In Franken Stein ins Rollen gebracht
Dass es schwer werden würde, war jedem klar. Aber dass man gleich zwei Last-Minute-Tore brauchen würde, um die zähen Franken besiegen zu können, war so ganz sicher nicht eingeplant. Lesen Sie nach „Ihr habt den Torwart gewechselt“ von 2012 die Fortsetzung „Warum 5 Minuten?“ Ein Thriller mit Heino Ferch als Manuel Gräfe und Veronica Ferres als Axel Witsels Frisur.
Zugegeben, es fällt gar nicht so leicht, gegen die Stadt Fürth und die ansässige Spielvereinigung so zu pöbeln, wie man es sonst eben so macht bei Auswärtsspielen südlich der Weißwurst-Grenze. Denn wer Tabellenführer der ewigen Zweitligarangliste ist, muss durchaus als Traditionsverein gelten dürfen und durch die Feindschaft mit dem „Glubb“, deren Anhänger wiederum beste Freunde der Blauen sind, würde aufgrund des Leitspruchs „Die Feinde unserer Feinde sind unsere Freunde“ eine gewisse Grundsympathie auf schwatzgelber Seite doch vorhanden sein können. Hinzu kommt ein durchaus hübsches Städtchen, welches zudem einige lokale Schankwirtschaften beherbergt, in denen man vor dem Anpfiff die ein oder andere Gerstensaftkaltschale (Fanzine-Sprech) genießen konnte.
Mir persönlich sind die Kleeblättler jedoch seit ca. sechs, sieben Jahren unsympathisch, als dort Trainer Mike „Ich habe immer eine weinerliche Stimme, auch bei Siegen“ Büskens sowie Gerald Asamoah ihr Unwesen trieben. Umso schöner ist die Erinnerung an den 20.3.2012, als Gündogan in der 120. Minute das 1:0 erzielte und den Einzug in das legendäre 5:2-Finale sicherte, nachdem besagter Büskens mit Fejzic den etatmäßigen Ersatztorwart gebracht hatte, um das vermeintliche Elfmeterschießen zu gewinnen. Noch lächerlicher nur noch die Beschwerden der Fürther wegen der „Ihr habt den Torwart gewechselt“-Gesänge aus der Dortmunder Kabine im Anschluss an das Spiel. Heult doch!
Die Vorzeichen für das heutige Spiel waren jedoch etwas anders. So stehen die Gastgeber schon seit zwei Wochen wieder im Ligenbetrieb, während wir Sinnlos-Testspiele in den USA bestreiten mussten, um die „international brand“ zu stärken oder BVB-Fans zu befriedigen, die den deutschen Fußball lieber in Richtung US-Sport rücken möchten, während sie vor ihrem Sky/DAZN/Amazon/Eurosport-Player sitzen und nebenbei die neuesten taktischen Analysen in Blogs oder Podcasts konsumieren und höchstens mal ins Stadion gehen, wenn „guter und passsicherer Fußball nach der Guardiola-Schule“ anstehen könnte.
Die Spieler der Gastgeber sind größtenteils irgendwelche Durchschnittskicker und nur Stürmer Daniel Keita-Ruel hat so etwas wie eine aufregende Biographie zu bieten: Nach einer Haftstrafe fand er in Wattenschied wieder sein fußballerisches Glück und kam über Fortuna Köln ins Frankenland. Nebenbei modelt er auch noch, nachdem ein Designer Fotos von ihm am Tag seiner Haftentlassung zu Gesicht bekommen hatte. Sachen gibt’s! An dieser Stelle möchten wir schließlich auch Fürth-Trainer Damir Buric unser herzliches Beileid aussprechen. Aufgrund eines familiären Trauerfalls fehlte er an der Seitenlinie und wurde von seinen Co-Trainern Oliver Barth und Petr Ruman vertreten.
