Brisant positive Standortbestimmung
Ein Titel ist besser als kein Titel. Der Supercup mit zweifelhafter sportlicher Wertigkeit geht in diesem Jahr nach Dortmund und liefert für das schwarzgelbe Kollektiv eine Standortbestimmung mit positivem Beigeschmack.
Ohne Hummels, Hazard, Brandt und Morey stand mit Schulz nur ein Neuzugang in der schwarzgelben Startelf. Im Endspiel um den mit großer Wahrscheinlichkeit wichtigsten Wettbewerb Deutschlands entwickelte sich von Anfang an ein rasantes und interessantes Spiel, bei dem der BVB in der Anfangsphase durch drei dicke Chancen früh in Führung hätte gehen müssen. Guerreiro und Reus drückten aufs Gas, Weigl überzeugte auf der 6er-Position in Kombination mit Witsel. Die Bayern brachten ihre momentan wohl beste Elf (ohne Martinez, Hernandez und Gnabry) auf den Platz, wirkten phasenweise aber fahrig, schlampig in Passspiel und Spielaufbau, stellenweise nicht gedankenschnell genug.
Folglich erinnerte vor allem Sancho immer wieder an seine überragenden individuellen Fähigkeiten, wie auch bei der Entstehung des Führungstreffers durch Paco. Vier Gegenspieler waren zu wenig um den Youngster daran zu hindern den entscheidenden Pass zum Spanier anzubringen, der im Anschluss technisch hochwertig und für Neuer unhaltbar ins rechte untere Eck einnetzte. Nach quälenden Wochen voller Westfalenstadion-Entzug war der erneut explodierende Tempeljubel wie eine Sofortheilkur und Balsam für die fußballarme schwarzgelbe Sommerseele. Da war es wieder, dieses eine unbeschreibliche Gefühl. Als hätte es die Sommerpause nie gegeben.
Sancho war es schlussendlich auch überlassen nach einer starken Vorarbeit von Guerreiro eiskalt vor Neuer den zweiten Treffer zu markieren und erneut zu unterstreichen, dass der Engländer seiner überragenden Vorsaison in diesem Jahr nochmal mit Leichtigkeit eins draufsetzen könnte. Auf der anderen Seite drückten die Bayern besonders kurz vor und kurz nach der Halbzeit, Bürki-Ersatz Marwin Hitz erwischte aber einen bärenstarken Abend und parierte mehrmals auf überragende Art und Weise.
Positive Erkenntnisse:
Mit einem Raphael Guerreiro in dieser Form und Verfassung muss unter allen Umständen verlängert werden – und zwar so schnell wie möglich. Ein absoluter Unterschiedsspieler mit außerordentlicher Technik, Übersicht und Spielwitz. Auf diesem Niveau mit Sicherheit ein Stammplatzkandidat für die erste XI.
Ömer Toprak bestätigte die ihm bescheinigten starken Leistungen in der abgelaufenen Saisonvorbereitung. In Vertretung für Mats Hummels Stabilisator und Anker in der Viererkette, fehlerlos und selbstbewusst. In dieser Form mehr als nur ein äußerst wertvoller Backup auf der Innenverteidiger-Position – der sich ohne Murren hinten anstellt, immer da ist wenn gebraucht und Leistung bringt.
Folglich sinkt auch die Notwendigkeit für Julian Weigls Ausflüge auf die Position des Innenverteidigers, zeigte der 6er eindrucksvoll, dass er im Mittelfeldtandem mit Witsel mehr als funktionsfähig ist. Damit hat der BVB auch auf dieser Position einen gesunden Konkurrenzkampf, der für die Wettbewerbsfähigkeit nur von Vorteil sein kann.
Jadon Sancho knüpfte nahtlos dort an, wo er in der letzten Spielzeit aufgehört hatte. Der 19-jährige katapultierte sich letztes Jahr mit überragenden Leistungen in den Bundesliga-Himmel – die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Borussen dem Engländer noch genau 17 BL-Heimspiele lang zuschauen werden dürfen.
Negative Erkenntnisse:
Wozu noch VAR, wenn alles beim Alten bleibt? Kimmichs glasklare Tätlichkeit gegen Sancho hätte zwingend mit Rot geahndet werden müssen. Für die anschließenden lautstarken Beschwerden des Münchner Abwehrspielers und die Unfähigkeit des Schiedsrichterteams um Daniel Siebert bleibt nicht viel mehr als großes Unverständnis und Kopfschütteln übrig.
BVB: Hitz – Piszczek (80. Wolf), Akanji, Toprak, Schulz – Weigl, Witsel – Sancho (81. Bruun Larsen), Reus, Guerreiro (74. Hakimi) – Alcácer
Stimmen zum Spiel:
Marco Reus:
„Wenn es bis zum Ende der Saison so weitergeht, unterschreibe ich das. Es war ein guter Auftakt heute, natürlich ist das Spiel kein richtiger Maßstab für die Saison. Das war trotzdem ein sehenswertes Spiel, wir waren heute effektiver und haben auch zu recht gewonnen. Heute haben auch noch viele Jungs gefehlt. Wir wollen diesen Konkurrenzkampf auf dem hohen Niveau. Für diese Saison haben wir ein großes Ziel, das geht nur gemeinsam. Jeder von uns muss aber auch noch viel lernen, vor allem defensiv. Das müssen wir in den nächsten Wochen anders machen, aber das bekommen wir sicher hin. Wir müssen im Kollektiv arbeiten, die Qualität ist da, wir müssen es nur jedes Mal auf den Platz bringen. Jetzt steht das Pokalspiel an, ich freue mich, dass es jetzt wieder richtig los geht.“