Die Wiederkehr des ewig Bösen
Im Hinspiel sorgten Geräusche aus der Kurve von Bergamo noch für Verwunderung unter Italienkennern. Atalanta Bergamo sowie die befreundeten Ultras aus Frankfurt sind politisch alles andere als rechts bekannt – sehr unwahrscheinlich, dass man unseren Stürmer Mitchy Batshuayi rassistisch mit Affenlauten beschimpfen wollte. Nach dem Rückspiel kann daran allerdings leider kein Zweifel mehr bestehen. Erst Batshuayi und nach dessen Einwechselung auch Alexander Isak wurden bei Ballbesitz permanent mit widerlichen „Uh-Uh-Uh“-Geräuschen verhöhnt. Man kann wohl nur erahnen, wie beschissen sich das für die Spieler angefühlt haben muss, auch wenn Profifußballer in der Regel einiges an Beschimpfungen durch den Gegner gewöhnt sind und ein dickes Fell haben. Wegen seiner Hautfarbe in aller Öffentlichkeit zum Tier abgestuft zu werden – das ist mehr als bitter.
Nun könnte man das als italienisches Problem abtun. Schon 2013 verließ Kevin-Prince Boateng während eines Testspiels des AC Mailand gegen den Verein „Pro Patria“ aus der Stadt Brusto Arsizio den Platz, weil er von gegnerischen Anhängern unter anderem mit diesen Affenlauten beleidigt wurde. Seine Mitspieler folgten ihm, das Spiel wurde abgebrochen. Und Lazio Rom mit seinen Irriducibili ist europaweit nicht erst seit dem Eklat mit den Anne-Frank-Stickern fast als Synonym für eine rechte Kurve bekannt. Wer so denkt, macht es sich nicht nur zu leicht, er verharmlost eine gefährliche Situation. Erst Anfang des Monats machte Schiedsrichter Nicolas Rainville in der League 1 Schlagzeilen, weil er Nizzas Stürmerstar Mario Balotelli die gelbe Karte zeigte – dafür, dass er sich bei ihm über rassistische Beschimpfungen der Heimfans von Dijon beschwerte. Und in der Bundesliga wurden beim Auswärtsspiel des FSV Mainz 05 in Hannover Anthony Ujah und Leon Balogun beim Aufwärmen mit eben jenen Affenlauten verhöhnt.
Gerade letzter Fall sollte jeden Fußballfan in Deutschland wachrütteln. Wenn es eine Entwicklung im Profifußball gibt, auf die wir zurecht stolz sein können ist es die, dass die früher leider üblichen Affenlaute gegenüber dunkelhäutigen Spielern genau so geächtet sind wie Gesänge über zu bauende U-Bahnen nach Auschwitz. Nun ist Fußball, bzw. das Fußballstadion auch immer nur eine Projektionsfläche einer Gesamtgesellschaft. Und diese Gesellschaft rückt in Teilen leider unter dem Deckmäntelchen von „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ in letzter Zeit weiter nach rechts und versucht Ausländerfeindlichkeit und unverhohlenen Rassismus wieder salonfähig zu machen. Nun wird man Leute mit einem rechten Weltbild während des Stadionbesuches nur schwer vom Gegenteil überzeugen können und bei vielen von uns wird Angst bei der direkten Konfrontation auch eine Rolle spielen, aber wir können zumindest dafür sorgen, dass sie sich nicht wie anderswo als lautstarke Vertreter einer schweigenden Mehrheit gerieren.
Affenlaute und sonstige rassistische, aber auch homophobe Beschimpfungen sind kein reguläres Stilmittel in der Fankurve, auch wenn es dort naturgemäß mal etwas derber zugeht. Man bepöbelt damit nicht einfach den Gegner, sondern greift gezielt den einzelnen Menschen wegen seiner Hautfarbe, Religion, Abstammung oder Neigung an. Man würdigt ihn herab. Und jeder, der sich beteiligt, sendet an die anderen Fans ein Signal, dass es doch eigentlich ganz ok ist, das zu tun. Das ist einfach unsagbar scheiße und ein Weg, den wir nicht wieder beschreiten dürfen. Wenn ihr so etwas hört, macht nicht mit. Stimmt Lieder an und singt sie laut, um diesen Dreck zu übertönen. Diese Stimmen werden dadurch nicht verschwinden, aber sie dürfen auch nicht den Eindruck erwecken, dass sie für den Verein, für die Kurve sprechen.
Und man kann den Spielern damit bedeuten, dass sie nicht alleine sind. Es ist gut, dass sie das nicht alles klaglos über sich ergehen lassen, sondern sich zu Wehr setzen. So wie Kevin-Prince Boateng, wie Mario Balotelli und auch Mitchy Batshuayi, der sich direkt nach Spielende per Twitter zu Wort meldete, auf die Affenlaute aufmerksam machte und den Leuten, die ihn beleidigt haben, noch viel Spaß vorm TV beim weiteren Verlauf der Europa-League wünschte. Ohne Schmelzer etwas zu wollen, aber es wäre fast noch besser gewesen, wenn Batshuayi oder Isak den Ausgleichstreffer erzielt hätten.