Mit Drang - aber ohne Sturm an der Hafenstraße
Borussia Dortmund gelingt die Generalprobe im letzten Testpiel der Vorbereitung gegen Lazio Rom. Der solide Auftritt an der historischen Spielstätte lieferte wenig neue Erkenntnisse - und lässt eine wichtige Frage immer noch unbeantwortet.
An der historischen Essener Hafenstraße testete der BVB in seinem letzten Vorbereitungsspiel vor dem Pflichtspielauftakt in genau einer Woche gegen einen international hochkarätigen Gegner. Lazio Rom, letztes Jahr Fünfter der Serie A und nur knapp an der Champions League vorbeigeschrammt, startet schon am nächsten Wochenende in die heimische Meisterschaft und stellte einen würdigen Gegner in einer gelungenen Generalprobe.
Taktik & Personal
Im offensiv ausgerichteten 4-2-3-1-System stellte Lucien Favre die vorderste Mittelfeldreihe aus Götze, Pulisic und Bruun Larsen zusammen, in vorderster Front durfte sich Reus versuchen. Die Abwehrreihe bestehend aus Piszczek, Diallo, Akanji und Schmelzer wird in der neuen Saison wohl auch die Stammverteidigung bilden, im defensiven Mittelfeld sollten Neuzugang Delaney und Dahoud die italienischen Gäste beackern.
Auf Seiten der Gäste setzte Trainer Simone Inzaghi (ja, der Bruder des berühmten Filippo, der im Abseits geboren wurde), im Mittelfeld vor allem auf seinen „neuen“ Superstar Milinkovic-Savic. Der Serbe, der in diesem Sommer nach einer soliden WM so gut wie mit jedem europäischen Topklub für horrende Transfersummen in Verbindung gebracht wurde, wurde unter anderem von zwei alten Bekannten unterstützt. Ciro Immobile, der im RWE-Stadion nicht ganz so freundlich begrüßte wurde und in Italien letztes Jahr alles kurz und klein geschossen hat und Milan Badelj, Ex-Hamburger und Teil der dieses Jahr so erfolgreichen kroatischen Nationalmannschaft.
Das Spiel
Nach sechs Gegentoren in den letzten beiden Testspielen, lag das Augenmerk der Borussia bei dem letzten echten Härtetest vor dem Saisonstart vor allem auf der Defensive. Vom Start weg ließ der BVB eine konkrete Spielidee erkennen, der Spielaufbau funktionierte und die richtigen Räume wurden besetzt – der finale Pass zum gefährlichen Torabschluss fehlte jedoch noch stellenweise. Nach einem stark herausgespielten Angriff über Pulisic, Götze, Bruun Larsen und letztlich Reus stand es aber schon nach fünf Minuten 1:0. Der abgefälschte Schuss des neuen Kapitäns fiel über Lazios Keeper Strakosha ins Tor zur schwarzgelben Führung.
Die Römer standen von Beginn an tief gestaffelt, kamen nach dem Rückstand jedoch besser in die Partie und kamen durch Milinkovic-Savic nach knapp 15 Minuten zur ersten richtigen Torchance, die Bürki entschärfen konnte. Bis zum Halbzeitpfiff gönnten sich beide Teams immer wieder längere Ruhephasen mit wenigen Highlights, Überraschungsmomenten und Tempovorstößen. Der Ball lief sicher durch die schwarzgelben Reihen, ohne richtige Torgefahr zu kreieren.
Auch in der zweiten Hälfte drückte der BVB nur in der Anfangsphase teilweise aufs Gaspedal, zwei Möglichkeiten durch Reus und Dahoud sollten für lange Zeit die einzigen „Höhepunkte“ einer größtenteils trägen und langweiligen Halbzeit sein. Eine Viertelstunde vor Schluss brandete durch das halbvolle Stadion an der Hafenstraße nochmals tosender Applaus auf: Axel Witsel kam zu seinem Debüt – erstaunlich, wie rasant jemand aufgrund seiner Frisur zum Publikumsliebling werden kann. Spielerisch konnte der Belgier dem Spiel keine Akzente mehr schenken – die Partie tröpfelte ereignislos dem Ende entgegen.
