Zukunftsvision BVB: Kaderumbau
Es ist kein großes Geheimnis, dass im Sommer ein größerer Umbruch
ansteht und v.a. auch dringend nötig ist. Die gravierende Problematik
des aktuellen Kaders wurde nicht erst mit der 0:6-Niederlage in München
mehr als deutlich. Die sportliche Entwicklung und die daraus
resultierende Klatsche sind eine Konsequenz der verfehlten
Personalpolitik der letzten Jahre und zeichneten sich bereits weit vor
diesem Spieltag ab. Das Team kann den hohen Erwartungen, geschürt durch
Erfolge der Vergangenheit, nicht mehr gerecht werden. Schlüsselspieler
konnten nach ihren Wechseln nach München oder Manchester nicht mal
ansatzweise adäquat ersetzt werden – oftmals steht großer finanzieller
Investition wenig sportlicher Ertrag gegenüber. Sowohl innerhalb der
Mannschaft als auch auf dem Trainerposten bedarf es längst
weitreichender, personeller Veränderung. Denn wenn man Spieler nicht 1:1
ersetzen kann, muss man ein Kollektiv schaffen, das in der Lage ist,
den Verlust aufzufangen. Ein funktionierendes Kollektiv sucht man beim
BVB jedoch derzeit vergebens.
Es ist an der Zeit, neue Außenverteidiger aufzubauen und verdiente Spieler wie Schmelzer und Piszczek einem größeren Konkurrenzkampf auszusetzen. Langfristig muss eine Neuorientierung erfolgen und auch ein Dédé musste einst – wenn auch zunächst verletzungsbedingt – seinen Platz für einen jungen Schmelzer räumen, um eine neue Ära einzuläuten.
Manche Spieler geraten verletzungsbedingt gar in Vergessenheit und auch im fitten Zustand darf bezweifelt werden, ob die Rodes und Durms dieses Kaders eine echte Alternative für die Startelf darstellen würden. Gleichzeitig belegen einige Spieler, die längst ihren sportlichen Zenit überschritten haben, wichtige Kaderplätze und verdienen ein Gehalt, das man auch anderweitig investieren könnte.
Nuri Sahin bspw., der seit seinem Wechsel und der darauffolgenden Rückkehr unter vier verschiedenen Trainern – trotz vermehrten Einsätzen unter Bosz – im Großen und Ganzen keine wirklich tragende und überzeugende Rolle mehr einnehmen konnte, wird es auch in Zukunft schwer haben, ein wichtiger sportlicher Bestandteil der Mannschaft zu sein. Ein Vereinswechsel wäre für alle Seiten das Beste. Wie soll Neues entstehen, wenn man ständig an Altem festhält? Auch an dieser Stelle muss sich die sportliche Führung Kritik gefallen lassen. Gerne hält man an der Kloppschen Ära und den dazugehörigen Spielern fest, gerne greift man auch mal in die Tasche, um die ein oder andere Rückholaktion zu realisieren. Doch was hat das alles mit Fortschritt und Zukunftsorientiertheit zu tun?
Ich würde mir mehr Mut auf dem Transfermarkt wünschen, einen Kader mit ausgewählten, erfahrenen Säulen umrahmt von jungen Talenten. Marco Reus bspw. kann – sollte sein Körper mitspielen – als Führungsspieler vorangehen. Ein erfahrener Innenverteidiger wie Toprak kann für Stabilität in der Defensive sorgen – natürlich nur mit entsprechendem Personal an seiner Seite. Piszczek und Schmelzer können junge Spieler heranführen. Als Nachfolger von Batshuayi/Aubameyang wäre ein echter Eckpfeiler wünschenswert, der den hohen Erwartungen gerecht wird. Hier allein auf junge Talente zu setzen, wäre sicherlich fahrlässig. Im Mittelfeld hingegen bieten sich zwar einerseits Optionen für tragende Säulen an, jedoch erscheint andererseits auch das defensive Mittelfeld als Großbaustelle. Wer sich hier durchsetzen kann und wer ggf. als Neuzugang hinzustößt, wird sich zeigen.
Bei den jungen Talenten weiß man vielleicht nicht unbedingt vor einer Verpflichtung, was man letztendlich bekommt und ob die Spieler die Erwartungen erfüllen können, aber im Vergleich dazu wirken die Transfers der Rodes, Schürrles, Topraks und Castros dieses Kaders uninspiriert – nicht zwangsläufig in jedem Fall falsch, aber uninspiriert und unkreativ. Auch der Transfer von Yarmolenko warf bereits vor seiner Verletzung zuletzt Fragen auf: Ist das ein Spieler, der uns langfristig weiterbringt?
Zwar mag eine Transferausrichtung auf jüngere und somit auch unerfahrenere Spieler risikoreicher sein, jedoch kann man durch die Etablierung erfahrener Säulen das Risiko in gewissem Maße eindämmen. Zudem können Verpflichtungen von Spielern wie Maxi Philipp oder Mo Dahoud, die einen Mix aus beidem darstellen (Anfang/Mitte 20: Check; Entwicklungspotential: Check; Bundesligaerfahrung: Check), als Bindeglied fungieren. Und seien wir mal ehrlich: Die Gómez‘, Sanchos, Pulisic‘, Dembélés, Mors, Merinos und wie sie alle heißen, sind doch letztlich sportlich gesehen die spannendsten Transfers der letzten Jahre. Dass nicht jedes junge Talent den Sprung zum Stammspieler schafft, ist klar. Dass nicht jeder dieser Teenager binnen eines Jahres seinen vermeintlichen Wert derart steigert, dass man ihn auch für einen dreistelligen Millionenbetrag verkaufen könnte, ist auch klar. Aber Jugend bedeutet Entwicklungspotential, Entwicklungspotential kann Fortschritt bedeuten. Gestandene Bundesligaspieler, die ihren sportlichen Zenit bereits erreicht haben, bedeuten vielleicht Stabilität, aber v.a. auch Stagnation.
Es muss ein gesundes und funktionierendes Maß an beidem gefunden werden. Die sportliche Führung muss eine Richtung vorgeben. Wie wollen wir Fußball spielen und mit wem können wir das umsetzen – sowohl auf dem Platz als auch auf der Trainerbank? Und gerade daran, dass Zorc und Watzke diese Fragen mit einer langfristigen Vision beantworten können, zweifle ich aktuell stark. Ein erster Schritt kann die Verpflichtung eines externen Beraters sein, um so neuen, analytischen Input zu gewinnen. Ob Matthias Sammer jedoch die entscheidenden Impulse setzen kann, die auch auf operativer Ebene auf fruchtbaren Boden stoßen, bleibt abzuwarten.