Die Sau ist weg, der Haufen bleibt
Reinhard Grindels Rücktritt war überfällig, löst aber keins der Probleme des DFB. Diese liegen weitaus tiefer.
Zuletzt war es ein munteres Scheibenschießen. Jeden Tag kamen neue Verfehlungen und Anschuldigungen ans Licht. Am heutigen Dienstag dann der überfällige Schritt, Grindels Rücktritt. 3 Jahre hatte der ehemalige Bundestagsabgeordnete (CDU) durchgehalten. 3 Jahre, in denen das laufende PR-Desaster keine Gelegenheit zur Blamage ausließ. Egal ob Bestechungsvorwürfe, Erdogan-Affäre, Trainerdiskussionen, Klub-WM oder DW-Interviews, Grindel sprang zielsicher in jedes Fettnäpfchen. Dabei schaffte er es mit seiner Meinungsflexibilität die Beobachter in den Wahnsinn zu treiben. Er wechselte seine Ansichten schneller als der HSV die Trainer, solange er glaubte, dass es ihm nützen könnte. Als Dank gab es bei seinesgleichen einen Sitz im FIFA-Council und in der UEFA-Exekutive. Nicht-Fußballfunktionäre kamen hingegen aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.
Also ab sofort alles gut beim DFB? Von wegen. Reinhard Grindel war nicht die Ursache der Probleme, sondern nur ein Symptom. Das Problem war nicht, dass Grindel Präsident war, sondern dass er es überhaupt werden konnte.
Der Spiegel veröffentlichte 2016 ein Portrait des neuen DFB-Präsidenten. Das Portrait ist wenig schmeichelhaft, von einem Strategen, der zwischen „Jovialität und knallharter Ellenbogenmentalität“ pendelt und stets den eigenen Vorteil im Sinn hat, ist dort die Rede. Nach drei Amtsjahren können sich die Autoren in ihrer Sicht bestätigt sehen.
Der Zurückgetretene steht in einer langen Tradition alter gieriger Männer, die das Amt vornehmlich zur Profilierung und Profitmaximierung nutzten. Die Strukturen des DFB sind so verkrustet, dass ein Vizepräsident ungestraft folgendes sagen darf:
Allein dieses Zitat, zeigt, was schief läuft in einem Verband, dessen Ziel der Erhalt des Fußballs als Volkssport Nr. 1 sein soll. Dessen Ziel es sein muss, Millionen Kinder und Jugendlicher verschiedenster Herkunft für dieses faszinierende Spiel zu begeistern und der sich einen Präsidenten leistete, der sich in seiner Bundestagszeit häufig, freundlich ausgedrückt, integrationskritisch äußerte. Dessen Ziel es sein müsste, den Amateurfußball zu fördern und ein starkes Gegengewicht zur profitorientierten DFL zu sein und der stattdessen die schlechten Ideen der DFL für die unteren Ligen übernimmt. Der als mitgliederstärkster Sportverband der Welt eine starke Stimme gegen Korruption und Mauschelei in der Sportwelt sein sollte und sich stattdessen bei der WM-Vergabe 2006 in Widersprüche ohne Ende verstrickt.
Wer Grindels Nachfolger wird, ist derzeit unklar. Vize Koch? Gott bewahre. Der nächste alte Mann ohne Gespür für die Belange des Fußballs. Philipp Lahm? Die Floskel-Schleuder hätte zumindest die Springer-Presse hinter sich. Christoph Metzelder? Scheint derzeit eher am Sportdirektorposten bei einem anderen Sauhaufen interessiert.
Der weltgrößte Sportverband steht vor einem Scheideweg. Es ist an der Zeit, eine Frau an die Spitze zu berufen, die den Laden ausmistet. Die unvoreingenommen und unvorbelastet die Strukturen aufräumt und die die Interessen der Millionen Amateur-Fußballer in Deutschland vertritt. Die die verbindenden Elemente des Fußballs betont und fördert. Es könnte natürlich auch ein Mann sein. Bis jetzt haben die es aber stets versaut.