Fazit
Rode, Isak, Burnic, Toljan und Gomez standen nicht im Kader – ein klarer Fingerzeig für Favres Personalplanungen in der neuen Saison. Positive Erscheinungen: Immer noch Diallo und Akanji – das Innenverteidigerduo überzeugt und macht Hoffnung. Nicht nur defensiv stabil, auch im Spielaufbau fällt vor allem beim französischen Neuzugang die Präzision und Schärfe der Zuspiele in der Spieleröffnung auf.
Offensiv stellt sich weiterhin die nicht unwichtige Frage: Kommt noch ein Stürmer? Auch in dieser Partie konnte man sehen, dass sich das Spiel nach vorne ohne einen echten Angreifer schwierig gestaltet. Teilweise einfallslos, schwerfällig und ohne richtige Idee – nur mit Reus und Philipp und somit ohne einen gelernten Stürmer auf höherem Niveau in die neue Saison zu gehen, erscheint zum jetzigen Zeitpunkt fahrlässig. Fraglich, ob sich die Vereinsführung aufgrund überhöhter Transfersummen intern einfach uneinig über Sinn und Zweck einer Verpflichtung ist, oder man tatsächlich mit dem Status Quo in der vordersten Reihe zufrieden ist. Letzteres ist schwer vorstellbar – auch nach den wenigen Erkenntnissen, die man aus dem gestrigen Spiel gewinnen konnte.
Ausblick
Für den BVB steigt in genau einer Woche der Pflichtspiel-Auftakt im Pokal gegen Fürth, im Anschluss kommt RB Leipzig zum 1. Spieltag der neuen Bundesliga-Saison ins Westfalenstadion. Eine ganze Woche Training wird dem Team nun den letzten nötigen Feinschliff geben – bleibt nur zu hoffen, dass sich bis zum 31. August in der Offensive noch etwas tun wird. Dann sieht das für die neue Spielzeit gar nicht mal so schlecht aus.
Statistik
BVB:
Bürki – Piszczek, Akanji, Diallo, Schmelzer (75. Zagadou) – Dahoud (88. Sahin), Delaney (75. Witsel) – Pulisic (79. Sancho), Götze (79. Philipp), Larsen (75. Wolf) – Reus
Lazio:
Strakosha – Wallace (46. Luis Felipe), Acerbi, Radu (85. Bastos) – Marusic (74. Basta), Parolo (88. Anderson), Badelj (74. Cataldi), Durmisi (46. Caceres) – Luis Alberto (74. Correa), Milinkovic-Savic (85. Bruno Jordao) – Immobile (85. F. Caicedo)
Tore: 1:0 Reus (6.)
Zuschauer: 9.650 an der Hafenstraße
Stimmen zum Spiel
Lucien Favre:
… zum Spiel:
„Wir waren defensiv schon besser als gegen Napoli. Es gibt aber noch viel zu tun, das ist ganz normal. In der ersten Halbzeit hatten wir mehr Torchancen als in der zweiten Hälfte – da hat das ein wenig gefehlt. Die Läufe in die Tiefe haben gefehlt, aber insgesamt war das okay.“
… zum Verbesserungsbedarf:
„Manchmal wenn wir den Ball haben, brauchen wir ein wenig mehr Geduld. Es ist unmöglich, immer sofort die richtige Lösung zu finden. Auch in der Defensive müssen wir nicht sofort pressen – das ist unnötig und gefährlich.“
… zu Axel Witsel:
„Ich hoffe, dass er eine wichtige Rolle spielen wird. Er ist ein erfahrener Spieler. Aber natürlich ist er noch nicht bereit. Er hat in den Ferien sein Programm gemacht, aber er braucht ein wenig Zeit.“
… zur Stürmerfrage:
„Ich muss mich adaptieren, das ist ok. Ich beklage mich nicht.“