Einfach unverbesserlich
Dieser Tage wird eine Sau durch die Medienlandschaft getrieben. Es ist die kleine süße „Kapitänsfrage beim BVB“. In der Fußballwelt werden regelmäßig Themen überhöht, manchem wird viel zu viel Bedeutung beigemessen, vor allem in Sommer- und Winterpause. Und die Sportpresse ist wirklich über jede Sau dankbar, mit der sich die Gazetten Tag für Tag füllen lassen. Leider ist die Sachlage hier nur nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn nicht nur die Medien, nein auch der BVB hätte in dieser Sache tatsächlich Steuerungsmöglichkeiten. Das Thema zeigt: Beim BVB mangelt es (nicht nur bei diesem Thema) an einer einheitlichen und klaren Außendarstellung.
"Marcel Schmelzer ist unser Kapitän"
„Marcel Schmelzer ist unser Kapitän“ manifestierte Sven Bender den Amtsinhaber jüngst im Interview mit Spox.com. Doch Turbosportjournalist Ecki Häuser war sich nicht zu blöd, schon nach dem Gladbach-Spiel auf unfassbar investigative Art und Weise Marco Reus ein Statement zu entlocken, ob denn nicht eigentlich er gerne Kapitän wäre. Marco Reus goutierte dies mit einem Blick, den man vermutlich mit „Geh mir nicht auf den Sack“ übersetzen könnte. Nicht mehr und nicht weniger. Selbst produzierte Schlagzeile nennt man so etwas wohl, sauberen Journalismus nennt man es nicht. Schmelzer selbst zeigte sich ob der aufkeimenden Debatte ein wenig verwundert und verwies ohne weiteren Kommentar an den Trainer. Der stellte sich, durch Nichtschlagzeile und Nichtkommentar bemüßigt vor die Kameras und ließ verlauten, er werde mit Reus und Schmelzer sprechen. Ist ein Wechsel des Kapitänsamtes also möglich? Feuer frei für die öffentliche Diskussion!
Garniert mit Schlagworten wie „Degradierung, Hierarchie und Trainerwunsch“, war diese Aussage natürlich hervorragender Nährboden für zig Artikel und es ist nur eine Frage der Zeit, dass schon bald wieder ein Körperspracheanalyst aufzeigen darf, wie tief der Riss in der Dortmunder Mannschaft ist.
Ein interessanter Nebenaspekt dieser bis dahin Nicht-Meldung: Das Kapitänsamt scheint niemandem wirklich wichtig zu sein, sieht man vom Amtsinhaber einmal ab. In einer Mannschaft, die seit Jahren flache Hierarchien aufweist und in der seit Jahren jeder sein Verantwortungspäckchen tragen soll und trägt, ist so eine Diskussion daher eigentlich müßig und ein Wechsel unter der Saison schlichtweg unnötig. Es gibt den Mannschaftsrat, bestehend aus Schmelzer, Sahin, Bender, Reus, Weidenfeller, der etwas mehr Verantwortung trägt und nicht umsonst aus Spielern besteht, die schon länger im Verein sind. Dass aus diesem Kreis der notwendige Kapitän kommt, ist logisch. Wer es letztendlich ist, ist jedoch nicht so relevant.
Im Sommer machte Tuchel Schmelzer zum Kapitän. Dass damals auch Reus im Gespräch war, sollte niemanden verwundern. Mannschaftsrat, „Starspieler“, quasi Stammplatz, Bindung zur Region und zum Verein, alles Dinge, die mit einem Kapitän in Verbindung gebracht werden. Allerdings war Marco Reus zu diesem Zeitpunkt verletzt, eine Rückkehr nicht unbedingt absehbar. Man frage nur einmal bei Arjen Robben oder Mario Götze nach, wie lange die Heilung bei einer Schambeinentzündung dauern kann. Alles logisch und nachvollziehbar also und für Schmelzer eine sehr schöne Sache.
Eine Frage der Kommunikation
Ist man sich beim BVB tatsächlich nicht bewusst, dass ein Kapitänswechsel in der Winterpause derartige Nebengeräusche erzeugt? Zudem es ja auch noch gar nicht klar ist, ob es wirklich zu einem Wechsel kommt. Thomas Tuchel vertagte die Beantwortung der Frage noch bis zum ersten Pflichtspiel und kündigte lediglich ein Gespräch an.
Ist man sich beim BVB nicht bewusst, dass man eine Debatte unnötig befeuert, wenn man verschiedene Aussagen zu einem solchen Thema im Raum stehen lässt, die sich teilweise gegeneinander ausspielen lassen? Warum tut man den Medien in der Saure-Gurken-Zeit diesen Gefallen und das auf Kosten der Harmonie in Team und Umfeld? Und selbst wenn der Mannschaft das Thema nicht so wichtig ist, sollte man nicht trotzdem versuchen, nach außen mit „einer Stimme“ zu sprechen?
In einer sowieso schon schwierigen Gemengelage im Umfeld, mit Phänomenen wie der gefühlten Entfremdung von Fan und KGaA, einen eher fannahen Kapitän zu entmachten, erscheint rätselhaft. Und es ist ja nicht das erste Mal, dass man ein Thema völlig falsch eingeschätzt hat, einem Thema zu wenig Bedeutung zugewiesen hat und es aussitzen möchte. Auch bei der Verletzung von Marco Reus gab es schon ein merkwürdig anmutendes Watzke-Tuchel-Pingpong, dass Außenstehende nur zu einem Kopfschütteln animiert haben dürfte. Der BVB gibt also erneut ein unglückliches, diffuses Bild in der Außendarstellung ab. Und wieder einmal wäre er eigentlich in der Lage gewesen, die Sau einfach im Stall zu halten.