Von verlorener Hoffnung und erreichten Zielen
Abpfiff, 90 Minuten rum, 2 Tore gegen einen Abstiegskandidaten von Platz 15 kassiert, nur ein Tor selbst erzielt. Klasse. Ziel erfüllt!
Moment. Welches Ziel eigentlich? Auf Augsburg folgen in der Tabelle Stuttgart (16 Punkte vor diesem Spieltag), Hannover (14) und Nürnberg (13). Während man in der Hinrunde mit einem 0:0 gegen Hannover erste Punkte liegen ließ, konnte man gegen die anderen 3 Gegner mal souverän (7:0 gegen katastrophale Nürnberger, 0:4 in Stuttgart), mal spektakulär (4:3 gegen Augsburg) gewinnen. Was einen speziell in Spielen wie zuhause gegen Augsburg auszeichnete, war, dass ein Rückstand keinen Genickbruch mehr bedeutete wie noch in der Vorsaison.
Egal wie viel (oder wenig ) Zeit noch auf der Uhr war, man glaubte daran, dieses Spiel noch drehen zu könnten. Ein weiteres Puzzlestück zum Glück: die Einwechselspieler. Ein Paco Alcacér lehrte bei seinen Einwechslungen den Gegnern das Fürchten. Aber nicht nur Paco, auch sämtliche weitere Spieler, die Favre von der Bank brachte, schienen sofort zu fruchten. In der Rückrunde ist davon nichts mehr zu sehen.
In der Rückrunde gewann man zunächst 5:1 gegen Hannover und die schwarzgelbe Vorfreude auf eine Meisterschaft stieg. Ein erkämpfter Punkt gegen starke Frankfurter tat dem noch keinen Abbruch. Doch spätestens als mit dem Ausscheiden im DFB Pokal die Krise – ja, so darf oder muss man es wohl nennen – Einzug hielt, fing das Bild der Übermannschaft der Hinrunde an zu bröckeln.
Eine verspielte 3:0-Führung zuhause gegen Hoffenheim und ein Offenbarungseid mit der 3:0-Klatsche in der Champions League gegen Tottenham später, zeigte sich gegen Nürnberg, dass es dermaßen an Kreativität gegen tiefstehende, kämpferische Gegner fehlt, dass man vermutlich noch mal 90 Minuten hätte oben drauf legen können, für die Borussia wäre kein Tor gefallen.
Dass die Mannschaft gestern kein gutes, aber im Vergleich zum Nürnberg-Spiel besseres Gesicht zeigte, lag wohl weniger an einer gestiegenen Kreativität oder vorhandenen Spielidee und viel mehr an den Räumen, die Augsburg dem BVB bot. So schienen einige Angriffsversuche nicht ganz so verzweifelt, wie noch gegen die Franken. Speziell die Zuckerflanken von Götze auf Bruun Larsen und Paco Alcacér in der Spitze dürfen hier als positive Beispiele zählen. Der BVB war wahrlich nicht chancenlos.
In der Hinrunde hätte man vielleicht noch das nötige Spielglück gehabt, doch wenn man diese Bälle liegen lässt und stattdessen den Gegner mit individuellen Fehlern quasi zu seinen Toren zwingt, geht man völlig verdient als Verlierer vom Platz. Ja, eine junge Mannschaft darf Fehler machen, aber eben nicht, wenn man Meister werden möchte. Und wenn Zagadou den Ball nicht ins Aus drischt und Hakimi seelenruhig Ji in die Füße spielt, ist die Verzweiflung bei jedem, der es mit dem BVB hält, förmlich greifbar.
Oftmals wirkt die Ruhe, mit der Zagadou verteidigt, überragend und zeigt das Potential des jungen Franzosen. Manchmal – gestern – wünschte man sich, er würde den Ball einfach auf die Tribüne pöhlen. Dass der BVB Hakimi gerne über die Leihe hinaus halten würde, wenn dies auch ein nahezu unmögliches Unterfangen ist, kommt auch nicht von Ungefähr. Speziell offensiv zeigte der Marokkaner schon oft sein Können, in der Defensive ist allerdings noch Luft nach oben.
Dass der BVB gestern ohne Punkte heimfuhr, lässt sich aber nicht auf die Schultern von einem 19- und einem 20-Jährigen reduzieren. Die gesamte Mannschaftsleistung war unzureichend, zumindest für die eigenen Ansprüche und die Erwartungshaltung, die man in der Hinrunde schürte. Selbst wenn man die erste Hälfte mit einem Tor Rückstand vom Platz geht, ist noch genug Zeit, um das Spiel zu seinen Gunsten zu entscheiden.
Aber man hatte nach Wiederanpfiff nicht das Gefühl, dass die Mannschaft mit der nötigen Galligkeit in das Spiel ging – wie es noch in der Hinrunde der Fall gewesen wäre. Erst 10 Minuten vor Schluss, nachdem Paco Alcacér den Anschlusstreffer erzielen konnte, drückte die Mannschaft nach Vorne – allerdings auch nicht mit der nötigen Präzision und Aggressivität, die zu einm oder gar drei Punkten gereicht hätte. Wenn man sich dann auch noch zu einer kleineren Rangelei an der Außenlinie hinreißen lässt und sich selbst die Zeit von der Uhr nimmt, unterstreicht dies eher noch die Unreife der Mannschaft.
Aber hey, Ziel erreicht! Der BVB stärkt konsequent nach dem Unentschieden gegen Nürnberg auch Augsburg als direkten Gegner von Schalke 04. Wer will schon Meister werden, wenn man auch den Reviernachbarn in Liga 2 schießen kann? Und am kommenden Samstag wartet der Tabellensechzehnte VfB Stuttgart. Da kann Schalke schon mal ins Schwitzen kommen...
Eine junge Mannschaft hat die Zeit verdient, sich zu entwickeln. Doch im schnelllebigen Fußball wird sie diese Zeit nicht bekommen. Hakimi, Sancho und Co. werden nicht ewig bei Borussia spielen, Pulisic – wenn auch in dieser Saison wenig hilfreich – ist im Sommer bereits weg. Und selbst wenn sie alle blieben, Bayern München wird im Sommer wieder aufrüsten und vermutlich auf Jahre hinweg wieder unschlagbar werden. Wenn du es diese Saison nicht machst, dann machst du es erstmal gar nicht. Wenn jetzt, wo man noch Erster ist, kein Hallo-Wach-Effekt folgt, und du zu den Stärken der Hinrunde zurückkehrst, dann heißt spätestens im Mai der neue und alte deutsche Meister FC Bayern München.
Ich hasse Fußball.
Und trotzdem: Nur der BVB.
Alles für Borussia und in den nächsten Spielen das Glück wieder erzwingen und die Mannschaft zum Sieg brüllen.