Ich Brych zusammen
In den bisherigen Pokalrunden geriet der BVB mehrmals ins Wanken und kassierte dabei auch das ein oder andere blaue Auge. Gegen aufopferungsvoll kämpfende Bremer folgte vor 81.350 Zuschauern nun der 7:5-Knock-Out nach Elfmeterschießen.
Langsam schlichen die Spieler von Borussia Dortmund aus dem Mittelkreis in Richtung Südtribüne. Teils lagen sich die Akteure dabei in den Armen, teils gingen sie starr und mit leeren Blicken auf die größte Stehplatztribüne Europas zu.
Der Gang zu den eigenen Fans ist Routine, an diesem Abend aber irgendwie auch nicht. Das Spiel zuvor hatte Kraft gekostet. Nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch.
Wenige Augenblicke zuvor musste der BVB sich aus dem diesjährigen DFB-Pokal-Wettbewerb verabschieden, obwohl die Weichen bereits zweimal auf Viertelfinal-Kurs gestellt wurden. Dabei drohten die Dortmunder direkt zu Beginn zu entgleisen, als Milot Rashica früh im Spiel das erste Tor für die Gäste erzielte (5.).
Der BVB aber ließ sich zunächst nicht von seiner Route in Richtung Berlin abbringen. Kurz vor der Pause brachte Marco Reus die BVB-Lore per Freistoß wieder auf Kurs (45.+3). Nach 45 weiteren torlosen Minuten nahmen Werder und der BVB den Umweg über die Verlängerung.
Die Achterbahnfahrt beginnt
Und dort nahm das Spiel noch mehr an Fahrt auf. Christian Pulisic brachte den BVB auf die vermeintliche Siegerstraße, als er spät im ersten Durchgang das 2:1 erzielte (105.). Nach dem erneuten Seitenwechsel ließ dann aber SVW-Oldie Claudio Pizarro die 8.000 mitgereisten Werder Fans jubeln (108.).
Als Achraf Hakimi dann fünf Zeigerumdrehungen später den Bundesliga-Spitzenreiter erneut in Führung brachte (113.) schien der BVB schon wie der sichere Sieger. Zu diesem Zeitpunkt waren die Dortmunder nicht nur sportlich in Führung gegangen, sondern hatten die Bremer auch mental gebrochen. Aber nur für einen Wimpernschlag.
Dann holten die Bremer die Brechstange heraus. SVW-Keeper Jiri Pavlenka hielt es genau so wenig auf seinem eigentlichen Platz wie die Fans im Stadion. Der Tscheche war schon drei Minuten vor Ablauf der Spielzeit im gegnerischen Strafraum zu finden, als die Bremer diesen mit Ecken und Flanken unter Beschuss nahmen. Eine davon fand in Martin Harnik ihr Ziel (119.), als der Österreicher die Partie erneut ausglich. Die Achterbahnfahrt ging weiter.
In den beiden vorherigen Runden des Wettbewerbs waren es beide Male die Dortmunder, die spät zum Lucky Punch ansetzten - und trafen. In der ersten Runde beim Zweitligisten Greuther Fürth rettete Axel Witsel die Mannschaft mit dem letzten Atemzug in die Verlängerung (90.+5), ehe Marco Reus dem Underdog wenige Sekunden vor Schluss den K.O.-Schlag versetzte (120.). Der BVB war ein taumelnder Boxer, ging aber nicht zu Boden. Der Fußballgott trug an diesem Tag das schwarz-gelbe Trikot. Sofern es ihn denn gibt.
Auch gegen Union Berlin Last-Minute gebucht
Danach folgte mit Union Berlin ein weiterer Zweitligist, der den Borussen alles abverlangte. Zweimal ging der BVB in der regulären Spielzeit in Führung, zweimal kamen die Eisernen zum Ausgleich. Der BVB musste seine eigene Medizin schlucken, als Sebastian Polter den Zweitligisten spät in die Verlängerung rettete (88.).
Erneut kamen die Schwarz-Gelben im Pokal ins Wanken, aber wieder nicht zu Fall. Last-Minute-Reus schickte den Gegner abermals spät auf die Bretter (120.). Wenn der BVB gegen Fürth mit einem blauen Auge aus dem Pokal-Fight davon gekommen ist, dann kassierten die Borussen gegen den Hauptstadt-Klub mindestens gleich zwei davon.
Gegen den Sport-Verein aus Bremen ging der BVB dann erstmals auf die Bretter. Nach dem späten Ausgleichstor durch Martin Harnik zählte Schiedsrichter Dr. Felix Brych (München) die Borussen nach 120 Minuten erstmals an.
Paco Alcacer und Maximilian Philipp vergaben die ersten beiden BVB-Elfmeter, während die Gäste sich keinen Fehlschuss erlaubten. Nachdem Julian Weigl für die Hausherren nochmal verkürzte, schickten die Bremer Max Kruse in den Ring. Der täuschte einmal an, stoppte kurz, holte mit rechts aus - und traf ins schwarz-gelbe Herz. Dieses Mal gab es nicht nur das blaue Auge, sondern den bitteren Knock-Out.
Nach so einem Spiel als Verlierer vom Platz zu gehen, das ist bitter. So bitter, wie es die beiden Male davor für die Gegenseite gewesen sein muss. Und auch so bitter, wie es nach diesem Pokal-Krimi für die Bremer gewesen wäre.
Beide Mannschaften haben den Fans einen emotionalen Ritt geboten, aber am Ende konnte sich nur Werder Bremen auf dem Bullen halten. Als Verlierer nach so einem Spiel liegst du erstmal auf dem Boden, aber dafür gibt es keinen Grund. Nach so einer Niederlage darf die Mannschaft nicht lange mit sich hadern. Eine Niederlage gegen Werder Bremen, gerade im Elfmeterschießen - das kann passieren.
Die Niederlage heißt nicht, dass wir nicht mehr Spitzenreiter sind
Auf dem Weg vom Stadion zum Zug und vom Zug in Richtung Heimat habe ich viele Fans gehört, für die diese Niederlage im DFB-Pokal auch eine richtungsweisende für die Meisterschaft sein könnte. Allerdings heißt diese Niederlage nur, dass der BVB aus dem Pokalwettbewerb ausgeschieden ist. Für den Alltag in der Liga und den Meisterschaftskampf mit Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern heißt das erstmal gar nichts.
In vielen Spielen diese Saison, gerade auch in den Pokalspielen zuvor, hatte der BVB auch mal das Glück auf seiner Seite. Dieses Mal eben das Pech. So ist das im Fußball. Dafür lieben wir ihn. An so Abenden hassen wir ihn dafür umso mehr.
So spielte Borussia Dortmund: Oelschlägel - Diallo - Weigl - Toprak - Hakimi - Delaney (103. Dahoud) - Witsel - Guerreiro (91. Bruun-Larsen) - Reus (46. Alcacer) - Pulisic - Götze (91. Philipp)
So spielte Werder Bremen: Pavlenka - Langkamp, Sahin (76. Möhwald), Moisander - Gebre Selassie (114. J. Eggestein, Bargfrede (91. Pizarro), Augustinsson - M. Eggestein, Klaassen - M. Kruse, Rashica (66. Harnik)
Elfmeterschießen zum nachlesen:
0:0 Paco Alcacer (nicht verwandelt)
0:1 Pizarro (verwandelt)
0:1 Philipp (nicht verwandelt)
0:2 M. Eggestein (verwandelt)
1:2 Witsel (verwandelt)
1:3 Klaassen (verwandelt)
2:3 Weigl (verwandelt)
2:4 M. Kruse (verwandelt)