Russland verweigert Hajo Seppelt die Einreise – nun sind Politik und DFB gefordert
Russland verweigert dem investigativen ARD-Journalisten Hajo Seppelt die Einreise. Seppelt hatte in den vergangenen Jahren immer wieder über das systematische Doping im russischen Sport berichtet. Nun sind Politik und DFB gefordert.
Kaum ein Sportjournalist hat den internationalen Sport in den letzten Jahren so aufgewirbelt wie der deutsche Dopingexperte Hajo Seppelt. Mit schöner Regelmäßigkeit deckt der investigative ARD-Journalist die Dopingpraxis in verschiedenen Ländern und Sportarten auf. Seine Dokumentationen über das systematische Doping im russischen Sport, die er seit 2014 drehte, führten zu Untersuchungen der Welt-Anti-Doping-Agentur und in der Folge zu teils lebenslangen Sperren russischer Sportler.
Es verwundert angesichts dieser Vita nicht, dass Seppelt heute seitens der russischen Behörden die Einreise in das Land verwehrt wurde, das im kommenden Monat die Fußballweltmeisterschaft ausrichtet. Der Programmdirektor der ARD, Volker Herres, kommentierte dies wohl in der Hoffnung auf eine Rücknahme der Entscheidung recht zurückhaltend: „Das ist für mich kein Zeichen von Respekt vor der Tätigkeit eines investigativen Journalisten, sondern eher dafür, dass man unangenehmen Themen gegenüber lieber die Augen verschließt.“ Respekt genießen Journalisten in Russland tatsächlich seit Jahren nur selten. Immer wieder werden kritische Journalisten gewaltsam drangsaliert oder gar ermordet, ohne dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Reporter ohne Grenzen listen Russland denn auch nur auf Platz 148 von 180 in Sachen Pressefreiheit.
Die Weltmeisterschaft ist für Putin ein wichtiges Propagandainstrument
Für den gerade im Beisein des Energielobbyisten Gerhard Schröder soeben in seine vierte Amtszeit eingeführten Wladimir Putin hat die Weltmeisterschaft – wie schon die Olympischen Winterspiele von Sotschi – einen enormen Propagandawert sowohl im In- als auch im Ausland. Mit den großen Sportveranstaltungen inszeniert er sein Reich als weltoffen, freundlich, aber auch selbstbewusst. Wie viel davon zu halten ist, zeigte sich schon wenige Wochen nach den Olympischen Spielen, als Putin die Krim annektierte und kurz darauf auch die Abtrennung der Ostukraine vorbereitete. Eine kritische Berichterstattung über sein Reich kann der Kremlherr daher nicht brauchen, ein investigativer Journalist wie Hajo Seppelt ist unerwünscht.
Die deutsche Politik und der deutsche Sport müssen nun entscheiden, ob sie bei der Putinschen Propagandashow stillschweigend mitmachen oder ob sie sich lautstark für Hajo Seppelt und die Pressefreiheit einsetzen wollen. Einen Boykott der Weltmeisterschaft wird es sicherlich nicht geben. Spieler und Trainer haben seit zwei Jahren auf das Turnier hingearbeitet und für einige ist es wohl die einzige Gelegenheit, bei einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Auch Sponsorenverträge dürften eine entsprechende Entscheidung für den DFB äußerst kostspielig machen. Dies mag man bedauern, aber solange man den Preis nicht selbst bezahlen muss, sind entsprechende Forderungen auch leicht gestellt. Aber unterhalb der Schwelle eines Boykotts hat gerade der Weltmeister die Chance und die Verpflichtung, für einen Journalisten aus dem eigenen Land einzutreten, der mit seinen Recherchen über Dopingpraktiken auch die Sache all der Sportler vertritt, die einen fairen und sauberen Sport ausüben wollen.
Nun sind DFB und Politik gefordert
DFB-Präsident Reinhard Grindel hat im vergangenen Jahr im Rahmen des Petersburger Dialogs eine vielgelobte Rede gehalten, in der er ankündigte, zwar nicht mit erhobenen Zeigefinger durch Russland laufen zu wollen, er betonte aber auch: „Es muss möglich sein, dass Journalisten über alle Themen berichten können, die ihnen wichtig erscheinen.“ An diesem Satz ist er nun zu messen. Es ist wichtig, dass er als oberster Vertreter des deutschen Fußballs deutliche Worte findet, dass der DFB innerhalb der internationalen Fußballverbände Druck ausübt, für eine offene Berichterstattung einzutreten. Immerhin gehört diese zumindest auf dem Papier zu den Vergabevoraussetzungen einer Weltmeisterschaft.
Ähnliches gilt für die deutsche Politik. Sie sollte nicht einfach zusehen, wie einem renommierten deutschen Journalisten die Einreise verweigert wird, sondern die Gelegenheit nutzen, um nachhaltig für Pressefreiheit in Russland einzutreten. Von Sportminister Horst Seehofer ist in dieser Hinsicht eher wenig zu erwarten. Als bayrischer Ministerpräsident war er in den vergangenen Jahren wiederholt in Moskau, um demonstrativ seine Ablehnung der kritischen Russlandpolitik Merkels zu unterstreichen. Es wird also vor allem auf Außenminister Heiko Maas, der anders als sein Vorgänger Sigmar Gabriel ein Kritiker der russischen Politik ist, und Kanzlerin Angela Merkel ankommen. Beide sollten sich nachdrücklich für eine Einreisegenehmigung Seppelts einsetzen und auch den persönlichen Boykott der Spiele ins Auge fassen.
Und sollte all dies nichts nützen, dann sind die Kollegen Seppelts vor Ort gefordert, die Fragen zu stellen, die er nicht stellen darf. Und zu berichten, was falsch läuft im Staate Putins. In einer Zeit, in der autoritäre Politiker immer mehr Zulauf erhalten, ist es besonders wichtig, dass während der Weltmeisterschaft kein falscher Eindruck aus Russland vermittelt wird. Russland ist ein wunderbares Land, mit einer spannenden Kultur und liebenswerten Menschen. Es ist aber auch ein Land, das autoritär und antidemokratisch geführt wird. Putin hat dies erst heute wieder bewiesen.