Neues von der Borussia-WG: Die Taurin-Verschwörung
Emre kann es nicht erwarten. Er zählt bis drei und drückt die Klinke herunter. Er tritt ein, dicht gefolgt von Mannschaftskapitän Schmelle und einem halben Dutzend Teamkameraden. Ihnen bietet sich ein ungewöhnlicher Anblick. Der Torwart steht auf dem rechten Fuß, den linken hat er an den Oberschenkel gestellt. Seine Hände bilden hoch über seinem Kopf ein Dreieck. „Was machst Du denn da?“, fragt Schmelle, der als erster die Fassung wiedererlangt, während die Mitbewohner noch mit offenen Mündern und aufgerissenen Augen schweigen.
„Yoga“, antwortet der Torwart ganz ruhig. Er löst den Fuß vom Oberschenkel und senkt die Arme, hält die Hände vor der Brust und öffnet die Augen. „Namaste“, sagt er und schaut seine Mitbewohner mit friedlichem Blick an: „Guten Morgen, ihr Lieben“, säuselt er.
Schmelle schaut ihn verständnisvoll an: „Du, kann ich total gut verstehen, dass Du Dich jetzt, wo unser Almdudler wieder aus dem Krankenhaus zurück ist, eher auf Sportarten zurückziehst, die nicht so bewegungsintensiv sind. Sieht echt fies aus, wie Du Dich jetzt morgens aus dem Bett quälst.“
Sofort wird Roman ganz fuchsig: „Was soll das denn heißen? Ich bin immer noch so spritzig wie früher.“ Noch während Roman spricht, schleicht sich Marco von hinten an, grinst fies und lässt einen Schein fallen: „Guck mal, Roman. Da liegen zehn Euro.“
„Wo? Die schnapp ich mir.“ Gesagt, getan. Langsam geht Roman in die Knie, einen Arm in den Rücken gestemmt. „Seht Ihr, ich bin immer noch schnell am Boden!“
„Ja, schnell im Vergleich zur Kontinentaldrift“, giggelt Schmelle.
Mühsam können Marco und Manni ihren Roman davon abhalten, den Käpt‘n anzuspringen. Der wiederum hebt plötzlich den Finger an den Mund. „Pssssssssst... seid mal still.“
Die drei halten inne. „Hört Ihr das auch? Das kommt doch aus Papas Zimmer.“ Gespannt lauscht die Truppe. Ohne Zweifel, aus dem Zimmer dringt klar und deutlich ein
„Baaaaaaaaaaaaaaaaallspielverein, Borussia Dortmund schon seit Neunzehnhundertneun.“
Klar, dass Schmelle, Roman, Marco und Manni das genauer erkunden wollen und neugierig die Zimmertür öffnen. Was sie dort sehen, verschlägt ihnen glatt die Sprache. Papa steht singend in der Mitte des Raumes und schnippst im Takt mit den Fingern.
„Papa... was ist mit Dir?“ flüstert Manni ungläubig. Und zu den anderen: „So außer Rand und Band hab ihn ja noch nie gesehen.“
„...bei jedem Spiel von dir, da werde ich sein.“
„Ha, Marco – das würde ich auch mal gerne von Dir hören“, feixt Schmelle.
„..soooooooo soll es sein.“
Plötzlich zeigt Roman auf den Boden. „Da, seht nur. Vielleicht hat die Tasse etwas mit seinem Verhalten zu tun.“ Und tatsächlich. In der Ecke liegt eine Tasse auf dem Boden. Der rote Inhalt ist über den ganzen Teppich verteilt. Manni drängelt sich vor: „Lasst mich mal, ich gucke regelmäßig CSI und weiß, was zu tun ist.“
Er geht in die Hocke, fährt mit einem Finger durch die Pfütze und prüft dann vorsichtig mit der Zungenspitze. „Hmmm.... Früchtetee... aber das ist noch etwas anderes... etwas Eigenartiges. Ich schmecke... Taurin. Jemand hat unserem Papa Taurin in seinen Tee gekippt.“
Mario und Marco holen tief Luft. „Was machen wir jetzt mit ihm, Schmelle? Sollen wir nicht Doktor Müller-Wollhaar rufen?“ Der Kapitän überlegt hin und her. Er kommt zu dem Entschluss, dass es dafür noch zu früh sei. Ein erneuter Krankenschein vor dem Spiel am Wochenende wäre gar nicht gut. „Passt auf, Ihr beiden bleibt bei Papa und versucht, ihn zu beruhigen. Schnallt seine Finger am Bett fest, falls nötig, damit er sich mit dem Schnippsen nicht selbst verletzt. Manni und ich treffen uns mit Jule und Emre am IKEA. Der Trainer hat gesagt, dass wir ganz spontan noch ein weiteres Kinderzimmer brauchen. Wir kriegen Zuwachs in der WG.“
Bei IKEA angekommen bemerken sie erstaunt eine Menschentraube vor dem Eingang.
„Was ist denn hier los?“, fragt ein verdutzter Manni. „Keine Ahnung, schauen wir uns das mal an.“ Nachdem sie ein paar ältere Damen weggerätscht und das ein oder andere Kind mit gekonntem Ellenbogeneinsatz aus dem Verkehr gezogen haben, stehen sie mit offenen Mündern vor der Drehtür. Sie können kaum glauben, was sie dort sehen.
„HUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII.“
Wie von Sinnen schieben Jule und Emre die Drehtür mit einem Affenzahn im Kreis. Rasch drückt Manni sein Kinn zwischen Tür und Rahmen und keilt sie so fest, damit Schmelle zu den beiden Mitbewohnern gelangen kann.
„Jetzt beruhigt Euch mal. Was ist denn in Euch gefahren?“ will der Teamleader wissen. „Wissen… auch… nicht… müssen… rennen… immer… weiter…“, keucht ein sichtlich erschöpfter Jule, während Emre versucht, durch Schmelles Beine hindurch ins Bällebad zu entwischen. Aber natürlich ist kein Vorbeikommen. „Schluss jetzt, Ihr beiden. Wir brauchen Euch für eine ganz wichtige Aufgabe. Der Alex zieht neu bei uns ein und wir brauchen unbedingt noch ein Kinderzimmer für ihn.“
Mit sanfter Gewalt ziehen die beiden erfahrenen Spieler ihre Kleinen zu den Kinderzimmern. Emre ist sofort vom Etagenbett Tuffing begeistert und rennt darauf zu. „Komm, Jule. Du oben, ich unten“. Manni und Schmelle beäugen die Szene kritisch. „Meinst Du echt, dass das so geht?“ Manni guckt zweifelnd zu Schmelle. „Jule hängt jetzt schon mit den Beinen drüber und Alex ist noch drei Zentimeter größer.“
Der erwidert nur: „Fragen wir ihn doch einfach.“ Und Richtung Bett: „Hey, Jule. Wie schaut‘s aus? Kannst Du so liegen oder nicht?“ Keine Antwort. „Jule, ich hab Dich was gefragt“, diesmal etwas lauter. Erneut nur Stille. Das heißt, ganz still ist es nicht. Man hört ein flaches, ruhiges Atmen. Manni stößt ihn leicht in die Seite: „Wie süß, die beiden Racker sind eingeschlafen. Das Rumgerenne muss sie total erschöpft haben. Ich decke sie mal zu.“
Manni schnappt sich die Kuscheldecke aus dem Grabbeltisch daneben, legt sie über Emre, beugt sich über ihn… und hält inne.
„Was hast Du, Manni? Ist irgendwas mit Emre?“ Manni schaut ihn an: „Sein Atmen.“ Pause. „Taurin. Eindeutig. Auch die beiden hat’s erwischt.“
Zwei Tage später in der WG. Große Willkommensparty für den neuen Mitbewohner Alexander.
Als besondere Überraschung hat der Trainer extra eine Bullriding-Anlage gemietet, mit der alle viel Spaß haben. Alle? Nicht ganz. Mario hüpft wie wild herum und brüllt: „Ich will auch mal rauf, ich will auch mal rauf.“ Sofort schiebt der Trainer ihn wieder zurück mit den Worten: „Nein, Mario. Du stellst Dich erstmal hinten an und wartest, bis die anderen dran sind.“
Natürlich große Enttäuschung bei Mario: „Menno, immer muss ich draußen warten und zugucken. Und der Gonzo, der darf immer.“
Tatsächlich. Wieder und wieder klettert Gonzo auf den Rücken des mechanischen Bullen, fällt sofort herunter und klettert hektisch wieder hoch. Alles unter den kritischen Augen von Manni, dem sofort eine Ausbeulung in der Jacke auffällt. „Da stimmt doch was nicht.“
„Du, Gonzo, komm mal her und zeig mal, was Du da in der Jacke hast.“ Sofort kommt der Herbeigerufene angeflitzt und zieht eine schmale, hochgezogene Dose ohne Aufdruck aus seiner Kleidung. Manni schnappt sich die Dose und schnüffelt daran. „Hey, Schmelle. Komm mal rüber. Der nächste Fall. Hier war wieder Taurin drin.“
Sofort kommt der Käpt‘n angerauscht und befragt Gonzo, wo er diese Dose her habe. „Die hat mir letztens ein Mann geschenkt. Der hat gesagt, dass das was zum trinken ist und mich gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz doll wach macht.“
Sofort werden die beiden Spürnasen hellhörig. „Was für ein Mann? Wie sah er aus? Und wo hast Du ihn getroffen?“
„Na, letztens kam der nach dem Training nach Brackel und… DAAAAAAAAAAAAAAAAAA! Das ist er.“
Gonzo zeigt auf den Fernseher, auf dem gerade Sky Sport News HD in Dauerschleife läuft.
„…steigende Beliebtheitswerte und immer größere Akzeptanz. Wir werden bald ein ähnlich attraktiver Verein wie Bayern oder Dort…“
Manni kneift die Augen zusammen. „Das ist Erzschurke Ralf. Erst hat er in Österreich versucht, den Leuten den Fußball zu klauen, jetzt ist er bei uns. Anscheinend wollte er uns vergiften. Wir müssen was unternehmen.“
Schmelle:
„Ruf die Jungs zusammen, Manni. Den machen wir jetzt fertig...“