Warmlaufen

Verlieren heißt

04.03.2019, 10:14 Uhr von:  Michael
Verlieren heißt

Standardmäßig müsste hier ein Text stehen, der das Wunder beschwört. Der davon erzählt, wie es war gegen Málaga, gegen La Coruña, als das Westfalenstadion explodierte. Doch Wunder lassen sich nicht beschwören und viel wichtiger ist es, dass wir uns wieder auf alte Stärken besinnen.

Die Mannschaft hat eine begeisternde Hinrunde gespielt. Eine Hinrunde in der alles vorkam, was das Herz begehrt: Derbysieg, Spiel gegen die Bayern gedreht, Gala gegen Atlético, Achterbahn gegen Augsburg.

Und trotzdem ist die Stimmung im Westfalenstadion nur ein Schatten ihrer selbst.

Die Mannschaft kommt mit Siegen aus der Winterpause und gewinnt ein Heimspiel mit 5:1.

Und im Stadion pfeifen einige einen Spieler bei der Einwechslung aus, der seit 2005 die Knochen für den BVB hinhält.

Und dann stellt sich in diesen Wochen heraus, dass Hakimi und Zagadou nicht vom Olymp herabgestiegene Fußball-Halbgötter sind, sondern, wie viele weitere im Team, schlichtweg verdammt junge Fußballer, die auch mal Fehler machen.

Und im Forum fallen Begriffe wie „Vollidioten“ und „Hau ab und komm nie wieder.“

Und es stellt sich auch heraus, dass uns das Glück in der Hinrunde vielleicht ein kleines bisschen zu häufig hold war.

Und die Mannschaft wird als „Lutscher“ und „Kackhaufen“ bezeichnet.

Kopf hoch, Achraf.

Woher kommt diese Anspruchshaltung? Liegt es daran, dass wir in den letzten acht Jahren siebenmal die Champions League erreicht haben? Liegt es daran, dass Ende November einige überlegten, ob wir nur das Double oder direkt das Triple holen? Ist die Frustration über die Schwächephase so groß, dass einige dafür jeden Anstand über Bord schmeißen?

Zum Fußball gehören Niederlagen dazu. Niederlagen, die wehtun. Niederlagen, die unnötig sind. Niederlagen, die blöd sind. Niederlagen, die uns fassungslos machen.

Dies gilt selbst für die erfolgsverwöhnten Bayern, von Spöttern gerne bezeichnet, als Verein für Fans, die nicht verlieren können. Die CL-Niederlagen 1999 und 2012 gehören (neben 2005) zu den epischsten Niederlagen der CL-Final-Geschichte.

Und doch können auch Niederlagen zu Siegen werden. Die Mannschaft stark machen. Und vielleicht auch die eine oder andere Schwächephase beenden.

Zeitensprung

Der BVB unter Bert van Marwijk geht kurz vor Weihnachten 2005 personell am Stock. Mit 21 Punkten aus 16 Spielen lief die Saison eher mittelprächtig und ausgerechnet am 17. Spieltag war der Spitzenreiter aus München zu Gast. In der Startelf feierte ein gewisser Uwe Hünemeier sein Bundesligadebüt und auch die Bank war prominent besetzt: Gentenaar, Brzenska (34 Bundesligaspiele), Parensen (0 Bundesligaspiele), Caliskan (0 Bundesligaspiele), Steegmann (4 Bundesligaspiele), Gambino (32 Bundesligaspiele), Saka (5 Bundesligaspiele).
Alles andere als eine deutliche Niederlage wäre eine Überraschung.

Und der BVB?

Spielte die Bayern phasenweise an die Wand. Erarbeitete sich Chance um Chance. Und traf das Tor nicht. Die Bayern hingegen zeigten sich eiskalt und gewannen am Ende mit 2:1.

Anerkennung für eine großartige Leistung - 2005

Nach dem Spiel schlichen die Spieler Richtung Südtribüne. Wohl wissend, dass sie soeben die große Chance vertan hatten, die Hinrunde mit einem Sieg versöhnlich zu beenden. Ausgerechnet gegen die Bayern…es wäre das perfekte Vor-Weihnachts-Ausrufezeichen an die Fans gewesen: Seht her, wir können es noch! Stattdessen hatte man auch dieses Spiel völlig unnötig verloren. War nicht abgezockt genug gewesen.

Und die Südtribüne? Empfing die Verlierer mit frenetischem Applaus und Gesängen. Die Mannschaft wurde gefeiert. Hier stand eine Mannschaft vor der Tribüne, die an diesem Tag alles versucht hatte. Die bis zur letzten Minute gekämpft hatte. Für die es an diesem Tag schlicht nicht gereicht hatte.

Gewonnen - und doch verloren - und doch gewonnen - 2014

Ein weiteres Beispiel hat Nadja in ihrem Text schon gegeben: Dortmund gegen Madrid 2014. 0:3 im Hinspiel und nun ging es mit Manuel Friedrich, Olli Kirch und Milos Jojic ins Rückspiel. Weidenfellers gehaltener Elfmeter in der 17. Minute war der Ausgangspunkt für einen mitreißenden Dortmunder Fußballabend, in dem das 3:0 nicht fallen wollte. Selten bildeten Mannschaft und Fans im Misserfolg so dermaßen eine Einheit wie an diesem Abend. Und erneut blickten nach dem Spiel geschlagene Helden auf dem Platz ungläubig auf die Tribüne, die ihnen minutenlang Respekt zollte.

Es sind solche Momente, die uns als BVB ausmachen sollten. Mal ehrlich, bei einem Drama wie gegen Málaga total eskalieren, das kann jede Dreckskurve der Welt. Aber nach bitteren Niederlagen die Mannschaft aufbauen, der Mannschaft zeigen, dass kein Blatt Papier zwischen denen auf der Tribüne und denen auf dem Feld passt (nicht wahr, Reviersport?), das können nur die Wenigsten. Wenn wir es nicht schaffen, unsere Anspruchshaltung daran auszurichten, dass auf dem Rasen eine junge Mannschaft steht, die auch Fehler macht, dann wird diese Saison eine größere Enttäuschung, als ich es je hätte befürchten können.

Lasst uns zeigen, dass wir nicht an unserer Anspruchshaltung an die Mannschaft scheitern. Lasst es uns zeigen, was es heißt, zu Borussia Dortmund zu gehören. In guten, aber erst recht in schlechten Zeiten.

Und weil ich kein großer Poet bin, bediene ich mich an dieser Stelle einfach mal bei denen, die so etwas besser ausdrücken können als ich:

"Denn wenn verlieren heißt neben dir im Dreck zu stehen,
und wenn es heißt den ganzen Weg noch einmal mit dir zu gehen,
wenn verlieren heißt, mit dir zu fallen und wieder aufzustehen,
kann ich verlieren und mich wie ein Sieger fühlen."

Serum114 - Verlieren heißt

Lasst uns Dienstag gemeinsam auf und neben dem Platz alles geben. Lasst uns füreinander einstehen. Lasst uns Sieger sein, egal wie das Spiel ausgeht. Wir sind Dortmund.

Ihr für uns und wir für Euch!

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