Das Unsagbare im Fußball
Nein, es war mit Sicherheit kein Glanzstück, was Norbert Dickel und Patrick Owomoyela bei der Kommentierung des Testspiels gegen Udinese Calcio abgeliefert haben. Kann man bei Owos Hitlerparodie noch darüber streiten, ob es sich dabei nur um einen unpassenden (und ziemlich unwitzigen) Spaß gehandelt hat, war die Bezeichnung „Ithaker“ für Kicker des Gegners von „Nobby“ unzweifelhaft inakzeptabel.
Aufgekommen ist dieses Thema in unserem Forum direkt nach Spielende und wurde von unserem Redaktionskollegen Sebastian auch direkt im Trainingslager angesprochen. Es war sofort bewusst, dass während des Spiels Dinge gesagt wurden, die niemals hätten gesagt werden dürfen.
Dass diese Kommentierung mit Verzögerung doch noch in den überregionalen Medien gelandet ist, steht sicherlich im Zusammenhang mit Tönnies‘ Rede vor der Paderborner Handwerkskammer, durch die das Thema rassistische Äußerungen von Funktionsträgern im Profifußball aktuell in den Fokus gerückt ist. Und es ist gut, dass sich „Externe“ dieses Themas annehmen, weil man intern sehr leicht in eine moralische Zwickmühle gerät und sich in Relativierungen und Vergleichen verrennen kann. So wird Norbert Dickel niemand, der ihn kennt, vorwerfen, ausländerfeindlich zu sein. Gleichzeitig ist der Vorwurf, einfach nur dumm gehandelt, beziehungsweise gesprochen zu haben, zu einfach und abschwächend. Erst richtig kompliziert wird es, wenn man einen Vergleich zu Tönnies' Rede über Afrikaner, die Kinder „produzieren“, weil sie abends nicht genug Strom haben, zieht.
Muss und sollte man auch nicht. Das Thema ist zu wichtig, um daraus Teil einer Derbyfolklore zu machen. Beide Vereine leisten sehr gute Arbeit im Bereich Antirassismus. Aber beide Vereine haben auch in ihrer Anhängerschaft Menschen mit einem rechten, oder rechtsextremen Weltbild. In Dortmund, als rechter „Hotspot“, ist die Anzahl vermutlich sogar wirklich größer, trotzdem existierten sie in beiden Fanszenen. Und beide Vereine haben aktuell ein Problem mit Vertretern, die Aussagen getätigt haben, die einfach nicht unwidersprochen stehen bleiben dürfen. Um dieses Problem kümmert sich beim FC Schalke 04 der Ehrenrat, bei Borussia Dortmund hat sich die Geschäftsführung der Sache angenommen. Ein „die haben aber auch…“ wäre schädlich und darf hier nicht zur Anwendung kommen.
Für Norbert Dickel ist die ganze Geschichte wahrscheinlich aktuell sehr unangenehm, grundsätzlich ist es aber gar nicht so verkehrt, dass im größeren Rahmen über das Sagbare und Unsagbare im Fußball gesprochen wird. Auf den Tribünen ist die Sprache schon immer derber gewesen und gerade bei traditionellen Rivalitäten werden leicht Wörter in den Mund genommen, für die man sich im Alltagsgebrauch schämen würde. Eins dieser Wörter ist eben „Ithaker“. Es ist nicht direkt rassistisch, aber dennoch eine beleidigende und abwertende Bezeichnung für Italiener. Auch wenn das Wort an sich schon älter ist, bekam es in den 60er und 70er im Rahmen des Zuzugs aus Italien als sogenannte „Gastarbeiter“ eine fremdenfeindliche Konnotation. „Ithaker“, das waren, genau so wie die „Spaghettis“ die Fremden, die Anderen. Die, die einem den Arbeitsplatz wegnahmen. Diese Bezeichnung ist genau so wenig ein Spaß wie Begriffe wie „Kümmel“ oder „Polacke“ für Mitmenschen aus der Türkei oder Polen.
Dabei spielt es auch keine Rolle, ob Norbert Dickel es in diesem Kontext so gemeint hat, oder nicht (hat er nicht). „Nobby“ vertritt einen der größten Fußballvereine Deutschlands nach Außen, er nimmt eine exponierte Stellung ein. Die Verwendung solcher Beschimpfungen, auch wenn sie als spaßiges Frotzeln gemeint sind, suggeriert der Öffentlichkeit, dass es in Ordnung ist, diese Schmähwörter zu verwenden. Ein fatales Bild. Gerade für den Fußball, bei dem es viele Jahre gedauert hat, fremdenfeindliche, rassistische, homophobe und sexistische Schmähungen zumindest in einem Großteil der Kurven zu ächten. Wie wichtig eine Richtigstellung ist, erschließt sich bereits aus dem Moderationsverlauf, indem explizit der Satz „Jaaaaa, Ithaker ist ja auch keine Beleidigung" gefallen ist. Auch wenn Dickel es in diesem Fall nicht als solche gemeint haben will, wird das Wort üblicherweise genau als solche gebraucht. Deshalb dürfen solche nur vermeidlich „harmlosen“ Schimpfwörter auch nicht durch die Hintertür des Lustigmachens wieder salonfähig werden.
Wenn am Ende diese Erkenntnis steht, ist schon einiges gewonnen.