Alles wieder gut in der Liga?
Die Bayern nur noch Zweiter in der Tabelle, der BVB punktgleich mit vier anderen Mannschaften. Die Langeweile der letzten Saison scheint vertrieben. Also wieder alles gut in der Bundesliga?
Wer momentan einen Blick auf die Bundesligatabelle wirft, den überkommt ein eigenartiges, fast in Vergessenheit geratenes Gefühl – Spannung. Tatsächlich scheint die Spielzeit 2016/2017 einiges durcheinander zu würfeln. Der Tabellenführer heißt nicht FC Bayern München, der BVB ist dem Rest der Liga auch noch nicht enteilt, der Tabellendritte ist punktgleich mit dem Siebten der Rangliste und in den Top 7 tummeln sich Frankfurt, Köln, Hertha und Hoffenheim statt der dort zu vermutenden Teams Leverkusen, Gladbach, Gelsenkirchen oder Wolfsburg. Also alles gut mit der Liga?
Nein. Man kann es auch durchaus als Alarmsignal sehen, wenn erleichtert zur Kenntnis genommen wird, dass am elften (!) Spieltag, also nach nicht einmal einem Drittel der Saison, noch völlig offen ist, wer am Ende die Schale überreicht bekommt und vielleicht mal einer der Kleinen am Ende der Saison auf einem Champions-League-Platz einlaufen könnte.
Elf Spieltage als Zeichen für eine gesunde Struktur der Bundesliga zu sehen, wäre grundfalsch. Es hieße nämlich eine Entwicklung der letzten fünf Jahre, in der nur ein einziges Mal die Kombination auf Platz eins und zwei nicht Bayern und Dortmund hieß, auszublenden. In den letzten fünf Jahren sammelten die Bayern im Schnitt pro Saison wahnwitzige 84 Punkte, der BVB kommt immer noch auf 70 Punkte. Zum Vergleich: weitere „natürliche Anwärter" auf einen Platz in der Spitzengruppe haben im selben Zeitraum durchschnittlich mindestens zehn Punkte weniger eingefahren. Leverkusen kommt auf 60 Punkte, Gelsenkirchen gar nur auf 57. Man kann und darf jetzt nicht die Augen vor diesem längerfristigen Trend verschließen und so tun, als hätte sich die Bundesliga im Handumdrehen von der langweiligsten in die spannungsgeladenste aller europäischen Topligen katapultiert.
Die Bundesliga profitiert gerade von einer temporären Schwäche der beiden Großvereine Bayern und Dortmund. Die Bayern haben das erste Mal seit fünf Jahren den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren. Sie haben mit Verletzungsproblemen zu kämpfen und der verhältnismäßig hohe Altersdurchschnitt macht sich gerade in einer Saison nach einem Nationengroßturnier deutlich bemerkbar. Dazu kommt der bekannte Wechsel auf der Trainerbank. Die Bayern wirken schlagbar und in der Folge spielen andere Vereine gegen sie mutiger auf, während die Münchener Spieler nicht mehr die unbedingte Überzeugung vermitteln, den Platz in jedem Falle als Sieger zu verlassen. Wir Dortmunder sind gerade bekanntermaßen noch in einer Art Findungsphase, nachdem uns mit Hummels, Gündogan und Mkhitaryan teilweise Pfeiler des Spiels verlassen haben und sieben neue, zum Großteil sehr junge Spieler, in die Mannschaft integriert werden müssen.
Trotzdem läuft keiner der beiden Vereine wirklich Gefahr, langfristig seine Entwicklung zum nationalen Riesen zu unterbrechen. Die Bayern haben mit rund 600 Millionen Euro Umsatz einen gewaltigen Vorsprung vor allen anderen und der BVB muss sich mit den anvisierten 400 Millionen auch nicht verstecken. In England und Spanien werden im Bereich Trikotsponsoring und Ausrüsterverträge die Zahlen immer weiter ins Absurde verschoben und so wird man vermutlich auch in Dortmund und München Gespräche über Nachbesserungen mit den „Partnern" führen. Schließlich liegt es ja auch in deren Interesse, dass sie auch weiterhin in der Königsklasse nach dem Achtelfinale präsent bleiben. Und natürlich werden gerade auch die neuen Gelder aus nationaler und internationaler TV-Vermarktung verteilt. Sowohl Herr Rummenigge als auch Aki Watzke halten sich nach außen bei diesem Thema vornehm zurück, dürften hinter dem Vorhang aber einträchtig daran arbeiten, dass das Kuchenstück nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zum Rest der Liga größer wird.
