Unsa Senf

Mit der sozialen Stadtführung durch Dortmund. Ein Perspektivwechsel

28.11.2016, 17:24 Uhr von:  Nina Schnutz

Als wir zum Saisonauftakt mit dem Team des Straßenmagazins bodo ein gemeinsames Heft über den BVB herausbrachten, merkten wir schnell, dass wir von den alltäglichen Nöten Wohnungsloser kaum etwas wussten. Was sind ihre größten Probleme? Was haben sie für Erfahrungen gemacht? Wir fragten uns auf einmal, wie man sich und seine Kleidung wäscht, wenn man keine Wohnung hat oder wo man warme Mahlzeiten bekommen kann, wenn kein Geld zur Verfügung steht. Da wir nicht die ersten sind, die solche Fragen stellen, bietet bodo seit mehr als zwei Jahren soziale Stadtführungen durch Dortmund und Bochum an, bei denen mit sachkundiger Erklärung eines bodo-Verkäufers diverse soziale Einrichtungen besucht werden. Wir beschlossen, eine solche Führung durch Dortmund mitzumachen.

Bodo-Verkäufer Günther, den wir schon von unserem gemeinsamen Heftverkauf kannten, erklärte uns zunächst einmal, was bodo selbst ist und was der Verein organisiert. Das professionell gestaltete Straßenmagazin hat vermutlich jeder in Dortmund schon einmal wahrgenommen. Dessen Erlös in Höhe von 2,50 Euro geht je zur Hälfte an den Verkäufer sowie den bodo e.V. und ermöglicht den Verkäufern einen selbstbestimmten Zuverdienst, ohne betteln zu müssen. Das Magazin ist aber nur ein Standbein des Vereins. Daneben schafft bodo in einem Buchladen, bei dem gebrauchte Bücher gespendet und gekauft werden können sowie mit einem selbstbetriebenen Umzugsunternehmen Jobs für Langzeitarbeitslose. Die dort Beschäftigten sollen auf diesem Weg Fähigkeiten erwerben, um langfristig Fuß im Berufsleben fassen zu können. Nach der kurzen Einführung über bodo erklärte uns Günther die elementare Bedeutung einer eigenen Adresse auch für Wohnungslose: Denn ohne diese ist es nicht möglich, mit Ämtern Kontakt zu halten und bei Bedarf Hartz 4 zu beantragen. Daher bieten einige soziale Einrichtungen Postfächer für Wohnungslose an, die bei dem amtlichen Schriftverkehr als Adresse genutzt werden können. Diese Möglichkeit wird zum Beispiel von der Drogenberatungsstelle Drobs angeboten, unserer ersten Station auf dem Weg durch Dortmund. Dort erhalten Drogenabhängige konkrete Hilfsangebote, aber Drobs setzt sich auch für Suchtprävention ein. Leider hatte die Einrichtung bei unserem Rundgang geschlossen, so dass wir lediglich den Automaten, der rund um die Uhr den Zugang zu sauberen Spritzen ermöglicht, sehen konnten.

Weiter ging es zum Gast-Haus, der ökumenischen Wohnungslosen-Initiative, die dem ein oder anderen vielleicht schon durch Aktionen der Fanabteilung bekannt ist. Das Gast-Haus bietet für bedürftige Menschen jeden Morgen ein kostenloses Frühstück an. Dabei kommt die beeindruckende Zahl von täglich 200 Frühstücken zusammen, für deren Organisation im Schnitt acht Ehrenamtliche tätig sind. Dies ist aber bei weitem nicht alles, was das Gast-Haus auf die Beine stellt. Dort sind Duschmöglichkeiten gegeben, eine eigene kleine Kleiderkammer versorgt die Besucher bei Bedarf mit kostenloser Kleidung und Waschmaschinen stehen ebenfalls zur Verfügung. Um auch kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, werden neben den dreimal wöchentlich stattfindenden Kaffee- und Kuchen-Spielenachmittagen in unregelmäßigen Abständen Gesangsabende oder sonstige Kulturveranstaltungen organisiert. Außerdem – und dies hat uns besonders beeindruckt – wird im gegenüberliegenden Haus eine Arztpraxis betrieben, bei der Patienten ohne eigene Krankenversicherung versorgt werden. All dies wird komplett ehrenamtlich auf die Beine gestellt und die dazu benötigten Mittel werden allein durch Spenden aufgebracht.

Anschließend führte uns Günther zu einem städtisch betriebenen Männerübernachtungshaus. Hier erhält jeder für eine Nacht eine Schlafmöglichkeit. Für jede weitere Nacht ist aber eine Bescheinigung nötig, dass der Betreffende in der Stadt Dortmund als Obdachloser registriert ist. Hat er eine solche Bescheinigung nicht, wird ihm der Schlafplatz verweigert. Eine für uns vollkommen neue Information wie auch die Tatsache, dass das Schlafen auf Parkbänken in Dortmund mit einer Geldstrafe geahndet wird und man bei der Schlafplatzauswahl im Freien besser auf gegebene Fluchtmöglichkeiten achtet, da Überfälle von Rechtsextremen keine Seltenheit sind. Erschüttert hat uns auch, mit wie wenig Respekt Obdachlose teilweise auf der Straße behandelt werden. Da werden abfällige Bemerkungen gemacht oder der Becher für die Geldspende mit voller Absicht umgeworfen. Umso notwendiger, dass es Angebote wie die des Brückentreffs gibt, den wir als nächsten besuchten. Dort stehen ebenfalls Waschmaschinen, Duschen oder eine Küche zur Verfügung, damit man sich auch mal selbst etwas kochen kann. Vor allem aber wird hier die Möglichkeit geboten, sich in einem Aufenthaltsraum einfach nur zum Reden, Kaffee trinken oder Kickern zu treffen.

Unsere Tour, die über drei Stunden dauerte und die wie im Flug verging, endete in der Bahnhofsmission, eine Organisation, die ich ehrlich gesagt bisher nur aus Liedern über unsere blauen Nachbarn kannte. Von den beiden christlichen Kirchen finanziert bietet die Bahnhofsmission seit über hundert Jahren allen Personen Hilfe an, die diese benötigen. Waren es zu Anfang vor allem junge Frauen, die auf der Suche nach Arbeit vom Land in die Stadt strömten und vor der Prostitution bewahrt werden sollten, so wandelte sich dies im Laufe der Zeit. Von Drogenabhängigen über bestohlene Geschäftsmänner sowie allein reisende Kinder kümmert sich die Bahnhofsmission um jeden Hilfsbedürftigen und vermittelt sie für weitere Hilfe an die richtige Stelle. Auch hier wie bei allen zuvor besuchten Einrichtungen würde ohne die vielen Ehrenamtlichen kaum etwas laufen. Das war denn auch eine der für uns beeindruckendsten Erkenntnisse, die wir von dieser besonderen Führung mitgenommen haben: Was für eine große Zahl Ehrenamtlicher sich in unglaublich engagierter Art und Weise einbringt und von deren Tätigkeit man viel zu selten etwas hört. Augenöffnend auch, wie viele Möglichkeiten es doch gibt, sich einzubringen.


Wenn auch ihr Interesse habt, eine soziale Stadtführung mitzumachen, so könnt Ihr Euch bei bodo unter der Telefonnummer 0231-950 978 0 dafür anmelden. Die Führungen finden immer am 2. Samstag im Monat in Dortmund und am 3. Samstag im Monat in Bochum statt, die Kosten betragen fünf Euro pro Person. Wir können die Führung nur empfehlen!

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel