Alexander Isak - eine Wette in die Zukunft
Der BVB hat heute den 17-jährigen Alexander Isak verpflichtet. Sportlich eine tolle Nachricht, die aber auch eine bedenkliche Entwicklung aufzeigt
Noch vor wenigen Tagen schien es ausgemachte Sache, dass Alexander Isak vom schwedischen Verein AIK Solna zu Real Madrid in die Primera Division wechselt. Ein Name, der außerhalb Schwedens vermutlich nur wenigen Fans geläufig gewesen sein dürfte. Kein Wunder, der Spieler ist schließlich erst im September letzten Jahres 17 Jahre alt geworden und dürfte somit in Deutschland noch nicht ohne Begleitung eines Erwachsenen Auto fahren. Auf dem Platz allerdings weist der 1,90 Meter große Mittelstürmer bereits Werte wie ein „Großer“ vor. Neben den zehn Tore im Ligabetrieb und zwei weiteren im nationalen Pokalwettbewerb kann Isak in diesem jungen Alter bereits zwei Einsätze für die Senioren-Nationalmannschaft Schwedens inklusive eines Treffers gegen die Slowakei nachweisen. Da überrascht es wenig, dass bereits Vergleiche zu einem der bekanntesten Spieler Schwedens gezogen werden und Isak der Ruf des „neuen Ibrahimovic“ vorauseilt.
Warum uns Dortmunder das interessiert? Weil Alexander Isak nicht nach Madrid wechselt, sondern am heutigen Tage einen Vertrag bei unserem BVB unterschrieben hat. Zuerst einmal also ein: „Herzlich willkommen in Dortmund, Alexander Isak“. Diese Unterschrift ist ein deutlicher Fingerzeig darauf, dass Borussia Dortmund seinen Ruf als Topadresse für junge Nachwuchstalente auf hohem Niveau in Europa etabliert hat. Noch vor wenigen Jahren wären wir völlig chancenlos gewesen, wenn es eine derart namhafte Konkurrenz bei einem Spieler gegeben hätte. Jetzt können wir solche Wechsel realisieren, die für beide Seiten großes Potential bieten. In Dortmund erhält Isak die Chance, sich im Schatten von Pierre-Emerick Aubameyang als Stürmer in einer der Topligen Europas zu entwickeln und akklimatisieren. Die Beispiele Robert Lewandowski und eben Aubameyang zeigen dabei hervorragend, dass man bei uns auch aus einer Position in der zweiten Reihe heraus eine große Karriere starten kann. Unmittelbar bringt Isak mit seiner Körpergröße die Präsenz im Luftzweikampf Qualitäten mit, die nach dem Abgang von Adrian Ramos im Kader gefehlt hätten. Darüber hinaus erweitert Borussia schon mal seine Optionen, falls Aubameyang früher oder später konkrete Lust auf einen Vereinswechsel verspüren sollte.
Das sind die rein sportlichen Gesichtspunkte des Transfers. Auf der Metaebene sagt er allerdings auch einiges über die Zustände im europäischen Vereinsfußball aus. Der Spieler ist erst 17 Jahre alt und kann 24 Spiele in einer Liga vorweisen, die international keine Rolle spielt. Und trotzdem überweist Borussia Dortmund dem Vernehmen nach zwischen acht und neun Millionen Euro nach Solna. Um das einmal einzuordnen: Der 1. FC Köln hat in der letzten Sommerpause für alle Neuzugänge insgesamt rund 7,8 Millionen Euro ausgegeben, die Hertha aus Berlin gar nur 6,7 Millionen. Natürlich wird bei uns durch den Verkauf von Ramos eine entsprechende Transfereinnahme gegenüberstehen, es ist dennoch ein deutlicher Fingerzeig darauf, in welchen unterschiedlichen Sphären Borussia Dortmund und seine aktuellen Tabellennachbarn einkaufen.
