Gemeinsam gegen die Spalter
Donald Trump hat in den wenigen Monaten seiner Amtszeit schon so manchen Tumult verursacht, jetzt hat es auch den US-Sport erwischt. Vor dem Hintergrund des AfD-Erfolgs bei der Bundestagswahl am vergangenen Wochenende lohnt es sich, diese Konfrontation einmal näher in den Blick zu nehmen. Bereits seit 2016 protestieren viele Spieler der National Football League gegen den Rassismus in den USA. Den Anfang machte der Quarterback der Francisco 49ers, Colin Kaepernick, der zunächst während der Nationalhymne, die vor jedem Football-Spiel gesungen wird, sitzen blieb bzw. später niederkniete. Er begründete dies wie folgt:
"I am not going to stand up to show pride in a flag for a country that oppresses black people and people of color," Kaepernick told NFL Media in an exclusive interview after the game. "To me, this is bigger than football and it would be selfish on my part to look the other way. There are bodies in the street and people getting paid leave and getting away with murder." (Link)
Vor allem konservative Kommentatoren warfen Kaepernick vor, mit seinem Protest Fahne und Hymne zu entehren. Bezeichnenderweise fand der Quarterback für die gegenwärtige Saison keinen neuen Verein.
Dem Protest schlossen sich bald weitere Spieler an. Teilweise wählten sie dabei andere Protestformen wie die hochgestreckte Faust, ein Zeichen der Black-Power-Bewegung. Manche Teams schlossen sich den Demonstrationen an, beschränkten sich jedoch darauf, mit eingehakten Armen zusammenzustehen, was als weniger provozierend wahrgenommen wurde. Nachdem die Proteste zum Saisonende 2016 abgenommen hatten, wurden sie nach dem rechtsextremistischen Attentat von Charlottesville, bei dem eine junge Frau getötet wurde, zum Beginn der laufenden Saison wieder aufgenommen. Erstmals kniete nun mit dem Tight End Seth DeValve auch ein weißer Spieler.
Donald Trump, der sich bereits im Wahlkampf als Rassist und Nationalist erwies, hatte den gebürtigen Amerikaner Kaepernick aufgefordert, aus den USA auszuwandern und damit einmal mehr bewiesen, dass er die Minderheiten in den USA nicht als Amerikaner akzeptiert. Während er bei einer Demonstration von Nazis, die antisemitische Parolen skandierten, „fine people“ ausmachte, spricht er Protesten von Minderheiten regelmäßig die Legitimation ab. Riefen seine Äußerungen als Präsidentschaftskandidat noch verhältnismäßig wenige Reaktionen hervor, war dies ganz anders, als er vor wenigen Tagen während einer Wahlkampfveranstaltung – die er auch als Präsident fortsetzt – die Besitzer der NFL-Teams aufforderte, protestierende Spieler, die er „son of a bitch“ nannte, zu feuern.
Unter den Spielern der NFL lösten die Worte große Empörung und zugleich Solidarität mit ihren Mitspielern aus. Am vergangenen Wochenende sah man weit mehr als hundert Spieler demonstrieren, die Dallas Cowboys knieten geschlossen, die Pittsburgh Steelers blieben während der Hymne gleich gemeinsam in der Kabine. Auch wenn das ursprüngliche Motiv Kaepernicks, der Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt, bei diesen Demonstrationen in den Hintergrund rückten und es abzuwarten bleibt, ob sie in den kommenden Wochen fortgesetzt werden, waren sie doch ein klares Statement gegen die spalterische Politik des Präsidenten und ein Bekenntnis für die Meinungsfreiheit.
Trump wäre nicht Trump, wenn er es bei einer Front belassen würde, und so legte er sich auch mit den US-Basketballern an. Es gehört zu den alljährlichen Zeremonien, dass der NBA-Meister ins Weiße Haus eingeladen wird, und dies galt auch für den aktuellen Titelträger, die Golden State Warriors. Deren Point Guard Stephen Curry hatte die Einladung jedoch zurückgewiesen:
„Wir stehen nicht für die Dinge, die er gesagt hat, und die Dinge, die er im entscheidenden Augenblick eben nicht gesagt hat. Eine Absage kann hoffentlich dazu beitragen, dass sich bezüglich der Frage, was wir in diesem Land tolerieren und akzeptieren und was wir ignorieren, etwas ändert.“ (Link)
Da Trump eine solche Zurückweisung nicht auf sich sitzen lassen kann, lud er nun seinerseits Curry aus:
Going to the White House is considered a great honor for a championship team.Stephen Curry is hesitating,therefore invitation is withdrawn!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 23. September 2017
Das wiederum rief einen anderen Superstar der NBA auf den Plan, LeBron James, der in den zurückliegenden Finals mit den Cleveland Cavaliers noch Stephen Curry unterlegen war. Mit unmissverständlicher Sprache attackierte er ebenfalls via Twitter den Präsidenten und sein Tweet ist mittlerweile einer der erfolgreichsten in der Geschichte des Social-Media-Dienstes:
U bum @StephenCurry30 already said he ain't going! So therefore ain't no invite. Going to White House was a great honor until you showed up!
