Katar 2022 und der Aufstand eines Anständigen
DFB-Präsident Reinhard Grindel erwägt einen Boykott der WM 2022 in Katar. Was auf den ersten Blick erfreulich klingt, ist in Wahrheit nur ein Taschenspielertrick eines Opportunisten.
Die Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 in Katar ist schon lange ein Skandal. Man könnte damit anfangen, über klimatische Bedingungen oder mangelnde Fußballtradition in dem Land zu diskutieren – die Motive für die Weltmeisterschaft haben ohnehin nichts mit Fußballkultur zu tun, sondern allein mit politisch-wirtschaftlichen Plänen der Kataris. Dass sich Katar aller Wahrscheinlichkeit nach die Weltmeisterschaft gekauft hat – da kann Deutschland nach den Enthüllungen rund um die WM 2006 auch nicht den Mund aufmachen. Die größte Empörung haben bislang zurecht die zahlreichen Verletzungen von Menschenrechten in Katar hervorgerufen. Beim Bau der WM-Stadien sind hunderte Gastarbeiter ums Leben gekommen – die Menschen werden wie Sklaven gehalten und ausgebeutet (Bericht Amnesty Internationals zur WM in Katar). Zudem müssen homosexuelle Fans oder Spieler mit Verfolgungen rechnen. Und auch sonst sind Bürger- und Menschenrechte in Katar wenig gefragt.
Grindel schließt sich Saudi-Arabien an
All dies reichte für den DFB nicht aus, um einen Boykott zu erwägen. Doch der mutige Aufschrei des Terrorfinanziers Saudi-Arabien, der sämtliche Beziehungen zu Katar wegen dessen Terrorfinanzierung (genauer gesagt wegen dessen guten Beziehungen zum Erzfeind der Saudis, Iran) abgebrochen hat, weckte auch den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel aus dem Dornröschenschlaf: Man müsse zwar politischen Lösungen den Vorrang vor Boykottdrohungen geben, aber: „Ganz grundsätzlich sollte sich die Fußballgemeinschaft weltweit darauf verständigen, dass große Turniere nicht in Ländern gespielt werden können, die aktiv den Terror unterstützen.“ (Grindel im hausinternen Interview) Grindel probt ein Stück mit dem Titel „Aufstand eines Anständigen“.
To be fair: Die WM in Katar stößt beim DFB schon länger auf Skepsis. Der damalige DFB-Präsident Zwanziger hatte sich noch 2011 für eine Verlegung des Austragungsorts ausgesprochen. Und den Herren des DFB darf man bei aller Kritik an ihnen durchaus zutrauen, dass ihnen die Menschenrechtsverletzungen in Katar eher unangenehm sind. Doch Grindels Vorstoß ist nichts anderes als ein politischer Taschenspielertrick, der sich die politische Entwicklung auf der arabischen Halbinsel zu Nutze macht. Denn neben Saudi-Arabien haben zahlreiche Verbündete Riads die Beziehungen zu Katar aufgekündigt (der FC Bayern München, der bekanntlich zu beiden Staaten freundschaftliche Beziehungen unterhält, bleibt nach unseren Informationen vorerst neutral). Wenn sich Grindel nun die Begründung der Saudis zu eigen macht, dann gewinnt er in der Region eher noch Freunde, als dass er sie verliert. Und in der deutschen Bevölkerung macht er sich natürlich auch beliebt – Antiterrorkampf geht schließlich immer. Sich aber erst dann für das Richtige einzusetzen, wenn es politisch opportun erscheint, ist nichts Anderes als Opportunismus.
Keine Kritik an Russland
Vom anständigen Grindel gibt's hierzu nur die allzu bekannten Lippenbekenntnisse: Er werde das Thema Menschenrechte in den Gremien ansprechen. Eine klare Haltung ist wohl noch immer nicht opportun.