Aufstand bitte ohne mich
Hallo, hier spricht ein Anständiger. Kein sogenannter, keiner mit Anführungsstrichen, sondern ein amtlicher. Zumindest weist mein polizeiliches Führungszeugnis maximal ein paar obligatorische Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens aus. Obwohl ich bereits seit vielen, vielen Jahren zum Fußball gehe.
Jetzt werde ich also zum Aufstand aufgefordert. Sozusagen zu den Waffen gerufen. Und bevor ich jetzt den Aufstand probe, mache ich erst einmal eins: ich setze mich hin und atme tief durch. Das mach ich immer, wenn mir jemand sagt, dass ich mich von Gewalt bitte distanzieren soll, weil ich zum Fußball gehe und es dort zu Gewalt kommt. Komischerweise hat man mich noch nie jemand vorm Wochenendeinkauf beim Aldi dazu angehalten, mich von Ladendiebstahl zu distanzieren. Für mich gibt es wenig sinnfreiere Worthülsen als dieses "Jetzt distanziert Euch doch mal von..." Was bringt das, außer das ich mir selbstgefällig auf die Schulter klopfen kann, weil ich mich staatstragend von Gewalt distanziert habe?
Und warum sollte ich das überhaupt? Mein letztes Mal, das ich Gewalt ausgeübt habe, war eine dieser obligatorischen Schulhofraufereien unter Jungs in der Grundschule. Seitdem habe ich keiner Fliege was zu leide getan. Ebensowenig habe ich irgendwann mal Gewalt legitimiert. Also zumindest nicht beim Fußball. Grundsätzlich glaube ich schon, dass es Konflikte gibt, die als äußerstes Mittel Gewalt notwendig machen - aber doch nicht bei so etwas Banalem wie bei einem Fußballspiel. Ich übe sie nicht aus, ich habe mich noch nie positiv dazu geäußert. Warum soll ich mich also von etwas distanzieren, zu dem ich mich niemals dazu gestellt habe? Nur damit wir uns alle gegenseitig auf die Schulter klopfen und versichern können, was für tolle, beziehungsweise pazifistische Hechte wir doch sind?
Auch wenns nicht gefällt, aber ich werde das Plakate-gegen-Gewalt malen ausfallen lassen. Weil es für mich keinen Sinn ergibt. Jemand, der eine Glasflasche in Richtung einer Menschengruppe wirft, der ist gerade entweder so am austicken, dass er sich an meine Worte nicht erinnern wird, oder er findet es ziemlich normal, anderen Menschen schwere Verletzungen zuzufügen. Da hilft so ein Plakat nur, wenn es mit beiden Händen kräftig Richtung Hinterkopf geschwungen wird. Ich mache in so einer Situation was ganz einfaches: ich gehe zwei Schritte zurück und lasse die Cops ihre Arbeit machen. Das ist ihr Job und wenn sie den ordentlich erledigen, dann ist das alle Mal effektiver, als wenn ich vom aufständigen Eifer erfüllt "Halt, keine Gewalt!" rufe.
Ok, passt jetzt vielleicht nicht so ganz zu dem, was sich so mancher Berufsempörte von mir erwartet. Der spinnt Wörter zu Sätzen, die in der eigenen Gedankenwelt totalen Sinn ergeben. Da wird Hans-Joachim Watzke dann mal schnell zum Hassprediger, der die tumben Horden zum Kampf gegen RB-Anhänger aufstachelt. Die Lösung können dann nur die Anständigen sein, die ihnen in einer Massendistanzierung bezeugen, dass sie das total doof finden. Am Ende steht dann die totale Befriedung des Profifußballs. Das klingt ja total nett und wenn das funktionieren würde, dann würde ich sogar die Plakate malen. Ich male zwar beschissen, aber wenns denn einen anderen Zweck als ein bisschen Egostreicheln hätte, wäre ich dabei. Hat aber nur leider einen Haken: der Ponyhof ist woanders. Also ziehe ich mir auch keine Reitschuhe an und rufe: "Hüüüüah, Hüüüüah"
Und noch etwas wird vielleicht nicht gefallen. Ich halte RB Leipzig weiterhin für eine Perversion des sportlichen Grundgedankens, die es besser nicht geben sollte. So wie ich vor Samstag mit Gewalt nichts am Hut hatte und danach ebenfalls nicht, fand ich den Verein vor Samstag scheiße und tue das auch weiterhin. Für mich gibt es kein Entweder-Oder. Beides geht. Aber ich kann differenzieren. Zwischen dem Kackverein und Leuten, die dessen Schal tragen, aber ansonsten nur Fußball gucken wollen. Dafür brauchte ich aber auch niemanden, der mich extra dazu aufruft. Rechnet also besser nicht mit mir bei Eurem Aufstand.
Und zum guten Schluss:
Allen Leuten, die am Samstag verletzt wurden, ein aufrichtiges: Gute
Besserung und kommt wieder auf die Beine.