Sieg gegen die Bayern - Danke, BVB
In einem unfassbaren Spiel dreht der BVB die Partie und besiegt den FC Bayern München. Es war eine Erinnerung daran, warum wir den Fußball eigentlich so lieben.
Es gibt Spiele, Abende, Momente und Situationen, in denen man inne halten und dankbar sein muss. Der gestrige Abend im Westfalenstadion bot solch einen Moment der Dankbarkeit.
Vor ausverkauftem Tempel drehte diese junge Mannschaft im 99. Bundesliga-Duell einen zweimaligen Rückstand in einen Sieg um. In einer schlechten ersten Hälfte mit einem wirkungslosen Zentrum und schwachen Außenbahnen gelang es dem BVB nicht, den in den letzten Wochen so häufig auf den Rasen gebrachten Mut, Elan und Spielwitz zu zeigen. Bayern verstand es mit Goretzka und Martinez den überraschend aufgestellten Julian Weigl komplett aus dem Spiel zu nehmen, sowohl Hakimi und Piszczek als auch Sancho und Bruun Larsen konnten sich auf den Flügeln nicht durchsetzen. Statt mit einer komfortablen Führung die man in den ersten 45 Minuten mit mindestens zwei 100 % - igen Chancen hätte rausspielen können, ging man mit einem 0:1 - Rückstand in die Kabine - Lewandowski nickte nach einem Stellungsfehler von Zagadou ein.
Ein wildes, offenes und überragendes Spiel in Hälfte zwei, bei dem der eigentlich längst überholte Begriff „Topspiel“ endlich ohne schlechtes Gewissen wieder benutzt werden konnte. Favre gestand sich seinen taktischen Fehlgriff ein und brachte Dahoud für den gelb vorbelasteten Weigl. Damit einher ging die Fähigkeit die Abwehr und den Angriff spielerisch hochwertiger verbinden zu können, Borussia glich nach einem Elfer von Reus aus und zeigte sich auch nach dem erneuten schnellen Rückstand keineswegs geschockt. Jeder einzelne Stadiongast erhob sich und musste mit ansehen, wie der BVB eine Reihe an sicheren Toren leichtfertig nicht erzielte. Reus, Alcacer und Co. brachten es nicht fertig, das Herzinfarktrisiko im Tempel wenigstens minimal runterzuschrauben. Reus’ technisch famoses Ausgleichstor ließ die Fensterscheiben in Dortmund-Barop beben, die Gäste in rot wirkten schon kurz nach dem eigenen Führungstreffer überfordert und leblos.
An die 73. Minute an diesem 10. November wird man sich noch lange erinnern. Jeder im Stadion, jeder vor den Bildschirmen - jeder, der es irgendwie mit der Schönheit und Emotionalität der besten Nebensache der Welt hält.
Sancho’s Balleroberung auf rechtsaußen gegen Ribery, ein Gemälde von einem Pass von Witsel auf Alcacer, die verzögernden Tippelschritte des Spaniers um Manuel Neuer aus der Fassung zu bringen und anschließend das Leder technisch perfekt am Keeper vorbei zu streicheln - ein Tor zum 3:2, das wie kein zweites für die neu erlangte Schönheit, Schnelligkeit und Qualität steht und das schier unermessliche Potenzial zeigt, das in diesem Team steckt.
So einen Moment in die richtigen Worte zu erfassen, ist schlicht nicht möglich. Deshalb lasse ich es.
Diese Mannschaft in schwarzgelb hatte gerade gegen den FC Bayern München gewonnen - die Frisur eines 35-jährigen Franzosen in rot präsentierte jedem eindrucksvoll den neuerlichen Punkteunterschied. Stadion, Fans und Mannschaft verschmolzen spätestens ab 20:28 Uhr zu einem schwer zu greifenden Aggregatzustand der Glückseligkeit.
Jeder, der dieses Spiel sehen durfte, kann sich glücklich schätzen. An alle die noch nicht: Schaut es euch an. Immer und immer wieder. Die zwei Wochen Länderspielpause kommen genau zur richtigen Zeit - Erholung und Kur für die Anwesenden, Dauerschleife im ReLive für die, die es verpasst haben. Dieser Klub macht einfach Bock. Da gerät sogar die Tabellenführung mit vier bzw. sieben Punkten Vorsprung mal kurz zur Nebensache.
HEJA BVB!
Stimmen zum Spiel
Lucien Favre: „Es war ein total verrücktes Spiel. Bayern war sehr stark, sie haben uns 25 Minuten dominiert. Wir konnten den Ball nicht erobern. Wenn es der Fall war, haben wir ihn sofort wegen des Pressings der Bayern verloren. Es war wie ein Bumerang. Bayern war stark wie vielleicht nie diese Saison. Aber ich hatte die Intuition, dass sie das Tempo nicht durchhalten würden. Nachher haben wir gespürt, dass wir gewinnen können. Die Moral der Spieler war fantastisch.“
Mats Hummels: "Solche Fehler sind mir seit 2010 nicht passiert."
Niko Kovac: „Wir haben heute von beiden Mannschaften ein fantastisches Fußballspiel gesehen. In der ersten Halbzeit hatten wir das Spiel in der Hand, in der zweiten war es Dortmund. Es hätte heute gut und gerne unentschieden ausgehen können.“
Marco Reus: „Wir sind in der ersten Halbzeit nicht gut reingekommen. Bayern hatte viel Ballbesitz, hat viel Druck gemacht. Wir haben uns nicht so viel zugetraut, haben selten gepresst, was wir uns eigentlich vorgenommen hatten. Erst in der zweiten Halbzeit haben wir Fußball gespielt und hatten Vertrauen in unsere Aktionen. Es war ein geiles Spiel und hat Spaß gemacht, auf dem Feld zu stehen. Wir haben zu Hause gegen Bayern gewonnen, und heute haben wir nicht viel zu meckern. Nach dem 2:2 hatten wir das Gefühl, wir haben mehr Luft. Dann haben wir noch einmal Gas gegeben. Der Trainer hat ein goldenes Händchen. Die Spieler, die reinkommen, hauen noch einmal alles rein, dann ist der Gegner meistens schon platt. Ich hoffe, wir können den Lauf so mitnehmen. Es ist immer gut, ein Polster zu haben, aber die Bayern sind auf lange Sicht stark. Wir tun gut daran, uns auf uns zu fokussieren und jedes Spiel für sich zu nehmen. Am Ende müssen wir sehen, was dabei herauskommt. Aber es ist zu früh darüber zu sprechen, ob wir Meister werden.“