Auf Wiedersehen, Marc!
20. Mai 2017 – nach dem letzten Saisonspiel der Bundesliga Saison 2016/2017 tritt Marc Bartra vor die Südtribüne. Ein bewegender Moment für alle Stadionbesucher und nicht zuletzt für Bartra selbst. Er lächelt, wie eigentlich immer, aber diesmal mischen sich die Emotionen. Er wird beklatscht, sein Name wird immer wieder gerufen und in jedem dieser Rufe schwingt ein „Schön, dass du da bist" mit. Es rührt Marc Bartra zu Tränen und gleichzeitig strahlt er Trotz und Kampfgeist aus, als er den in Gelb eingegipsten Arm in den Maihimmel reckt. „Seht her, ich lebe noch! Nur der Arm ist gebrochen." Nur fünf Wochen hat es gedauert bis er wieder auf dem Platz stand.
11. April 2017 – die Mannschaft macht sich auf den Weg zum Stadion. Das Champions League Viertelfinale gegen den AS Monaco steht an. Allerdings wird die Fahrt nicht lange dauern, denn durch eine Bombenexplosion wird der Bus abrupt gestoppt. Ein Bombenanschlag auf die Mannschaft, drei Detonationen in einer Hecke am Straßenrand lassen Scheiben zerbersten und setzen heimtückisch in die Bomben eingebaute Metallstifte frei. Wie durch ein Wunder wird nur ein Spieler an diesem Abend körperlich versehrt: Marc Bartra. „Furchtbare Schmerzen, ein Piepen in den Ohren und das dumpfe Geschrei seiner Teamkollegen", so hat er die Sekunden, die Minuten nach dem Anschlag in Erinnerung. Ganz besonders in Erinnerung bleibt auch Physiotherapeutin Swantje Thomßen, die Bartra bei Bewusstsein hält. Sie ohrfeigt ihn, schreit ihn an, spritzt ihm Wasser ins Gesicht. Nur einen Tag danach wird das Viertelfinalhinspiel im Westfalenstadion ausgetragen.
Roman Bürki betritt als erster den Platz. Er saß im Bus neben Marc Bartra, trägt Bartras Trikot. Auf seiner Brust prangt eine große „5". Nobby Dickel spricht über den Anschlag, er fordert uns Fans im Stadion auf, „Marc einen Gruß ins Krankhaus zu schicken". Selbst wenn Zweifel bestehen, dass es über die Außenmikros am Fernsehschirm hörbar ist, kann man sich sicher sein, dass der Gruß auch so im ganzen Stadtgebiet hörbar war. Der Name „Marc Bartra" erschallt laut im Stadion, mit den besten Wünschen und auch ein bisschen zornig, weil es einen von uns getroffen hat, der sich seit seiner Vertragsunterzeichnung mehr und mehr zur Identifikationsfigur entwickelte.
03. Juni 2016 – Borussia Dortmund verpflichtet Marc Bartra für eine fixe Ablöse von acht Millionen Euro. Ein Schnäppchen wird er genannt, weil er eigentlich 40 Millionen kosten sollte, aber auf Grund einer Klausel günstiger zu haben war, sofern er nicht auf eine bestimmte Anzahl von Pflichtspieleinsätzen kommt. Der FC Barcelona hatte wohl verschlafen, ihn im letzten Saisonspiel einzuwechseln und schon schlug der BVB zu. Mit der Empfehlung einer fußballerischen Ausbildung in Barcelonas La Masia bekam er direkt mal den Rucksack aufgesetzt, Mats Hummels zu ersetzen. Dem Vernehmen nach hatte der FC Barcelona sogar angeboten, Bartra noch günstiger ziehen zu lassen, sofern man eine Rückkaufklausel vereinbaren würde. Die Existenz einer Rückkaufklausel wurde jedoch direkt vom Verein dementiert. In Barcelona war man jedenfalls von Bartras Fähigkeiten überzeugt, auch wenn er sich über mangelnde Wertschätzung in seiner Heimat beschwerte. Allerdings wurde auch relativ schnell deutlich, dass der Rucksack, der Bartra aufgesetzt wurde, hinderlich war. Nicht nur das Umfeld hatte große Erwartungen an den technisch versierten Innenverteidiger zum „Spottpreis", auch er selber machte sich viel Druck, wie Thomas Tuchel im Laufe der Hinrunde bestätigte. Trotzdem wurden seine Leistungen konstant besser. Dazu kamen ein unglaublich integrativer Geist und eine unfassbar positive Aura. Die deutsche Sprache lernen, immer ein Lächeln auf den Lippen und der schönste Anblick: Marc Bartra vor der Südtribüne. Ganz selbstverständlich kam er zum Feiern vor die Süd, freute sich jedes Mal wie ein kleines Kind und hatte dieses Glänzen in den Augen. Seine Identifikation mit dem Verein konnte man nicht nur an seinen Versuchen ablesen, „Wer wird deutscher Meister" mitzusingen. Im Interview mit den Ruhrnachrichten sagte er: „Es fühlt sich nach Familie an". Das strahlte er auch beim Neujahrsempfang der Fanclubs aus. Während andere Spieler von einem Anzugträger durch die Menge geführt wurden, ging Bartra eigene Wege durch die Fans, hielt bei jedem an, der ihn freundlich darum bat und strahlte in die zum Selfie gezückten Handykameras. Unvorstellbar, dass Bartra den Verein schon anderthalb Jahre nach seiner Vertragsunterzeichnung wieder verlässt.
30. Januar 2018 – Der BVB gibt den Wechsel von Marc Bartra zu Real Betis Sevilla bekannt. Ein Wechsel, den eigentlich keiner will. Im Verein wird Bartra geschätzt, von den Fans wird er gemocht und er selber identifiziert sich mit dem BVB, fühlt sich hier eigentlich wohl. Aber der 11. April 2017 wirkt natürlich noch nach, bei ihm selber, bei seiner Familie. Durch die Hinrunde beißt er sich mit Leistungsschwankungen. Verständlich ist der Wunsch, den Verein zu wechseln. Dieses blöde Wort „Tapetenwechsel" ist in diesem Fall wohl Synonym für eine Situation, in die alle Beteiligten unverschuldet hineingezogen wurden und man am Ende zumindest beruflich getrennte Wege gehen muss. Menschlich und fußballerisch ein Verlust.
Lieber Marc, alles Gute bei deinem neuen Verein. Und wer weiß, vielleicht sieht man sich ja nochmal wieder. Vor der Süd, ohne Gips, aber natürlich mit einem Lächeln!