Spielbericht Profis

Quo vadis, BVB?

27.10.2019, 10:01 Uhr von:  Michael
Quo vadis, BVB?

Der BVB nimmt mit viel Glück einen Punkt aus dem Revierderby mit nach Hause. Doch der Verein muss sich dringender denn je der Sinnfrage stellen.

Als Schiedsrichter Brych das Spiel abpfiff, war es seltsam still im Stadion. So richtig schien keiner das Ergebnis einordnen zu können. Die Blauen trauerten ihren zahlreich vergebenen Chancen bis zu 70. Minute nach, auf Dortmunder Seite zeigte man sich schlichtweg ratlos angesichts dieser Leistung. Und während die Blauen in den letzten Minuten durchaus nochmal um den Punkt zittern mussten, wirkte es aus Dortmunder Sicht vermessen, hier tatsächlich der Siegchance hinterher zu trauern. Zuviel war in den 90 Minuten vorher im Argen geblieben.

Lukasz Piszczek stand wieder in der Startelf

Viel war im Vorfeld diskutiert worden, nach dem uninspirierten Auftritt unter der Woche in Mailand. Eine Reaktion der Mannschaft war so nötig, wie unerwartbar, zogen sich die scheinbar blutleeren Auftritte doch durch die letzten Wochen. Zumindest personell tat sich einiges.

Lucien Favre veränderte die Mannschaft auf 5 Positionen im Vergleich zum Interspiel. Hitz übernahm für den erkrankten Bürki, Piszczek, Guerreiro, Götze und Reus starteten für Akanji, Schulz, Hazard und Brandt.

Und dem BVB gehörte die erste Chance der Partie. Hakimi spielte Sancho frei und der scheiterte aus 16 Metern an Nübel. Und damit war es das auch mit schwarzgelben Offensivaktionen. Was der BVB in den folgenden Minuten der ersten Halbzeit auf den Platz brachte, war ein Offenbarungseid.

Die Schalker liefen wie erwartet hoch an und stellten die Dortmunder damit vor schier unlösbare Probleme. Immer wieder verloren die Dortmunder den Ball in der eigenen Hälfte und brachten die Schalker in aussichtsreiche Angriffssituationen. Einzig die umständlichen Schalker Angriffsbemühungen und mächtig Aluglück verhinderten hier den Rückstand. Zunächst traf Sané in der 28. Minute nach einer Ecke per Kopf die Unterkante der Latte, ehe nur 6 Minuten später Serdar den Innenpfosten traf. Wiederum eine Minute später stand Matondo im Strafraum völlig frei, entschied sich jedoch für die Ablage, die Reus ablaufen konnte. Der BVB schwamm und schaffte es über Minuten nicht, sich zu befreien.

Marco Reus gegen Torwart Alexander Nübel

Wenn es dann doch einmal gelang, das Schalker Pressing zu umspielen, erstickten unerklärliche Abspielfehler jegliche Offensivaktion im Keim. Die Bälle kamen zu hart, zu lasch, zu weit, zu kurz, aber leider nur selten wirklich an. Und das schlimmste an der ganzen Sache? In vielen Situationen konnte man erkennen, dass da technisch gute Spieler auf dem Platz stehen. Aber wenn nach 4 guten Pässen hinten raus der 5. im Seitenaus landet, dann bringt das leider nichts nach vorne.

Gegen Ende der ersten Halbzeit durfte dann auch Hitz noch einmal sein Können beweisen, als Matondo frei auf ihn zulief, aber am Schlussmann scheiterte. Zwar ging anschließend die Fahne hoch, allerdings wäre diese Entscheidung wohl vom VAR kassiert worden. So ging es mit einem 0:0 in die Halbzeit und der leisen Hoffnung, dass es in der zweiten Halbzeit doch gar nicht schlimmer werden kann.

Der BVB hatte Anstoß in der zweiten Halbzeit. Und es dauerte handgestoppte 15 Sekunden, bis zum ersten Ballverlust in der eigenen Hälfte. Das Spiel ging unverändert zur ersten Halbzeit weiter, immerhin inklusive Schalker Chancenwucher. Guerreiro klärte Burgstallers Kopfball vor der Linie und Matondo verlor erneut seine Privatduelle gegen Hitz, Abseitsfalle und Nervenkostüm.

