Der BVB und die neue Datenschutz-Grundverordnung
Helle Aufregung letzte Woche zum Thema Datenschutz. Im Kern ging es um die Frage, ob Namensangaben auf Haustürklingeln gemäß DSGVO noch erlaubt sind. Für uns Grund genug, auch mal beim BVB im Detail nachzuhaken. Die ersten Auswirkungen wird man bereits zum Heimspiel gegen Madrid spüren.
Seit dem 25. Mai 2018 ist sie in Kraft und noch immer kann niemand genau überblicken, was sie für uns bedeutet: Die neue, europaweit gültige Datenschutz-Grundverordnung. Kurz: DSGVO oder etwas liebevoller „DaGru“. Aktuell rückte diese Verordnung wieder mit einem sehr kuriosen Fall aus Österreich in den Blickpunkt. Der Mieter eines Hauses der Hausverwaltungsgesellschaft „Wiener Wohnen“ klagte, dass das Anbringen seines Namens an der Türklingel bereits einen Verstoß gegen den Datenschutz darstelle. Der Immobilien-Eigentümerverband „Haus & Grund“ empfahl seinen Mitgliedern daraufhin, die Namenszüge durch die Nummerierung der Wohneinheiten zu ersetzen.
Der Fall zeigt, dass die DSGVO auf viel mehr Bereiche unseres Lebens Einfluss hat, als bislang angenommen. Grund für uns mal bei Borussia nachzufragen, wie man sich dort auf die neue Rechtssituation eingestellt hat. Überraschenderweise ist man dort mit den Planungen weiter als gedacht. Wie uns gegenüber eingestanden wurde, ist man bereits während des letzten Champions-League Heimspiels gegen den AS Monaco ins Visier der Datenschützer geraten. Stein des Anstoßes war der Ausruf, dass Herr Pieper bitte zur Ordnerzentrale unter der Nordtribüne kommen möge. Der Verdacht steht im Raum, dass es sich hierbei um eine unzulässige Verknüpfung von Personen- und Bewegungsdaten im teilöffentlichen Raum handelt. Als Sofortmaßnahme wird man zukünftig nicht nur auf derartige Ausrufe verzichten, sondern generell Daten mit größerer Sensibilität behandeln. Statt wie bisher z.B. „den Halter des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen AB – XY 123“ auszurufen, weil dichte Rauchschwaden aus dem Innenraum quellen, wird man sich stattdessen auf den Fahrzeugtyp und –farbe beschränken. Im genannten Beispiel hieße es dann also ab sofort „Der Halter eines VW Golf VI in silbermetallic möge bitte sofort zu seinem brennenden Auto kommen“.
Ein besonderes Augenmerk wird man auch verstärkt auf den Schutz der Daten bei den eigenen Angestellten legen. Ab sofort werden auf den Trikotsätzen nicht mehr die vollständigen Nachnamen, teilweise sogar mit Kürzeln des Vornamens aufgedruckt, sondern nur noch die von den Jacken bekannten Kürzel, bestehend aus den Anfangsbuchstaben des Vor- und Zunamens. Die Startaufstellung wird dann also beispielsweise mit dem Flock RB-MS-AD-MA-AH-AW-TD-MR-CP-JS-PA auflaufen. Ein entsprechender Antrag wurde bei der DFL und dem DFB bereits eingereicht.
Auswirkungen hat das auch auf die Arbeit von Eventmanager Norbert Dickel. Auch hier können sich durch Namensnennungen am expliziten Aufenthaltsort Datenmuster ergeben, die Borussia Dortmund in der aktuellen Form im öffentlichen Raum nicht ausreichend schützen kann. Bei der Ausrufung der Startaufstellung bei der Heimmannschaft wird er in Zukunft nur noch die Trikotnummer ausrufen, das Publikum wird angehalten, darauf mit der jeweiligen taktischen Position zu antworten. Ab dem Spiel gegen Atletico Madrid wird es also nicht mehr „Roman“ – „Bürki“ im Wechselgesang heißen, sondern „Nummer 1“ – „Torwart“. Auf diese Weise hofft man, die einzigartige Emotionalität beim Einlaufen der Mannschaft zu erhalten und gleichzeitig der Datenschutz-Grundverordnung voll zu entsprechen. Leider ist man sich auch sicher, dass sich im Falle eines Tores ein Großteil der Stadionbesucher nicht an die neuen Namenskonventionen halten wird, was zu Strafen von bis zu 20 Millionen Euro führen kann. Deshalb wird „Nobby“ zwar weiterhin den Vornamen nennen, die übliche Antwort mit dem Nachnamen wird jedoch ersatzlos gestrichen. Entsprechender Passus mit Androhung einer Sanktion befindet sich bereits in der aktuellen Version der Stadionverordnung.
Führen derartige Fälle im ersten Moment nur zu Kopfschütteln, haben andere Aspekte der DSGVO bereits jetzt in finanzieller Hinsicht negative Folgen für den BVB. Die Lagerbestände an unterschriebenen Autogrammkarten, sowie signierte Trikots und Bälle mussten vollständig geräumt und entsorgt werden, da diese Schriftzüge automatisiert und ohne vorherige, schriftliche Zustimmung der Namensgeber auf den Merchandisingartikeln angebracht wurden. Die Höhe des Schadens wird intern auf einen mittleren sechsstelligen Betrag beziffert. Immerhin können die Verantwortlichen die Kunden der Fanwelt dergestalt beruhigen, dass bereits gekaufte Artikel nicht wieder abgegeben werden müssen. Hier kam es beim Spiel gegen Augsburg zu unschönen Szenen im REWE-Familienblock, als Mitarbeiter des BVB einer Kindergruppe die ausgeteilten Autogrammkarten von Maskottchen Emma wieder abnehmen wollten. Die acht- bis zehnjährigen ließen sich auch durch Erläuterung der entsprechenden Paragraphen der DSGVO nicht beruhigen, konnten aber mit einem Gratis-Flutschfinger besänftigt werden.
Noch vollständig unklar ist die Lage bezüglich der Sportberichterstattung. Bei Datenschutzverbänden sieht man die häufige Nennung vollständiger Namen in Zusammenhang mit strafbaren Handlungen (z.B. gelbe Karten), Interaktion mit anderen Spielteilnehmern (Zweikampfstatistik) oder Bewegungsprofilen (Laufleistung) mehr als skeptisch. Unserer Redaktion gegenüber wurden massive Zweifel an der Vereinbarkeit mit der DSGVO geäußert. Die kompletten Auswirkungen dieser Prüfung sind Bezug auf visuelle und schriftliche Übertragung des Sports noch gar nicht absehbar.
Lassen wir uns überraschen, welche Folgen „DaGru“ noch für uns bereit hält.