Auf der Suche nach einem Lieblingsverein
Am 20. April 2018 lesen die „Wochenendrebellen“ in Dortmund aus ihrem Buch vor und berichten über ihre Abenteuer auf der Suche nach einem Lieblingsverein.
Wie wird man eigentlich Fußballfan? Die meisten von uns haben wohl ähnliche Geschichten zu erzählen: Irgendwer aus der Familie oder dem Freundeskreis hat uns mit ins Stadion genommen und dann war es auch schon passiert, wir waren Fans. Keiner hat sich wohl vorher groß Gedanken gemacht, was den perfekten Verein ausmacht. Und seien wir ehrlich, unsere Auswahl war ziemlich zufällig. Manchmal auch bestimmt durch einen großen Erfolg unseres Vereins, aber das würden wir selbstverständlich erst beim dritten Bier zugeben.
Jason, der das Asperger-Syndrom hat, geht die Sache anders an. Als er mit fünf von seinem Opa und seinem Vater das erste Mal ins Stadion mitgenommen wurde, wollte er auch Fan sein. Für ihn war klar, dass er die Entscheidung über seinen zukünftigen Lieblingsverein nicht einfach so treffen konnte. Vorher musste er alle Vereine anschauen und sich damit eine logische Grundlage schaffen. Sein Vater Mirco versprach, mit ihm so lange herumzufahren, bis Jason seinen Verein gefunden habe. Die Konsequenzen, die dieses Versprechen hatte, waren ihm damals wohl nicht im vollen Ausmaß bewusst. Zum Glück für den Leser. Denn beide waren mittlerweile in über fünfzig Stadien zu Besuch, haben viele abenteuerliche Dinge erlebt und berichten darüber in ihrem lesenswerten Buch „Wir Wochenendrebellen“.
Schon in ihrem Blog „Wochenendrebell“, der mittlerweile mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde, haben sie über ihre Fahrten von Aue bis Aalen geschrieben und damit unter Twitterern ein Wetteifern ausgelöst, wie man Jason vom eigenen Verein am besten überzeugen könnte. Das ist aber gar nicht so leicht, denn Jason hat seine besondere Sicht der Dinge und verfolgt streng seine Regeln. Ihm fällt auf, ob die Viererabwehrreihe Schuhe in einer identischen Farbe trägt, dass man in Stuttgart von der Toilette das Spiel perfekt verfolgen kann oder dass die Rückennummern eine bestimmte Quersumme ergeben. Spielerkreise, die Berührungen mit sich bringen, und Maskottchen schließen für ihn einen Verein jedoch als Lieblingsverein aus, während die idyllische Lage eines Stadions und eine ungewöhnliche Anzeigetafel Pluspunkte bringen.
Wie schon bei dem Blog fiebert man als BVB-Fan auch bei dem Buch mit, ob Jason nicht doch was Positives zur Borussia sagt und freut sich, wenn er bei „steht auf, wenn ihr Schalker seid“ im Stadion sitzen bleibt – schließlich ist er ja keiner. Dass er letztlich mit dem Satz „mein Herz ist mitgehüpft, als alle gehüpft sind“ nicht seine Liebe zum Ballspielverein ausdrücken wollte, sondern schlicht und ergreifend die durch das kollektive Hüpfen auf der Süd entstandenen Schwingungen meinte, ist am Ende aber nicht entscheidend. Und das liegt daran, dass dieses Buch weit mehr ist als ein Fußballbuch. Es zeigt auf humorvolle und sehr liebevolle Art und Weise, wie Jason und seine Familie mit seinem Asperger-Syndrom umgehen. So führen die Regeln, die Jason aufgestellt hat und die ihm enorm wichtig sind, zu schwierigen Situationen, da sie oft schwerer einzuhalten sind als man zunächst meinen mag. Nach einer Regel dürfen sich zum Beispiel Bestandteile eines Essens wie Nudeln und Soße nicht berühren. Passiert dies doch, wie bei einer Fahrt in einem ICE, als der Schaffner die Soße über das Essen kippte, so eskaliert die Situation und Mirco muss versuchen, seinen schreienden Sohn unter den Blicken der anderen mit Unverständnis reagierenden Zugpassagiere zu beruhigen.