In der 60. Minute stellten die Schwarzgelben das Glück dann auf die ganz große Probe. Nach einem Eckball sprang dem eben eingewechselten Hazard der Ball deutlich an die Hand. Burgstaller konnte direkt seiner Lieblingsbeschäftigung (neben schlecht Fußballspielen) nachgehen und den Schiri anranzen. Doch Felix Brych entschied auf weiterspielen und auch der VAR hatte keinen Bock. Ein Handelfmeter wäre in dieser Szene sicherlich im Bereich des Möglichen gewesen. Ob der VAR nicht eingriff, weil Delaney vorher eventuell gefoult wurde oder aus seiner Sicht hier kein strafbares Handspiel vorlag, wurde natürlich, wie immer, ganz transparent nicht erklärt.

Mario Götze musste in der zweiten Halbzeit verletzt raus

Ab diesem Zeitpunkt mussten die Schalker ihrem hohen Pressing langsam Tribut zollen und der BVB konnte das Spiel langsam an sich ziehen. Doch die Ungenauigkeiten im Offensivpassspiel blieben und so gab es nur selten Gefahr vor dem Tor von Nübel. Es ist eine weitere Ironie des Derbys, dass ein bisschen mehr Genauigkeit in den letzten 20 Minuten, dieses Spiel komplett auf den Kopf hätte stellen können.

Und abseits des Platzes?

Zum ersten Mal seit 2013 war die aktive Szene des BVB wieder im Stadion und nutzte dies für eine Pyroaktion, die zu einer kurzen Verzögerung des Spielstarts führt. Wie immer gilt, Sinn und Unsinn mag jeder für sich selbst ausmachen.

Auf Nordkurvenseite hatte man diesmal ein paar Fahnen verteilt, was vor dem Spiel für ein nicht unansehnliches Bild sorgte.

Endlich wieder volle Kapelle im Gästeblock

Kurz nach Spielbeginn nutzten beide Fanlager die Zeit und präsentierten einiges an geklautem Fanmaterial. Auch hier war zu beobachten, dass vor allem auf Schalker Seite einiges an Material von normalen Fanclubs zu finden war, die wahrscheinlich eher weniger an den typischen Szenespielchen interessiert waren. Was das ganze für ein Mehrwert hat, wissen wohl nur die Beteiligten.

Die Stimmung war auf beiden Seiten nicht überragend, allerdings merkte man dem Gästeblock die Rückkehr der aktiven Szene deutlich an. Nach den häufig trostlosen Auftritten der letzten Jahre, konnte man den Blauen heute auf den Rängen deutlich mehr Paroli bieten, als auf dem Platz.

Fazit

Die null muss stehen: Rabbi Matondo

Vier Punkte aus den Spielen gegen Gladbach und Schalke sind so schlecht nicht. Und trotzdem muss sich Borussia Dortmund dringend der Sinnfrage unterziehen. Eine Mannschaft, der das spielerische Talent aus allen Löchern sprießt, darf nicht so uninspiriert über den Platz traben. Ob es alleine an den taktischen Vorgaben des Trainerteams liegt, möchte ich nicht beurteilen. Ebenso wenig, ob ein Trainerwechsel (zu wem eigentlich?) wirklich alles besser machen würde. (Im Stadion waren übrigens Otto Rehhagel und Peter Neururer.) Fakt ist, dass die Mannschaft derzeit massiv verunsichert wirkt. Die Verantwortlichen müssen dringend die Gründe dieser Verunsicherung ausmachen und abstellen. Bislang spielt die Saison dem BVB in die Karten, ist doch noch kein Verein so wirklich souverän unterwegs. Gleichzeitig steht man aber auch nur 2 Punkte vor Platz 10 und die nächsten beiden Gegner in der Liga heißen Wolfsburg und München. Zudem ist man im Pokal am Mittwoch in Gladbach gefordert und auch das Rückspiel gegen Inter könnte schon eine Vorentscheidung für die angestrebte Qualifikation fürs CL-Achtelfinale bringen. Eine Situation, die sehr an den November 2017 erinnert, als Peter Bosz schlussendlich gehen musste und Peter Stöger die Saison ins Ziel rumpelte.

Der BVB steht vor entscheidenden Wochen. Im schlimmsten Fall könnten die Saisonziele Ende November schon in weite Ferne gerückt sein und es droht eine weitere Chaossaison. Dass es nicht wieder so weit kommt, liegt in erster Linie an den Verantwortlichen auf und neben dem Platz. Hoffen wir, dass sie das Richtige tun.

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