BVB-Lieder und Feuerwerk
Kommen wir nun zu unserer Borussia, die im Sinne der Internationalisierungsstrategie bestimmt lieber in Dallas gegen Inter Mailand gespielt hätte, als sich an einem ungeliebten Montagabend für ein Pokalspiel bei einem Zweitligisten herabzulassen, der jedoch rein nominell als 15. der letzten Zweitligasaison die sportliche beste Mannschaft im ersten Lostopf darstellte. Schon Platz 14 der 2. Liga reicht ja nämlich, in den Topf der „großen“ Mannschaften vor der ersten Pokalrunde einsortiert zu werden. Von den Neuzugängen schafften es Diallo, Delaney und Wolf in die Anfangsformation, während Witsel, Hakimi und Hitz auf der Bank Platz nehmen mussten.
Vor dem Spiel nervten die anbiedernden BVB-Lieder von der Stadionregie. Auf so etwas hat man auswärts einfach keine Lust. Dafür ist schließlich der Gästeblock da und so will man von den Offiziellen aus offenbar jegliche Rivalität direkt im Keim ersticken. Kann komplett weg. Wesentlich beeindruckender war da schon die Choreo der Teetrinker aus Fürth, die das gesamte Stadion einspannte und von einem Feuerwerk außerhalb des Stadions entsprechend begleitet wurde. Kann natürlich auch sein, dass Julia ihre WG-Party just um 20.45 Uhr eröffnete und ihre Kommilionen der Japanistik zu sich nach Hause einlud.
Die Geschichte der ersten Hälfte ist relativ schnell erzählt. Beim BVB sah man eine deutliche Struktur im Spielaufbau und Passspiel. Der Stöger-Zufall war nur noch in einigen wenigen Szenen zu beobachten. Richtig zwingend war man jedoch zunächst nicht. Entweder kam man nur in Schusspositionen, von denen man aus mit ganz Fürth im Strafraum Flipper spielte oder der ehemalige Pannen-Torwart Burchert (einfach mal Burchert, HSV und Hertha bei einem bekannten Videoportal im Netz eingeben!) passte gut auf. Die Gegenstöße Fürths waren eher ungefährlich, was vor allem an unseren blitzschnellen Innenverteidigern lag, die jede Gefahr im Keim abliefen. Somit 0:0 zur Halbzeit.
Nach dem Pausentee
Nach dem Pausentee war zunächst Fürth die ersten 15 Minuten besser, ehe wir durch einen Pfostenschuss Pulisic' die beste Chance des Spiels hatten. Nachdem Reus an Burchert gescheitert war, fiel ziemlich aus dem Nichts der Führungstreffer für die Gastgeber durch Ernst. Der BVB-Sturmlauf danach brachte bis auf ein Schüsschen durch Sancho nichts ein und die ersten Abgesänge auf Favre und den Kader wurden bereits mental in die Tasten gehauen. In dieser Phase nervte vor allem der eingewechselte Philipp extrem, der bis auf Hinfallen, Reklamieren und Lamentieren nichts auf die Reihe brachte. So ein Verhalten kann komplett weg!
Als gar nichts mehr ging und selbst Bürki mit nach vorne eilte, versuchte es der BVB in der letzten Minute der Nachspielzeit mit einer kurzen Sinnlos-Ecke, die jedoch zunächst abgewehrt wurde. Daraufhin spielte Bürki (!) den Ball raus auf Reus und der fand in der Mitte tatsächlich noch den eingewechselten Witsel, der volley zum hochverdienten Ausgleich einnetzen konnte und für totale Eskapade im Gästeblock sorgte. Fürth heulte unterdessen aufgrund der langen Nachspielzeit („Schiri, du Arschloch!“) wegen Gräfe, der jedoch nur die Zeit der ständigen Krämpfe der Greuther oben drauf schlug. Die waren schließlich für alle erkennbar platt, sodass die Verlängerung für unsere Jungs eigentlich eine klare Kiste sein sollte. Klarer Fall von „Denkste!“
Denn die beiden größten Chancen der Verlängerung hatten zunächst die Gastgeber, doch Bürki hielt einmal reflexartig gegen Gugganig und dann noch einmal im Eins-gegen-Eins gegen irgendeinen anderen Franken-Troll. Eine wirklich gute Reaktion des Schweizer Nati-Ersatzmannes auf die eher durchschnittliche Saison letztes Jahr. Nach 121 Minuten schließlich die einzige echte Chance des BVB in den 30 Minuten Verlängerung und die Erlösung: Sancho setzte sich auf rechts im Dribbling durch und in der Mitte blieb Reus eiskalt. Jetzt gab es endgültig kein Halten mehr im Gästeblock, war doch dieses Weiterkommen fast noch dramatischer als das oben skizzierte Gündogan-Siegtor 2012. Umso schöner für uns, dass die beiden Tore so spät fielen. Das sind doch schließlich immer noch die schönsten Erfolge. Kantersiege in der ersten Pokalrunde kann schließlich jeder!
Die folgenden zwei Infos wären nach 94 Minuten Spielzeit nicht mehr existent gewesen. Umso schöner, dass sie es doch noch in den Text geschafft haben: Die Auslosung für die zweite Runde könnt ihr kommenden Sonntag ab 18 Uhr in der ARD verfolgen. Die Spiele dieser Etappe auf dem Weg nach Berlin finden dann am Dienstag und Mittwoch in der letzten Oktoberwoche statt.
Daten zum Spiel
Fürth: Burchert – Hilbert, Maloca, Bauer (90. Magyar), Wittek – Gugganig – Ernst, Omladic (46. Mohr) – Atanga (70. Reese), Green (97. Abouchabaka) - Keita-Ruel
BVB: Bürki – Piszczek, Akanji, Diallo, Schmelzer – Dahoud, Delaney (74. Witsel) – Pulisic (80. Sancho), Götze (64. Philipp), Wolf (97. Guerreiro)– Reus
Tore: 1:0 Ernst (77., Rechtsschuss, Vorarbeit Keita-Ruel), 1:1 Witsel (90.+5, Rechtsschuss, Reus), 1:2 Reus (120.+1, Rechtsschuss, Sancho)
SR: Gräfe (Berlin-Zehlendorf, Assistenten: Kleve, Sinn)
Zuschauer: 15.500 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Ernst, Maloca, Abouchabaka - Akanji
Ecken: 5:8
Stimmen zum Spiel aus der BVB-Fanszene
Jakob S. aus E.: „Dieses Spiel war Werbung für Montagsspiele! Die finde ich als Familienvater gar nicht so schlimm. Ich wünsche mir zudem für die Bundesliga auch Verlängerung und Elfmeterschießen und Play-Offs.“
Michael Z. Aus D.: „Ich bin froh, dass wir mit Origi und Morata heute spürbar unsere Durchschlagskraft im Sturm erhöht haben. Nur wer war der Typ mit dem krausen Haar? Das deutliche 2:1 verspricht ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen an der Spitze der Bundesliga. Es ist ein großer Erfolg, eine Runde weiter zu sein als der amtierende Pokalsieger.“
Nochmal Jakob S. aus E.: „Der Ungar Bajner Ronhof (ehem. DFB) ist Namensgeber für das Fürther Stadion. Er war Lokführer der ersten deutschen Eisenbahn von Fürth nach Nürnberg. Mor lok geht kaum.“
Damit ihr möglichst wenig Mühe und Zeit aufwenden müsst, diesen Artikel auf den üblichen Kanälen zu kommentieren, haben wir auch heute wieder die beliebtesten Power-Antworten zu diesem Artikel für euch mundgerecht aufbereitet:
„Gegen Amateure wieder die große Fresse haben, aber gegen RB Leipzig baden gehen. Typisch!“
„Warum kann snej nicht wenigstens mal wieder die Spielberichte schreiben?“
„Dann bleibt doch zuhause! Euch Besserfans wird sowieso keiner vermissen.“
„Ein Spiel direkt vor der Haustür. Ich wäre so gerne hingefahren, aber Tickets gab es mal wieder nicht. Was bleibt einem denn anderes übrig als Sky/DAZN/Amazon/Eurosport-Player?“
„Wenn Aki jetzt nicht endlich die Kasse öffnet, wird das eine schlimme Saison. Geld darf kein Tabu sein, schon gegen Wolfsburg wird das nicht mehr reichen!“
„Ich als arbeitsloser Familienvater mit ADK finde Montagsspiele gut.“
„Diese Wortwitsel vom Autor gehen mir langsam auf den Sack.“
Snej: „Montags könnte ich kotzen.“