Vom Borsigplatz zum Fujiyama
Die diesjährige Gedenkstättenfahrt des BVB nach Auschwitz-Birkenau war von vielen emotionalen Momenten geprägt. Das gemeinsame Beisammensein am Abend diente dazu, das Erlebte zu verarbeiten. Im Rahmen dieser Gesprächsrunden lernte ich einen ganz besonderen BVB-Fan kennen.
Vom 27.07. bis zum 02.08.2019 fand die Studienreise des BVB zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau statt. Über diese Studienreise werden wir demnächst noch ausführlich berichten. Nach Workshops und intensiven Tagesprogrammen mit diversen Besichtigungen galten die Abende dem Kennenlernen, aber auch dem Gedankenaustausch über das Gesehene und Erlebte. Es galt aber auch abzuschalten und den Gedanken freien Lauf zu lassen, was, ich muss gestehen, nicht immer einfach war. Insbesondere wurde von den Teamern schon am ersten Abend betont, dass wir nicht vergessen sollten, zum Tagesausklang auch ein bisschen Spaß zu haben, natürlich unter Würdigung des geschichtsträchtigen Standortes.
Bereits am zweiten Abend machte ein Name die Runde und die Information "Bruno ist dabei" und "Bruno hat ein Buch geschrieben". Das machte uns alle neugierig. Einige kannten Bruno schon. Sie hatten entweder sein Buch gelesen oder früher schon einmal Verknüpfungspunkte mit ihm gehabt. Für mich war es der Anlass, an das Buch und den Autoren zu erinnern. Ein Buch mit dem schillernden Titel „Vom Borsigplatz zum Fujiyama“ und dem Untertitel „Mein Leben mit dem BVB“.
Bruno Reckers ist im gleichen Jahr zur Welt gekommen wie Felix Magath und Christoph Daum, musikalisch begleitet von Mike Oldfield und Pat Benatar. Im Rahmen eines Telefonates, das ich einen Tag nach der UEFA-Champions-League-Gruppenauslosung mit ihm führte, teilte mir Bruno mit, dass er in Beckum das Licht der Fußballwelt erblickte und schließlich in Bergkamen-Rünthe aufwuchs. Neben 10% Unentschlossenen hätten sich die restlichen Fußballfans seiner Umgebung jeweils zur Hälfte unseren Schwarzgelben und der Mannschaft aus Herne West angeschlossen. Mit 10 Jahren packte ihn das Borussenfieber. Er erlebte in einer Kneipe, wo er das erste Mal zumindest visuellen Kontakt mit einem Zapfhahn hatte, das letzte Oberligafinale um die deutsche Meisterschaft zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FC Köln, das unsere Schwarzgelben mit 3:1 in Stuttgart gewannen und damit den insgesamt dritten Titel für den BVB einfuhren. Danach nahm das „Borussenfieber“ seinen Lauf.
Am 20.11.1965 betrat er erstmalig das Stadion Rote Erde und erlebte in der Nordkurve das Unentschieden gegen die Meidericher aus Duisburg. Die weiteren Etappen, auch die schöne wilde Zeit, sind in seinem Buch ausführlich beschrieben. Der schwarz-gelbe Schal und die große Fahne waren von nun an seine ständigen Begleiteter zu immer mehr Heim- und Auswärtsspielen. Im Abstiegsjahr 1971/1972 flog er zum ersten Mal als Fan zur Hertha nach Berlin und nebenbei schloss er seine Lehre zum Konditor ab. Die Bundeswehrzeit kam ihm gelegen, um die Spiele in der 2. Liga zu verfolgen. Im Jahre 1974/1975 entstand der 1. offizielle Fanclub des BVB und mit Bruno als Gründer der Ableger „Stammtisch Werne“. Seit dieser Zeit ist er auch BVB-Mitglied und besitzt seit 1976 eine Dauerkarte auf der Südtribüne in Block 14, einen Wimpernschlag von meinem Stehplatz entfernt. Diese Dauerkarte hat er bis zum heutigen Tage, obwohl er im Jahre 1978 nach Osnabrück gezogen ist.
