WM in Russland abgesagt!
Fake News? Mitnichten. Der Bob- und Skeleton-Verband hat vor dem Hintergrund des McLaren-Reports, der weitere erdrückende Beweise für ein russisches Staatsdopingsystem vorgelegt hat, die für Februar 2017 im russischen Sotschi geplanten Weltmeisterschaften abgesagt. Zwar baute der Verband den russischen Ausrichtern eine Brücke und begründete die Entscheidung mit dem gegenwärtigen Klima, das eine Fokussierung auf den Sport nicht mehr zulasse und es „nahezu unmöglich mache, die Anstrengungen des Organisationskomitees zu schätzen“ (zitiert nach der FAZ). Dennoch ist die Absage nichts anderes als eine Ohrfeige für den russischen Sport, der in den letzten Jahren fast ausschließlich Negativschlagzeilen schrieb. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Entscheidung nicht von der Verbandsspitze ausging, sondern von den Sportlern und Landesverbänden, die mit einem Boykott der Wettbewerbe gedroht hatten.
Die Erkenntnisse über das russische Staatsdopingsystem, die der Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur, Richard McLaren, zusammengetragen hat, erschüttert die Welt des Sports. Der Report geht davon aus, dass mehr als 1.000 russische Athleten selbst gedopt oder von staatlichen Verschleierungsmaßnahmen profitiert haben. Die Manipulationen wurden vom russischen Sportministerium unter der Leitung des Ministers Witali Mutko und in Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst sowie der russischen Antidopingeinrichtungen vorgenommen. Schon bei den Olympischen Spielen in Rio war die Teilnahme russischer Sportler höchst umstritten, doch der mit guten Beziehungen ins Putin-Reich ausgestattete IOC-Präsident Thomas Bach scheute den Konflikt und ließ den Großteil der Athleten zu den Spielen zu. Bei den Paralympics hingegen wurde das russische Team komplett ausgeschlossen – auch dies eine Ohrfeige sowohl für Russland als auch für Bach, der zu einer Symbolfigur für das Versagen des Sports geworden ist.
Mit dem Fußball haben all diese Dinge Gott sei Dank nichts zu tun. Wie jeder weiß, macht hier Doping keinen Sinn, weder in der Regeneration, noch im Training (das letzte Wort dazu hatten wir bereits vor knapp zwei Jahren gesprochen: Doping im Fußball). Das Ganze ist ungemein beruhigend, denn ansonsten müsste man vielleicht ins Nachdenken geraten, was ein Witali Mutko noch im FIFA-Exekutivkomitee zu suchen hat. Und wie wäre es zu bewerten, dass er der Organisationschef sowohl des Confed-Cups 2017 als auch der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland ist? Doch zum Glück müssen wir uns diese Gedanken nicht machen. Und noch wichtiger: Zum Glück müssen sich unsere Fußballprofis diese Gedanken nicht machen. Die Bobsportler haben es leicht: Mit ihren garantierten Millionengehältern sind sie wirtschaftlich nicht darauf angewiesen, an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen und sich den Sponsoren zu präsentieren. Durch ihre regelmäßige Fernsehpräsenz können sie auch eine viel größere Aufmerksamkeit erregen, wodurch ihr Protest wesentlich wirkungsvoller ist. Wenn ein Fußballprofi Kritik und eventuell ein Unbehagen äußern würde, an der WM teilzunehmen – er würde doch nicht mehr als Symbolpolitik betreiben und nur seine Karriere auf’s Spiel setzen.
Zu doof aber, dass die Bobfahrer mit ihrer Entscheidung etwas kurz gesprungen sind. Weder haben sie in ihrer Kritik auf die rechtsradikalen und gewalttätigen Hooligans im russischen Sport hingewiesen, noch sind sie auf die Gefahren für homosexuelle Fans bei den Wettbewerben eingegangen. Muss der deutsche Fußball da jetzt nachziehen? Dem DFB kann man dies nicht zumuten, er braucht die Unterstützung Russlands für die Bewerbung um die EM 2024. Diese ist für den finanzschwachen Fußball in unserem Lande bekanntlich von zentraler Bedeutung, um staatliche Finanzhilfen für die Modernisierung maroder Stadien zu erhalten. Und welchen Effekt sollte es schon haben, wenn der Fußballweltmeister androht, den Confed-Cup zu boykottieren? Der Wettbewerb interessiert sowieso niemanden. Diese Probleme sind unseren Fußballern natürlich nur zu bewusst. Schon deshalb sollte niemand von ihnen verlangen, etwas zu sagen. Schließlich müssen sie ihre Familien ernähren. Wer kennt das nicht? Wer würde das nicht verstehen.