— LeBron James (@KingJames) 23. September 2017
Später präzisierte der Basketballer, der bereits während des Wahlkampfes für Hillary Clinton eingetreten war, seine Aussage in einem privaten Video:
"It’s not about dividing. We as American people need to come together even stronger.” — @KingJames responds to @realDonaldTrump’s comments. pic.twitter.com/UHpzXpb42K
— UNINTERRUPTED (@uninterrupted) 23. September 2017
Ebenso auf einer Pressekonferenz:
LeBron James wirft Trump insbesondere vor, das Land zu spalten und setzt dies explizit in den Kontext der Gewalt von Charlottesville. Sein Protest richtet sich gegen die rassistische Politik des Präsidenten, die sich eben auch darin zeigt, dass die von ihm angegriffenen Sportler durchgängig schwarzer Hautfarbe sind. James hebt aber auch die verbindende Kraft des Sports hervor, der die Menschen zusammenbringen kann, wie nur wenige gesellschaftliche Ereignisse. Und sowohl James als auch Curry betonen ausdrücklich, dass sie die Plattform, die ihnen ihr Sport und ihre Popularität bietet, nutzen wollen, um einen Unterschied zu machen und die Gesellschaft zusammenzubringen.
Sport ist immer politisch, aber manchmal wird das Politische des Sports im besonderen Maße deutlich. Die USA sind in einer ihrer schwersten politischen Krisen seit dem Bürgerkrieg 1861-1865 mit einem Präsidenten, der nicht nur vollkommen unfähig ist, den Anforderungen des Amtes gerecht zu werden, sondern der auch mit einer von Hass getriebenen politischen Agenda das Land tiefer und tiefer spaltet. In Deutschland sind wir von einer solchen Krise trotz des Wahlerfolgs der rechtsextremen AfD noch weit entfernt und doch würde es dem deutschen Sport gut zu Gesicht stehen, sich etwas vom amerikanischen Sport abzuschauen.
Denn die AfD betreibt ganz ähnlich wie Trump eine spalterische Politik, die Minderheiten attackiert und Hass säht. Dabei wird auch der Sport nicht ausgenommen. 2016 provozierte Partei-Vize Alexander Gauland mit der Aussage: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“; die Hilflosigkeit der Medien im Umgang mit solchen Provokationen zeigt sich auch darin, dass die FAZ die Nachbarn Boatengs befragte, ob er ein guter Nachbar sei – als ob die Aussage weniger rassistisch gewesen wäre, wenn Boateng mit lauten Partys seine Nachbarn verärgern würde. Zudem nannte er die deutsche Nationalmannschaft „nicht mehr deutsch […] im klassischen Sinne“ und kritisierte den gläubigen Muslim Mesut Özil für seine Pilgerfahrt nach Mekka. Natürlich kritisieren AfD-Politiker auch gerne Nationalspieler dafür, die Hymne nicht zu singen.
Es ist absehbar, dass weitere Attacken auf Spieler mit Migrationshintergrund folgen werden. Zugleich sind sie allerdings auch nur ein kleiner Auszug aus der rassistischen Politik der AfD. Erst wenige Wochen vor der Bundestagswahl hat Gauland angekündigt, die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoğuz (SPD), in „Anatolien zu entsorgen“ – eine Steigerung zu Trumps Aufforderung, Kaepernick solle das Land verlassen. Dass eine solche Sprache selbst bei einer türkischen Staatsangehörigen mehr als unangebracht wäre, ist klar. Özoğuz hingegen ist 1967 in Hamburg geboren und deutsche Staatsbürgerin. Wie wohl der in Lüdenscheid geborene Nuri Sahin eine solche Äußerung aufnimmt? Oder die Gelsenkirchener Ilkay Gündogan und Mesut Özil? Oder der in Köln geborene Salih Özcan? Oder der in Herten geborene Kerem Demirbay? Oder, oder, oder?
Eine klare Haltung gegen die AfD ist also auch eine Frage der Solidarität mit den eigenen Mannschaftskollegen. Es geht hierbei nicht um Parteipolitik, die innerhalb des Sports tatsächlich vermieden werden sollte. Es sollte vollkommen egal sein, ob jemand die CDU oder die SPD wählt, die Grünen oder die Liberalen. Es kann uns aber nicht egal sein, wenn eine Partei die Gesellschaft spalten will, wenn eine Partei einen Teil unserer Bevölkerung entsorgen will. Bei all den Problemen, die wir in Deutschland fraglos haben, kann man nicht über den Fakt hinwegsehen, dass es uns in der Bundesrepublik in der Summe weit besser geht, als den meisten Menschen in anderen Ländern. Dies gegen den Angriff von Rechtsextremisten zu verteidigen, ist eine Aufgabe, die uns alle betrifft, und die verbindende Kraft des Sports kann hierbei helfen. Wir Fans sind von dieser Aufgabe nicht befreit. Am Montag skandierten die Fans von Union Berlin „Scheiß AfD“ – und dies darf gerne in anderen Kurven und auch auf der Süd Schule machen. Aber wie Stephen Curry und LeBron James richtig erkannt haben: Es sind die Spieler, die die wahre Plattform haben, die in der Lage sind, sich Gehör zu verschaffen. Politisch mündige Spieler sind in Deutschland selten geworden, auch das eine Folge der langjährigen Sorglosigkeit. Es ist Zeit, dies zu ändern.