schwatzgelb.
Bedanken
möchte ich mich recht herzlich bei den Pressesprechern des 1.FC
Kaiserslautern und der Adler Mannheim, die uns freundlicherweise die
Bilder unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben. Wir wünschen
beiden Vereinen in der aktuellen Situation alles Gute.