Sebastian Rode - Zwischen Anspruch und Realität
„Warum bringt er denn jetzt Rode?" – „Rode von Anfang an, das wird heute nichts." – „Was macht der Rode denn da?"
Zugegeben, in diesen Beurteilungen schwingen auch immer die Emotionen mit, aber selten waren solche Äußerungen auf der Süd und in den Auswärtsblöcken nicht zu hören. Sebastian Rode wurde für manchen Fan zur Personifizierung der schlechteren Spiele dieser Hinrunde. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das der Realität gerecht wird und überhaupt eine faire Betrachtung ist.
Sebastian Rode wurde für eine kolportierte Ablösesumme von 12 Millionen Euro von den Bayern verpflichtet. In seiner Zeit beim FCB kam er jedoch nie über die Rolle des Bankdrückers hinaus. Einerseits verständlich, wenn man die Konkurrenz im Kader des amtierenden deutschen Meisters bedenkt, andererseits aber sicherlich nicht der Anspruch, mit dem Rode damals von Frankfurt an die Isar ging. Gerade einmal 17 Einsätze, davon 4(!) in der Startelf, standen für Sebastian Rode in der letzten Saison in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League zusammengenommen zu Buche.
Warum hat man ihn dann geholt? Die Antwort ist eigentlich recht einfach: Bereits zu Frankfurter Zeiten war man angeblich an Rode interessiert, schließlich war er damals ablösefrei und ein gefragter Spieler. Er ging zu den Bayern und spielte wenig. Spätestens nach der bitteren Niederlage gegen Kloppos Liverpool in der Europa League war aber klar: Wir brauchen einen wie Sebastian Rode. Einen, der mal dazwischen haut, einen, der aggressiv verteidigt, aber auch kein Holzfuß ist, sondern mit dem eroberten Ball etwas anfangen kann. Dass er darüber hinaus noch einige Jahre unter Guardiola trainiert hat, der von der Spielanlage ähnlichen Fußball spielen lässt wie unser Coach, war sicherlich ein zusätzliches Bonbon. Fragt sich nur, ob dieses Paket 12 Millionen wert ist.
In der Vorbereitung setzte Sebastian Rode dann jedenfalls schon mal die erste Duftmarke. Mit guten Trainingsleistungen und auch guten Testspielleistungen zeigte er, dass seine Verpflichtung möglicherweise gar nicht so schlecht war. Auch Max-Jacob Ost sagte im schwatzgelb.de Podcast „Auffe Ohren", dass er tatsächlich „Angst hatte, Rode könne bei uns einer dieser X-Faktoren werden, die uns viel stärker machen". Potential war also erkennbar und wurde sogar von einem Bayern-Fan bescheinigt. Eigentlich doch kein schlechtes Zeichen, wenn ein Bayern-Fan Angst hat, dass sein Verein sich lächerlich machen könnte, weil man Rode für „nur" 12 Millionen hat ziehen lassen.
Es kam leider anders: Gegen Darmstadt noch mit einem sehenswerten Tor wurden die Leistungen von Sebastian Rode einfach nicht besser. Bitterer Höhepunkt vermutlich in Frankfurt als er zunächst Ginter mit einem schlechten Anspiel in Bedrängnis bringt, diesen zum Fehlpass zwingt und dann den Raum gegen Seferovic nicht rechtzeitig zuläuft, was eigentlich eine seiner Stärken sein sollte.
Woher kam dieser plötzliche Einbruch und erfolgte er vielleicht einfach analog zur gesamten Mannschaftsleistung?
Zunächst einmal muss man festhalten, dass alle oben geäußerte Kritik nie auf die Person Rode bezogen war. Im Gegenteil, hier hörte man sogar positive Stimmen: Er stellt sich voll in den Dienst der Mannschaft, zeigt Einsatz und scheint sich mit dem Verein überdurchschnittlich zu identifizieren. Lediglich seine fußballerische Leistung war leider in den letzten Spielen Grütze.
Hat man sich bei der Verpflichtung in der Leistungsfähigkeit geirrt oder wo könnten die Gründe liegen?