Beide Vereine könnten es verschmerzen, wenn ein anderer Club am Ende die Meisterschale in den Himmel reckt, so lange man nur in der Königsklasse vertreten bleibt. Und für beide wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu reichen. Geld garantiert zwar keine Titel, aber ohne Geld sind sie unmöglich. Ein Beweis dafür ist der aktuelle Tabellenführer. Mögen die Medien auch noch so oft darauf verweisen, dass es sich bei den Leipzigern um einen Aufsteiger handelt, was die Finanzkraft angeht gehören sie bereits in ihrer Premierensaison zum Geldadel. Trotz des kostengünstigen Modells mit einem betriebsinternen Verschiebebahnhof hat man in der letzten Transferperiode gleich drei Mal bei einem Spielerkauf die Grenze von zehn Millionen Euro durchbrochen. Häufiger als Gelsenkirchen, Wolfsburg oder Leverkusen. Und das ohne einen einzigen Euro durch Abgänge eingenommen zu haben. Der einzige Spielerverkauf, der eine nennenswerte Ablösesumme eingebracht hat, war der von Joshua Kimmich nach Stuttgart vor zwei Jahren. Selbst die sprichwörtlich sparsamen Schwaben dürften bei einer Summe von 1,5 Millionen Euro nur mit den Schultern gezuckt haben. Die Entwicklung der Leipziger hat mitnichten etwas mit der geilen vom-Aufsteiger-zum-Meister-Story des 1. FC Kaiserslautern zu tun. Da ist jemand mit einem „Eure Armut kotzt mich an"- Aufkleber auf der Überholspur unterwegs.
Auch wenn zu hoffen ist, dass wenigstens diese Saison noch ein Einbruch der Leipziger bevorsteht, so gibt es immerhin einen ernsthaften Kandidaten, der in die Phalanx Bayern München und Borussia Dortmund hineinstoßen kann.
Für die Fans der vier Vereine dahinter heißt es einfach: genießt den Moment und freut Euch daran, so lange es geht. Die kalkulierten Einnahmen der Vereine für die Saison 2015/2016 betragen:
- TSG Hoffenheim: rund 111 Mio. Euro (davon allerdings allein 40 Millionen durch den Verkauf von Firmino)
- Eintracht Frankfurt: 79 Mio.
- 1. FC Köln: 72 Mio.
- Hertha BSC: 68 Mio.
Quelle: www.statista.com
Keiner dieser vier Vereine kann auch nur annähernd einen Kader finanzieren, der dauerhaft in den Top 3 der Liga mitspielen kann. Schon jetzt liegen die Gehälter von uns und den Bayern über den Gesamtumsätzen dieser Vereine. Tendenz steigend. Und dabei hätte man noch keinen Angriff eines Vereins aus der Premier League auf einen Schlüsselspieler abgewehrt.
Die aktuelle Tabelle ist nichts weiter als eine kuriose Momentaufnahme und von der augenscheinlichen Ausgeglichenheit ist vermutlich schon am Ende dieser Saison nicht mehr viel übrig geblieben. Bis auf eventuell Leipzig als neues Team in der Ligaspitze. Allerdings wäre es geradezu grotesk, ausgerechnet diese Perversion des sportlichen Grundgedankens als Beweis für ein gesundes Ligasystem heranzuziehen.
Die strukturellen Probleme, eine wachsende Kluft zwischen einer kleinen Spitzengruppe und dem großen Rest der Liga bleiben bestehen und bedürfen weiterhin einer Klärung.