Endlich wieder Außenseiter
Ich könnte jetzt hier irgendwelche Taktiküberlegungen anstellen, Personaldiskussionen führen oder den Kopf des Trainers fordern oder verteidigen. Hab ich keine Lust drauf. Also schwelge ich in schaurig-schönen Erinnerungen an einen grauen Novembersonntag.
Der 09.11.2014 war ein typischer Novembertag. Grau, regnerisch, nasskalt. Ein Tag, wo die Laune in dem Moment schlecht wird, wenn man den Fuß vor die Tür setzt. Und dann sollte dieser Tag auch noch in Stress ausarten. Um 14:30 Uhr stand das Spiel meiner damaligen Kreisliga B-Mannschaft an. Die Ausgangslage: beschissen. Mit 6 Punkten aus den ersten 12 Spielen zierten wir das Tabellenende. Die letzten 3 Spiele gingen alle verloren. Und nun war eine Mannschaft aus dem oberen Tabellendrittel zu Gast. Wenig Aussicht auf Besserung.
Und als wäre das nicht alles, spielte um 17:30 Uhr die glorreiche Borussia zuhause gegen die glorarme Borussia aus dem ostholländischen Pferdeland. Kurz durchgerechnet, 14:30 Uhr Anstoß, wenn alles glatt läuft 16:20 Uhr Ende. Duschen, Umziehen, 16:30 Uhr Losfahren, 50 km bis zum Tempel, 17:30 Uhr zum Anstoß im Stadion. Könnte passen, aber wird verdammt eng. Verletzung vortäuschen und vorzeitig auswechseln lassen war als einziger Torwart der Mannschaft keine Option.
Also alles in allem eine beschissene fußballerische Ausgangslage, verbunden mit einigem Stress. Apropos beschissene Ausgangslage: diese wurde von der Borussia mühelos getoppt. Ebenfalls Tabellenletzter (nach dem Bremer Sieg am Samstag), 5 Spiele in Folge verloren und der Gegner war ungeschlagen Tabellendritter. Schlimmer geht immer, Borussia.
Aber zurück in die Niederungen der Kreisliga: Die Zeiger der Uhr rückten auf 14:30 Uhr vor, beide Mannschaften standen bereit, der Schiedsrichter war da, der Ball war aufgepumpt...leider alles neben dem Platz. Auf dem Platz mühte sich eine weitere Reservemannschaft unseres Vereins redlich, und das noch 20 Minuten lang. Der Schiedsrichter des vorhergegangenen Spiels hatte sich verspätet und dementsprechend verzögerte sich auch unser Spiel. Meine Laune sank auf den absoluten Nullpunkt und blieb dort bewegungslos liegen.
Dann ging es um 14:50 Uhr endlich los. Machen wir es kurz: wir legten als Tabellenletzter ein traumhaftes Spiel hin, schossen 6 Tore...kassierten aber auch 6, das letzte davon 2 Minuten vor Schluss. Dass ich als Torwart bei 6 Gegentoren jetzt auch nicht meinen besten Tag erwischt hatte, bedarf wohl keiner Erwähnung. Vor dem Spiel wäre ein Punkt gut gewesen, jetzt war die Enttäuschung greifbar. Meine Laune rutschte vom absoluten Nullpunkt in Bereiche, die von der Physik nicht mehr messbar sind. Ich hetzte in die Kabine und trieb anschließend meinen bemitleidenswerten Clio auf der A2 in den roten Drehzahlbereich.
Noch im Auto hörte ich die ersten Szenen der Partie. Marco Reus vergab in der 2. Minute die erste Riesenchance und traf kurz darauf den Pfosten, während ich hektisch nach einem Parkplatz suchte. Gab keinen. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich zwei Hausbewohner, die soeben aus der Haustür traten. Kurz gefragt, ob ich die Einfahrt zuparken darf, die Frage „Bist du Dortmunder oder Gladbacher?“ richtig beantwortet und ab zum Stadion gehetzt.
Im Stadion angekommen, waren 20 Minuten gespielt. 20 Minuten, in denen der BVB Chance um Chance vergeben hatte. Bis zur Halbzeit ging es so weiter, Mkhitaryan machte das was er in dieser Saison am besten konnte: gute Aktionen mit falschen Entscheidungen krönen und auch alle anderen beteiligten sich am munteren Scheibenschießen ohne Erfolg.
So ging es zur Pause mit 13:0 Torschüssen und 0:0 Toren in die Kabine. Und ich wusste, was passieren würde. Der erste Torschuss Gladbacher wird ins Tor gehen, das Spiel wird kippen und die nächste Arbeitswoche wird zu einem Spießrutenlauf.
Und natürlich kam es so. In der 58. Minute nahm Christoph Kramer Maß, fragte noch einmal kurz beim Schiedsrichter nach „Ist das wirklich das Dortmunder Tor?“ und schoss den Ball per Bogenlampe aus 45 Metern ins Tor. Ins eigene.
Es folgte wohl einer der kuriosesten Torjubel, den das Westfalenstadion je gesehen hat. Eine Mischung aus Erleichterung, Ekstase, Ungläubigkeit und ein bisschen Schadenfreude entluden sich in einem formidablen „Döp Döp Döp“.
Der Rest des Spiels ist schnell erzählt. Obwohl ich fest mit dem Ausgleich 2 Minuten vor Schluss gerechnet hatte (es hätte einfach zu diesem Tag gepasst), traf keiner mehr, weder ins eigene noch ins fremde Tor, und der BVB konnte endlich wieder einen Dreier einfahren.
Nun geht es also wieder gegen Gladbach. Und wieder haben die Gäste tabellenmäßig die Nase vorne, diesmal kommen sie als Spitzenreiter ins Westfalenstadion. Auch wenn die Ausgangslage bei weitem nicht so prekär wie 2014 ist, sind die nächsten Wochen richtungsweisend für den BVB. Doch eins hat dieses Spiel 2014 gezeigt:
„Du findest immer einen Weg, du stehst immer wieder auf!“
Und wenn dieser Weg über den Fuß von Christoph Kramer führt, dann ist das auch egal.
In diesem Sinne: Auf gehts Dortmund, kämpfen und siegen!