Unsa Senf

Spaß am Fußball - ausgerottet?

04.04.2017, 14:52 Uhr von:  Michi
Spaß am Fußball - ausgerottet?

Dass ich sie schon länger nicht mehr im Stadion gesehen habe, macht mich nachdenklich. Zumal sie mich früher jedes Spiel begleitet und schon Tage vorher meinen Alltag bestimmt sowie verschönert hat. In der letzten Zeit gehen meine Freunde und ich immer häufiger allein zum Fußball. Und auch ihnen fehlt sie sehr. Das letzte Mal gesehen habe ich sie beim Spiel in Freiburg. Beim Torjubel hatte ich sie plötzlich entdeckt. Schüchtern stand sie vor dem Block, bis sie sich unerwartet in die Menge stürzte und laut schreiend in selbiger unterging. Ungehalten sprang sie zwischen den anderen Fans umher und riss ausnahmslos jeden mit sich. Ich lachte lauthals los, so froh war ich, sie wieder bei mir zu haben. Doch dieses Spiel sollte auf unbestimmte Zeit das Letzte dieser Art sein.

Heimspiele im Westfalenstadion verlieren immer mehr an Reiz

„Sag mal, Kleines...” Besorgt streiche ich ihr über die Wange. „Ich habe dich in letzter Zeit im Stadion sehr vermisst. Komm' doch heute mal wieder mit!” Ihre Augen werden groß, die Stimme leise. „Lieber...lieber nicht.” Sie senkt den Blick und das Lächeln in ihrem Gesicht weicht großer Unsicherheit. Doch schon als ich nach dem Warum frage, sprudelt es aus ihr heraus:„Ganz genau kann ich es eigentlich nicht sagen. Ich denke, es sind verschiedene Faktoren, die das Fass langsam aber sicher zum Überlaufen gebracht haben und bringen. Zum einen gibt es immer weniger Spieler, die sich mit dem Verein identifizieren - wie soll ich auf der Tribüne alles für meinen Verein geben, wenn ich nicht sicher sein kann, dass die auf dem Rasen es mir gleich tun? Ich sehe da keinen Bezug mehr, vorbei sind die Zeiten der Nähe. Die Stimmung leidet genauso. Wem dafür die Schuld gegeben werden sollte, lässt sich streiten und darauf finde ich auch nicht die richtige Antwort. Die Personen neben mir kenne ich schon lange nicht mehr und ich habe das Gefühl, sie wollen mich auch nicht kennen. Wie kann es denn sein, dass ich schief angeguckt werde, wenn ich ein angestimmtes Lied mitgröle? Und auch bei Auswärtsspielen kann ich kaum noch selbst entscheiden, wohin ich meinen Fuß setze. Ich werde übersät mit Vorschriften und Einschränkungen, sodass sich die Tätigkeiten, die mir erlaubt sind, an einem Finger abzählen lassen. Vereine, die aus dem Nichts die Liga verwüsten und für die man wirklich ungern an einem Samstag um 5 Uhr aufsteht, tragen sicherlich auch zu diesem Fußball-Burnout bei. Aber selbst wenn der Gegner der meist Gehasste ist, gleicht die Stimmung der auf einer Abschiedsfeier. Das finde ich mehr als bedenklich und dann bleibe ich auch lieber Zuhause. Wenn ich selbst meinen größten Feind nicht mehr mit allem an Emotionen hassen kann und ihm das auch nicht mehr durch Pöbeleien aller Art zeige, dann weiß ich nicht, auf welches Spiel ich mich noch freuen soll. Häufig höre ich "Dann gib mir die Karte, ich würde mich freuen!" Dass ich ernsthaft darüber nachgedacht habe, macht mir Angst. Mein Verein wird mittlerweile in China und Pussemuckel vermarktet, die Fans hier vor Ort, die den Verein nicht erst seit gestern unterstützen, spielen keine Rolle mehr? Ach, was red' ich. Die Liste ist lang und sie wird länger. Mir fällt so viel ein, was mir meine Lust am Fußball nimmt. Ich liebe meinen Verein und meinen Fußball, aber nicht das, was aus ihm geworden ist.”

Spaß im Stadion muss wiederkehren

Diese Unterhaltung fand nie mit einem menschlichen Gegenüber statt. Es war ein Gespräch mit mir selbst und meiner Gefühlswelt und eine Suche nach der richtigen Antwort. Warum gehe ich nicht mehr so gerne zum Fußball wie früher? Warum fiebere ich kaum einem Spiel mehr so entgegen? Dass ich mit diesem Gedanken nicht allein bin, merke ich immer häufiger und es stimmt mich wirklich traurig. Ich kann nur an diejenigen, die für einen Teil der Gründe verantwortlich sind, immer und immer wieder appellieren: Football without fans is nothing! Übertreibt es nicht.

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