Für viele andere Vereine der Liga sind Transfers dieser Größenordnung sogenannte Königstransfers, die sitzen müssen. Für den BVB mit seinem Lizenzspieleretat von mittlerweile deutlich über 100 Millionen, der diesen Sommer zudem bereits kolportierte 100 Millionen in Transfers investiert hatte, stellt die Summe ein begrenztes Risiko dar. Er kann es sich letztlich leisten, wenn Isak sich letztlich nicht zu einem Spieler der Kategorie Ibrahimovic entwickelt. Denn Garantien gibt es kein: Das Beispiel eines anderen „Wunderkinds“, das tatsächlich zu Real Madrid gewechselt ist, kann als mahnendes Beispiel gesehen werden. 2015 wechselte der damals sogar erst 16-jährige Martin Ödegaard für einen Betrag von 2,8 Millionen zu den Madrilenen. Ödegaard schien das „next big thing“ im Weltfußball zu sein und auch der Spieler war sich augenscheinlich dessen so sicher, dass er sich vertraglich die Teilnahme am Training der ersten Mannschaft zusichern lies. Gespielt hat er allerdings nahezu ausschließlich in der zweiten Mannschaft Real Madrid Castilla und das mit so mäßigem Engagement, dass er aktuell erst einmal in die Niederlande zum SC Heerenveen ausgeliehen wurde.
Der Spieler ist mittlerweile gerade einmal 18 Jahre alt geworden und schon spielt er scheinbar um die letzte Chance auf eine große Karriere. Natürlich haben in dieser Geschichte alle Seiten ihr Scherflein dazu beigetragen und so spielen Selbstüberschätzung und falsche Beratung bei Ödegaard mit Sicherheit auch eine Rolle. Andererseits stellt sich die Frage, ob es wirklich der richtige Weg ist, wenn der Fußball halbe Kinder zu Spekulationsobjekten macht.
So ist sicherlich der Kauf von Alexander Isak Teil einer bewussten Transferstrategie, aber auch eine hochpreisige Wette auf die Zukunft. Mit Ousmane Dembélé, Emre Mor, Christian Pulisic und Mikel Merino hat der BVB bereits mehrere hochklassige Talente im Kader und auch bei ihnen ist fraglich, ob alle den Sprung in die Weltklasse wirklich schaffen. Merino liebäugelt bereits zumindest mit einer Leihe zurück nach Osasuna, Emre Mor bekommt bislang zwar deutlich mehr Einsatzzeiten, aber auch er hat mittlerweile gelernt, dass eine an Messi erinnernde Spielweise in der dänischen Liga einfacher zu praktizieren ist als in der Bundesliga. Ob Alexander Isak den Ansprüchen langfristig gerecht werden kann, wird man erst im laufenden Betrieb sehen. Eine millionenschwere Ablösesumme als Rucksack mit den damit verbundenen Erwartungen bei den Fans macht die Sache mit Sicherheit nicht einfacher für die Spieler.
Es ist eine ungesunde Entwicklung, wenn Spieler an der Schwelle zum Erwachsensein bereits teurer sind als das Gros der erfahrenen Profispieler. Den jungen Spielern wird bereits früh ein enormer Druck auferlegt, unter den Vereinen die bereits jetzt sehr einseitigen Machtverhältnisse weiter zementiert. Ein Verein wie Borussia Dortmund muss sich auf diese Wetten einlassen, weil diese Spieler, wenn sie ihr Potential ausschöpfen können, bereits zwei, drei Jahre später auch für ihn unerschwinglich teuer werden. Das nimmt den kleineren und mittleren Vereinen der Ligen allerdings auch die Möglichkeit, diese „Rohdiamanten“ zu entwickeln und über dieses Modell die sportlichen und finanziellen Lücken zu den Topvereinen zu schließen.
Natürlich wünscht man sich für den Verein und auch den Spieler, dass er sich prächtig entwickelt, sich bei unserem BVB einlebt und so manches Tor für schwatzgelb schießt – trotzdem sollte man nicht komplett ausblenden, dass das System immer absonderlicher wird.