Leihen, oder nicht leihen? - Das könnte zumindest bald eine Frage werden
Der BVB stößt am Transfermarkt so langsam an seine finanziellen Grenzen. So groß, dass er Spieler einer gewissen Qualität braucht, aber auch irgendwo zu klein, um finanziell in diesen Regionen richtig mitspielen zu können. Früher oder später wird man auch wieder über Finanzierungen nachdenken müssen, die in Dortmund verständlicherweise gebrandmarkt sind.
Borussia Dortmund ist auf Stürmersuche, das dürfte mittlerweile wohl jeder mitbekommen haben. Ein Grund, warum diverse Transferziele nicht realisiert werden konnten, sind die teils exorbitanten Ablösesummen, die für qualitativ hochwertige Stürmer aufgerufen werden. Selbst für unsere Leihgabe Michy Batshuayi, der auch für die kommende Saison in den engeren Planungen des Chelsea FC keine große Rolle spielt und deshalb erneut verliehen wurde, wurden dem Vernehmen nach Ablösesummen im Bereich von 50 Millionen Euro aufgerufen. Geld, dass der BVB nach einer kostspieligen Transferperiode, in der für Axel Witsel, Thomas Delaney, Marius Wolf und Abdou Diallo über 70 Millionen Euro ausgegeben wurden, nach Aussagen der sportlichen Leitung nicht so einfach beibringen kann.
Und an diesem Punkt kommt man zu einer Frage, die bei uns in Dortmund ganz besonders schwierig zu beantworten ist: Wäre es für den BVB legitim, für eine perfekt passende Lösung, die notwendigen Finanzmittel zur Realisierung des Transfers zu leihen? Dass bei der Vorstellung, Spieler „auf Pump“ zu kaufen, hier alle roten Warnlichter angehen, ist völlig selbstverständlich. 2005 mit all seinen bösen Geistern wie Florian Homm und Molsiris hat sich tief in das kollektive Gedächtnis aller Schwatzgelben eingebrannt – und das ist auch gut so. Auch nach einem eventuellen Wechsel in der Geschäftsführung in den kommenden Jahren wird es eine massive Leitplanke bleiben, die unseren Verein hoffentlich vor weiteren Harakirigeschäften bewahren wird. Es kann aber auch schlecht für unsere Borussia sein, wenn man sich vor diesem Hintergrund der vernünftigen Verwendung von Finanzierungselementen, die ansonsten im Geschäftsalltag bei der Realisierung größerer Investitionen Gang und Gäbe sind, komplett verschließt.
Dass bei der Vorstellung, Spieler „auf Pump“ zu kaufen, hier alle roten Warnlichter angehen, ist völlig selbstverständlich.
Deshalb sollte man sich erst einmal die damaligen Begebenheiten, das Fußballumfeld und die Wahl der Finanzierungsmittel wieder in Erinnerung rufen. Der wohl irrsinnigste Plan, den die Herren Niebaum und Meier zur Aufrechterhaltung ihres Kartenhauses umsetzten, war das Sale&Lease-Back Geschäft mit der Fondsgesellschaft Molsiris. Dafür wurde im Jahr 2002 das Westfalenstadion für rund 75 Millionen Euro an Molsiris verkauft und für einen jährlichen Betrag von 15 Millionen bis zum Jahr 2017 zurück geleast. Nach Ablauf der 15 Jahre Leasingzeit hätte Borussia natürlich auch die ursprünglichen 75 Millionen wieder zurück zahlen müssen. De facto hätte man für einen Kredit über diesen Betrag also 225 Millionen Euro Zinsen bezahlt, was einer Verzinsung von 300 % entspräche. Der ganze Vorgang wird noch abstruser, wenn man die damalige Finanzkraft von Borussia Dortmund einbezieht. Die Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb betrugen lediglich um die 90 Millionen Euro, die Gesamtbilanzsumme 232,5 Millionen. Da wird schon klarer, was für ein gewaltiger Mahlstein um den Hals allein die jährlichen 15 Millionen Euro Rückzahlung darstellten und wie abhängig Borussia vom Erreichen der Champions-League mit seinen garantierten 20 Millionen für die Gruppenphase war.