Viele Episoden in seinem Buch bringen einen zum Schmunzeln. Wir erfahren etwas von seinem Klammerfreund Hotte, von Harry in Leeds und den „Zugeschraubten“ auf dem Weg nach Mostar. Es war die Gründungsstunde des gleichnamigen Fanclubs, dem er jahrelang angehörte. Heute gibt es diesen Fanclub nur noch auf dem Papier, teilte er mir mit.
Meine erste große Liebe war Borussia, schließlich war sie schon da, als ich Marica traf.
Im Jahr der Relegation gegen Fortuna Köln 1985/1986 mit dem 8:0 im Entscheidungsspiel in Düsseldorf veränderte sich auch im Privatleben von Bruno Entscheidendes. In seiner damaligen Firma lernt er Marica aus Kroatien kennen. Es ist wie er bemerkte seine zweite Liebe. Er wird zwar etwas solider, aber weiterhin besucht er die Spiele des BVB, schließlich war seine erste Liebe Borussia vor Marica da und dieser ersten Liebe bleibt er ebenfalls treu. Doch es beginnen glücklichere Zeiten auch für die mitunter überstrapazierte Leber. Mit Marica hat er übrigens inzwischen silberne Hochzeit gefeiert. Natürlich habe ich ihm die Frage gestellt, ob sie ihn oft zu den Spielen begleiten würde. Die Antwort mit 2-3-mal im Jahr kam etwas zögerlich. Er sagt, sie würde lieber sitzen und bei der Auswahl der Spiele wäre sie auch sehr wählerisch, außerdem müsste das Wetter stimmen. Ich glaube, man hat insgesamt einen guten Kompromiss gefunden. Die 25 Jahre Ehe sprechen schließlich für sich.
Das Borussenfieber schlummert immer noch in Bruno und er sieht nahezu jedes Spiel. Neben seiner Dauerkarte in Block 14 besitzt er ebenfalls eine Auswärts-Dauerkarte. Als ich einen Tag nach der CL-Auslosung am 29.08.2019 mit ihm telefonierte, hatte er bereits die Zugfahrt nach Prag und die Flüge nach Mailand und Barcelona gebucht und die Unterkünfte klar gemacht. Es ist wie man sieht eine Sache der Einstellung, des Einsatzes und der Leidenschaft, die sich hoffentlich bald auch wieder auf unsere Jungs im Profikader des BVB überträgt.
In seinem Buch „Vom Borsigplatz zum Fujiyama“ erleben wir diese durchgehende Leidenschaft für unseren BVB in guten aber auch in schlechten Zeiten. Ganz nebenbei erfahren wir etwas über Spiegeleier mit Speck in Craiova, über Taxifahren und fliegen in Istanbul, über Krieg in Wladikawkas und über Freunde des Fußballs. Sein Buch widmet er all seinen verrückten Freunden, die ihn begleitet und mit ihm gefeiert haben. Den Freunden, die mit ihm gezittert und geflucht, aber auch gelacht und gesungen haben. Weggefährten in den Stadien der Bundesliga, in den Arenen Europas und sogar am Fuji in Tokio.
In sein Buch schrieb er mir eine Widmung: „ zur Erinnerung an eine intensive aber auch schöne Woche mit euch, schwarzgelbe Grüße Bruno“.
Ich möchte mich auf diesem Wege bei Bruno bedanken für die nachdenklichen aber auch erheiternden Gespräche, die ich mit ihm auch im Rahmen der Gedenkstättenfahrt führen durfte und in denen er mir immer mit seiner typischen Offenheit entgegengetreten ist. Dies führte zum Teilen von Emotionen und auch zur gemeinsamen Verarbeitung der Erlebnisse in der Gruppe. Auch wenn keine Dauerkarte unendlich ist, wünsche ich ihm noch viele Jahre mit der wohl schönsten Krankheit der Welt, „dem Borussenfieber“. Sein Buch kann beim Verlag Neue Buchschmiede und beim Buchhandel bestellt werden. Es ist jedem Borussen-Fan zu empfehlen und wird sicher dem einen oder anderen den Spiegel vor das Gesicht halten. 180 Seiten im Taschenbuchformat lesenswert und erheiternd.