Paco Alcácer - der beste Joker der Liga
Bereits nach 13 Spieltagen gehört Alcácer zu den besten Jokern der Bundesligageschichte. Die Zuverlässigkeit, mit der er nach seiner Einwechslung den Ball ins Tor befördert, kann kein Zufall sein.
Mittlerweile weiß jeder, was geschieht. Mario Götze wird irgendwann zwischen der 60. und 70. Minuten ausgewechselt und Paco Alcácer betritt den Platz. Alles was danach passiert, ist nur noch eine Frage der Zeit. Wann macht der Spanier seine Bude? Gegen Freiburg dauerte es 21 Minuten, bis er mit seinem Treffer zum 2:0 den Deckel endgültig auf das Spiel machte – und damit ließ er sich sogar verhältnismäßig lange Zeit. In 281 Bundesligaminuten hat er bislang zehn Mal getroffen. Also im Durchschnitt alle 28 Minuten. Etwas versaut wird dieser Durchschnitt durch einen 78-Minuten-Einsatz in Wolfsburg ohne Torerfolg. Manchmal dauert es aber auch nur zwei Minuten, wie in Mainz, wo er fast direkt von der Wechselbank nach vorne lief, um einen Querpass von Reus einzuschieben.
Alcácer gehört schon am 13. Spieltag zu den besten Jokern der Liga. Neun Jokertore erzielten bislang nur Nils Petersen und Viorel Ganea, die dafür jedoch eine komplette Saison brauchten. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass am Ende der Saison ein einsamer Allzeitrekord für Paco zu Buche steht. Und schneller als er hat in der deutschen Spitzenklasse noch kein Spieler neun Tore erzielt. Bislang wurde dieser Rekord von Charly Dörfel gehalten, der mit 565 Minuten mehr als doppelt so gelang gebraucht hat. Vielen dürfte der Name nichts mehr sagen. Kein Wunder, der Rekord stammt aus der Saison 1963/1964.
Aber so kurios, ja fast bizarr diese Zahlen anmuten, sie können kein Zufall sein. Zum einen gehört natürlich eine gewisse Qualität dazu, die Alcácer unbestritten besitzt. In Stuttgart lupfte er den Ball über den herausgeeilten Ron-Robert Zieler in so einer Höhe souverän ins Netz, dass der Keeper selbst im Stand nur hilflos hinterherschauen konnte. Ein Tor, das ebenso von einer überragenden Technik und Ballbehandlung zeugte wie sein Tor in Leverkusen, wo er eine scharfe Hereingabe von Hakimi ins lange Eck spitzelte. Gegen Bayern widerum hatte er mit dem Ball am Fuß einen weiten Weg zurückzulegen, bis er direkt vor Manuel Neuer auftauchte. Der Stammtisch weiß, dass es immer schlecht ist, wenn ein Stürmer zuviel Zeit zum Nachdenken hat. Alcácer verzögerte gezielt, bis Neuer eine Ecke anbot und versenkte den Ball eiskalt. Ein Tor, das als Bild im Fußball-Lexikon direkt unter „Killerinstinkt“ stehen sollte. Es ist völlig unübersehbar, dass Alcácer nicht einfach nur ein Stürmer ist, der gerade mal das Glück hat, an der richtigen Stelle zu stehen, um den Ball final über die Linie zu drücken, sondern schlicht und ergreifend auch ein technisch enorm beschlagener Spieler ist.
Zum anderen wird das Ganze auch mehr und mehr zu einer „self fullfilling phrophcy“, einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung. Steht er zur Einwechslung bereit, bekommt die Mannschaft mit jedem weiteren Tor mehr und mehr die Überzeugung, dass man gleich eine Bude macht. Im gleichen Maße steigt beim Gegner die Gewissheit, dass es gleich klingelt.
Vor allem aber ist es das Ergebnis eines unfassbar guten Blicks für den Raum und Gespür für das richtige Timing, das Lucien Favre mittlerweile ganz gezielt nutzt. Dem Tor gegen die Bayern ging eben auch voran, dass er im perfekten Moment in den einzig möglichen, tiefen Passweg startete, so wie er bei Bällen von den Außen fast immer intuitiv in die für ein Abspiel beste Position läuft. Mal entwischt er seinem Gegenspieler an den langen Pfosten, mal bewegt er sich im Rückraum wie beim 2:0 gegen Freiburg. Ein Tor, an dem natürlich Piszczeks Vorbereitung einen großen Anteil hatte und die Veredelung zu einer eher leichten Übung machte. Aber in dem Moment, in dem "Pischu" an den Ball kommt, bewegt er sich auch zwei Schritte zurück Richtung Elfmeterpunkt aus dem Deckungsbereich des Innenverteidigers heraus und hinein in eine Position, in der er ganz leicht anspielbar wird. Vielleicht macht ihn dieses Raumgefühl schlicht und ergreifend zum perfekten Einwechselstürmer.
Mario Götze kommt dabei ganz bewusst die Aufgabe des Läufers zu. Natürlich ist es ihm nicht verboten, selber ein Tor zu erzielen, aber in erster Linie soll er die gegnerische Defensive in Bewegung halten. Sie in einer Dreierformation im Spielaufbau anlaufen und zum permanenten Freilaufen zwingen. Häufig die Position am Strafraum wechseln und die Innenverteidiger dauerhaft in Bewegung halten. Bis das passiert, was zwangsläufig passiert. Die Beine des Gegners werden etwas schwerer und jeder Schritt, der nicht oder nur langsamer gemacht werden kann, öffnet den kleinen Raum, den Paco Alcácer dann erahnen und nutzen kann. Für den gegnerischen Trainer ein Problem. In der Defensivreihe wird eher selten gewechselt. In der Regel gibt es situationsbedingte Wechsel im Mittelfeld oder der Offensive, um entweder ein Spiel zu sichern oder noch zu drehen. Soll er dann auf einmal zwei seiner drei Wechseloptionen dafür nutzen, dem frisch ins Spiel gebrachten Alcácer ebenso frische Innenverteidiger entgegen zu stellen? Kaum vorstellbar, dass ein Trainer zu so einer Maßnahme greift.
Im Gegenzug würde das auch erklären, warum seine Einsätze von Beginn an bislang deutlich abfielen. Der Gegner ist frisch und kann die Wege mit dem Spanier mitgehen. Dann hat er es mit seiner geringen Körpergröße von 1,75 m eher schwer im direkten Duell mit der gegnerischen Defensive. Für die Zukunft denkbar ist eventuell ein ziemlich skurriler Weg, bei dem der BVB seinen treffsichersten Stürmer vor allem gegen schwächere Gegner, die mutmaßlich mit einer tiefen Staffelung gegen ihn antreten werden, zu Beginn auf die Bank setzt, das „Öffnen der Dose“ den anderen Spielern überlässt und nur gegen offensivstarke Gegner, die von Anfang an Räume lassen, mit ihm in der Startelf beginnt.
Oder aber die Wahrheit ist viel banaler und Lucien Favre lässt Paco einfach der Fairness halber nur selten über 90 Minuten hinweg auf den Gegner los.