Reden wir über eine Fremdfinanzierung im Jahre 2018, dann reden wir über ein anderes Modell, einen anderen BVB und eine andere Fußballlandschaft. Ein normaler Bankkredit mit einer Laufzeit von beispielsweise 5 Jahren würde auch außerhalb einer absoluten Niedrigzinsphase nicht einmal annähernd eine derartige Belastung wie damals beim Sale&Lease-Back nach sich ziehen und sich in einem normalen Zinsrahmen bewegen. Zwischen beiden Modellen liegen ganze Welten. Der BVB wiederum hat sich, was 2005 in dieser Art wohl niemand für möglich gehalten hat, ebenfalls massiv verändert. Für das Geschäftsjahr 2016/2017 weist man einen Umsatz von 275 Millionen, also rund 40 Millionen mehr als die damalige, komplette Bilanzsumme aus. Und bei dieser Zahl sind die Einnahmen aus dem Transfergeschäft schon heraus gerechnet. Bei dieser Einnahmesituation wäre der damalige Deal mit der Commerzbanktochter Molsiris heute nur noch lästig, aber bei weitem nicht mehr existenzbedrohend.
Darüber hinaus haben sich die Fußballvereine mittlerweile über satt dotierte TV-, Sponsoren- und Ausrüsterverträge zu einem gehörigen Stück vom sportlichen Erfolg entkoppelt. Borussia Dortmund erhält aus dem aktuellen TV-Rechtevertrag allein rund 85 Millionen Euro, also ziemlich genau das, was man damals insgesamt an Umsatz erzielt hat. Und in naher Zukunft werden die Einnahmen an der Strobelallee planbar steigen. Neue Konditionen mit dem Rechtevermarkter Lagarde, der Nachfolger von Sportfive werden die Einnahmen in diesem Bereich ebenso signifikant erhöhen wie der neue Ausrüstervertrag, der spätestens im Jahr 2020 abgeschlossen wird. Zwar wird man nicht in die Bereiche von Manchester City, oder Bayern München mit Jahresbeträgen von 50, bzw. 60 Millionen Euro vorstoßen, aber wenn der aktuell von Puma gezahlte Betrag von 15 Millionen Euro nicht verdoppelt werden könnte, wäre das schon ein Stück weit enttäuschend.
Es geht darum, Risiken richtig einzuschätzen und zu minimieren.
Finanzierung mit Fremdkapital ist in allen anderen Bereichen ein übliches Mittel. Unternehmen beschaffen mit geliehenem Geld auf Basis von prognostizierten Geschäftsentwicklungen teure Maschinen, Privatpersonen kaufen sich damit ein neues Auto und kalkulieren damit, dass sie ihren Arbeitsplatz behalten. Es ist nie frei von Risiko, aber wer das komplett ausschließen möchte, der ist im Fußball eh verkehrt. Hier kann im Extremfall schon die Beurteilung eines Foulspiels durch den Schiedsrichter den Ausschlag dafür geben, ob man an die internationalen Fleischtöpfe kommt – oder eben nicht.
Es geht darum, Risiken richtig einzuschätzen und zu minimieren. Über diesen Punkt war „Dr. Gott“ damals schon lange hinaus, es galt nur noch, das Ende so lange wie möglich heraus zu zögern. Es ist aber falsch, wenn diese Erfahrung dazu führt, dass normale Finanzinstrumente bei einer vernünftigen Anwendung per se ausgeschlossen werden. So eine vernünftige Anwendung läge vor, wenn ein sportlich wirklich sinnvoller Transfer in den Folgekosten, also im wesentlichen Gehalt und Prämien, durch den laufenden Betrieb gedeckt wären, für die einmaligen Transferkosten jedoch in Ausnahmefällen ein Darlehen aufgenommen werden würde. Diese Möglichkeit wird man in naher Zukunft zwangsweise in Betracht ziehen müssen, wenn man das eroberte Niveau halten will. So ganz ohne Risiko ist es nämlich auch nicht, wenn man zum Beispiel so ganz ohne Stürmer in eine Saison geht.