"Solche Fans habe ich in meiner Karriere noch nicht erlebt"
Nach dem 3:1 (0:0)-Arbeitssieg über den VfB Stuttgart war Mittelfeldmotor Axel Witsel voll des Lobes für die BVB-Fans.
Vor zuletzt 161 Tagen stand Borussia Dortmund nicht mehr an der Tabellenspitze der 1. Fußball Bundesliga. Nach dem 3:1 (0:0)-Heimsieg über den VfB Stuttgart ist der BVB, trotz drei eingesackter Punkte, auf den zweiten Platz in der Tabelle herabgerutscht. Der Gejagte wird wieder zum Jäger. Das scheint beim BVB aber niemanden zu stören. Im Gegenteil.
BVB-Kapitän Marco Reus brachte es nach dem Spiel kurz, aber mit ziemlicher Deutlichkeit auf den Punkt: "Das ist mir wurscht." Der 29-Jährige war nach dem Sieg über den Abstiegskandidaten aus Stuttgart trotz der verloren Tabellenführung sichtlich gut gelaunt, feierte mit seinen Mitspielern den Heimsieg zuvor ausgelassen vor der Südtribüne. Auch seine Mitspieler ließen es sich nicht nehmen, trotz des pünktlich zum Abpfiff einsetzenden Unwetters die volle Ehrenrunde durchs Westfalenstadion zu drehen.
An einen Wendepunkt oder gar eine Vorentscheidung im Meisterschaftskampf glaubt Reus aufgrund der verloren Tabellenführung an den Rekordmeister aus München nicht: "Entscheidend ist, wer am Ende Erster wird", bemüht er das Phrasenschwein. Er fährt fort: "Und da ist alles offen." Der FC Bayern ist nach seinem 6:0-Kantersieg über den VfL Wolfsburg nur aufgrund der besseren Tordifferenz (+2) an die Tabellenspitze geklettert.
In eine ähnliche Kerbe wie Marco Reus schlug auch BVB-Mittelfeldmotor Axel Witsel: "Heute sind alle glücklich." Nach zuletzt nur einem Sieg aus den letzten acht Spielen kann der Heimsieg gegen den VfB die dringend benötigte Trendwende sein, um den Karren umzustoßen, die negativen Ergebnisse und Erlebnisse aus den letzten Wochen aus den Beinen und Knochen - aber vor allem aus dem Kopf zu bekommen.
Großen Anteil daran haben für den Belgier auch die BVB-Fans: "Die Fans haben uns auch heute unheimlich viel Kraft gegeben. Vor allem haben sie uns auch nach dem Ausscheiden aus der Champions League großartig unterstützt. Solche Fans habe ich in meiner Karriere noch nicht erlebt", sagte Witsel nach dem Spiel gegenüber dem BVB selbst.
Dabei war während des Spiels längst nicht permanent gute Laune angesagt. Dem BVB drohte der nächste Rückschlag binnen weniger Tage. Nachdem Marco Reus die Hausherren in Führung brachte (62./Foulelfmeter), gab es vermutlich nicht nur bei den Fans, sondern auch bei der Mannschaft nach dem 1:1-Ausgleichstreffer durch Marc-Oliver Kempf (71.) ein Déjà-vu.
Viele Zuschauer fühlten sich an die letzten Wochen erinnert. Der BVB war zwar überlegen, aber bei weitem nicht überragend. Allerdings kehrte gegen die Schwaben das Spielglück auch mal wieder auf die Seite der Schwarz-Gelben zurück. Paco Alcácer (84.) und der eingewechselte Christian Pulisic (90.+2) sorgten spät doch noch für ein Happy End im Westfalenstadion.
Nach der Partie waren nicht nur die Spieler, sondern auch BVB-Trainer Lucien Favre spürbar erleichtert: "Der VfB hat einen gigantischen Bus geparkt", ordnete der Schweizer die Taktik der Gäste ein, "aber wir haben alles versucht und es peu á peu geschafft." Auch bei Aushilfs-Außenverteidiger Marius Wolf spürte man die Erleichterung in seinen Worten: "Es war ein Sieg des Willens. Wir wollten es unbedingt." Diesen Eindruck hatte man beim BVB in den vorangegangenen Bundesligaspielen nicht unbedingt immer. Umso besser, dass diesen Worten nun auch Taten folgen.
Die spielerische Leichtigkeit ist in Dortmund dennoch noch nicht zurückgekehrt. Spielte der BVB in der Hinrunde unbekümmert auf und die Gegner phasenweise an die Wand, ist in der Rückrunde viel mehr K(r)ampf dazugekommen. In der ersten Halbserie brillierten die Schwarz-Gelben mit einer eiskalten Chancenverwertung, die für den Favre-Fußball unerlässlich ist. Aber auch gegen den VfB mangelte es bei aller spielerischen Überlegenheit an der Durchschlagskraft und der Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor.
Für Kapitän Marco Reus war das Wichtigste, "dass wir an uns geglaubt haben." Aus solchen Spielen müsse die Mannschaft lernen, betonte der Angreifer. Und: "Wir haben für uns heute einen richtigen Schritt gemacht und viel Selbstvertrauen getankt." Selbstvertrauen, das der BVB nach den turbulenten Wochen zuletzt definitiv gebrauchen kann.
Auch Sebstian Kehl war die vorerst verlorene Tabellenführung nach dem Spiel nicht sonderlich wichtig. Der Leiter der Lizenzspielerabteilung war sogar fast gelassen: "Im Moment ist es egal, ob wir auf Platz eins oder zwei stehen. Wir haben es noch selbst in der Hand", sagte Kehl schon mit einem Blick in Richtung des Aufeinandertreffens zwischen dem BVB und dem FC Bayern am 6. April in München. Was Kehl vom Rest der Saison erwartet stellt er aber unmissverständlich klar: "Ich will den maximalen Erfolg.“