Wie oben schon beschrieben, wurde ein starkes Potential erkannt und Sebastian Rode wurde als eine Art fehlender Baustein gesehen. Balleroberer ähnlich wie Sven Bender und trotzdem fußballerisch auf gehobenem Niveau. Bislang konnte er diese Qualitäten aber noch nicht so richtig einbringen. Das hat sicherlich verschiedenste Gründe:
Ständige Positionswechsel: Sebastian Rode bekleidete in seinen Einsätzen insgesamt vier verschiedene Positionen: rechter Außenverteidiger, linker Außenverteidiger, defensiver Mittelfeldspieler und zentraler Mittelfeldspieler. Offensichtlich wurde dabei, dass vor allem die Außenpositionen und auch die etwas offensivere Position im Mittelfeld nicht seinen Stärken zu 100% entsprechen. Er musste trotzdem dort spielen, auf Grund seiner Erfahrung sollte er ein Anker bei den vielen Verletzungen sein. Beim Spiel in Lissabon wechselte er mehrfach die Position, weil gefühlt alle fünf Minuten wegen der nächsten Verletzung umgestellt werden musste. Ohne zu murren haute er sich in jeden Zweikampf, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Bezeichnend jedoch, dass er sein schwächstes Spiel gegen Frankfurt machte, als er für den schwachen Weigl eingewechselt wurde und eigentlich seine Lieblingsposition bekleidete. Nichtsdestotrotz sind diese „Notnagel"-Verschiebungen sicherlich nicht förderlich, um vor Selbstvertrauen und Sicherheit zu strotzen.
Andere Mitspieler: Verletzungen, Rotation, Formschwächen, individuelle Belastungssteuerung, Sperren – es wurde kräftig durchgewürfelt und nicht selten stand eine gefühlt völlig andere Mannschaft auf dem Platz als im Spiel zuvor. Eingespieltheit suchte man dadurch vor allem im Abwehrverbund vergeblich. Ein Verständnis für die Bewegung des Mitspielers hat sich scheinbar noch nicht ausgeprägt. Deutlich wurde das zum Beispiel in der oben angesprochenen Szene aus dem Frankfurt-Spiel: Ballgewinn Dortmund, Rode will das Spiel beruhigen, weil die Frankfurter aggressiv anlaufen und spielt eigentlich einen Sicherheitspass nach hinten. Allerdings ist dieser Pass viel riskanter als den freien Raum nach vorne zu suchen. Er hatte wohl schlicht unterschätzt, dass Ginter 1-2m weiter weg stand als gedacht und schon nimmt das Unglück seinen Lauf. Ein wenig mehr Verständnis mit den Nebenleuten hätte die Situation vermutlich trotzdem nicht optimal gelöst, aber immerhin das Gegentor verhindert.
Erschreckende Zweikampfquote: Gefühlt meinte man als Zuschauer häufig, dass Sebastian Rode gar nicht in die Zweikämpfe kommt. Seine Positionierung im Raum schien nicht immer korrekt zu sein und dann kam er einen Schritt zu spät. Dazu kommt dann noch, dass seine Zweikampfbilanz alles andere als rosig aussieht. Gerade einmal 42% seiner Zweikämpfe gewann Rode in der Bundesliga, erschreckend schwach für einen defensiven Mittelfeldspieler.
Obwohl Sebastian Rode von allen Seiten eine enorme Leistungsfähigkeit attestiert wird, konnte er diese zumindest in Pflichtspielen noch nicht unter Beweis stellen. Ihn wird sicherlich am meisten wurmen, dass wieder nur sieben Startelfeinsätze in der Hinrunde zu Buche stehen (in allen Wettbewerben) und er trotz Verletzungsmisere nicht der konstante Faktor im Mittelfeld sein konnte, den man in ihm gesehen hat. Aufgedrängt hat er sich wahrlich noch nicht und auch die Ablösesumme konnte Rode noch nicht rechtfertigen. Aber man bezahlt ja auch das Potential mit und hoffentlich kann der 26-Jährige dieses nach der Wintervorbereitung in einer festen Rolle mit mehr Automatismen und ein wenig Feinjustierung endlich zeigen. Leistungen auf einem ähnlichen Niveau wie in der Hinrunde wären jedenfalls enttäuschend.
Seb, 05.01.2017
Aus unserer Reihe über das erste halbe Jahr der Neuzugänge dieses Sommers ist bislang erschienen: