Foul oder nicht Foul? - Das sollte eigentlich keine Frage sein
Thomas Tuchel hat nach unserem Gastspiel in Leverkusen mit seiner Anmerkung, dass die Gegner übermäßig häufig zum Foulspiel greifen, um unseren BVB zu stören, mächtig Staub aufgewirbelt. Lächerlich für die Einen, weil Fußball ja immer noch ein „Männersport“ sei und die Spieler die harte Gangart abkönnen müssen, sachlich richtig für die Anderen, weil irgendwann das Maß einfach voll ist. Komischerweise stellt aber kaum jemand die grundsätzliche Legitimität der Foulerei in Frage. Warum eigentlich nicht?
Das Fußballspiel ist, wie der Name schon sagt, ein Spiel. Und ein Spiel wird definiert durch sein Ziel und die durch das Regelwerk gesetzten Grenzen, innerhalb derer das Ziel erreicht werden darf. Dessen ist sich auch jeder Spielteilnehmer bewusst und Regelverstöße sind verpöhnt. Wer spielt schon gerne Karten mit jemandem, der einem ständig ins Blatt schaut? Oder ein Würfelspiel gegen einen Konkurrenten, der im unbeobachteten Moment den Würfel auf eine ihm genehme Zahl dreht? Alles Strategien, die einem den Sieg näher bringen, in der Regel allerdings dazu führen, dass niemand mehr Lust hat, mit dem „Schummler“ zu spielen.
Nur in einigen, wenigen Mannschaftssportarten ist interessanterweise der bewusste Verstoß gegen das Regelbuch als Mittel, das Spiel zu gewinnen, akzeptiert. Im Fußball, so scheint es, ist diese Akzeptanz sogar noch ausgeprägter als beispielsweise beim Handball, oder Basketball. Die Schwalbe, also das Vortäuschen eines Regelverstoßes durch den Gegner, wird oft als schlitzohrig bezeichnet, das bewusste Festhalten des Gegners ist als taktisch kluges Verhalten ins Repertoire des Fußballprofis aufgenommen und oft werden sogar harte, absichtliche Foulspiele als richtiges „Zeichen setzen“ goutiert. Dabei machen die Spielregularien in der Kapitelüberschrift eigentlich sofort klar, worum es sich dabei handelt. „Verbotenes Spiel und unsportliches Betragen“, so steht es über Regel 12 des DFB. Wenn man dieses Spiel spielen möchte, sind derartige Handlungen einfach verboten. Wer trotzdem zu diesen Mitteln greift, bewegt sich außerhalb der Grenzen, in denen das Spiel stattfindet – doch paradoxerweise scheint genau dieses Verhalten in einigen Sportarten bereits zum Spiel zu gehören. Warum ist das so? Natürlich, ein Verstoß gegen die Regeln bringt einem einen Vorteil gegenüber den Mitspielern, die sich korrekt verhalten. Man bewegt sich außerhalb der Norm und gelangt so schneller zum Ziel des Spiels. In der großen Mehrzahl aller Spiele führt das allerdings zum Ausschluss desjenigen, der sich absichtlich nicht an die Spielregeln hält. Beim Fußball ist es zu einem weiteren taktischen Instrument geworden.
Dem Fußballsport ist der sprichwörtliche Sportsgeist und Sinn für Fairness massiv weggebrochen und nur noch in Fragmenten erkennbar. Ein taktisches Foul im Mittelfeld ist eigentlich kein cleveres Verhalten, man betrügt den Gegner damit um den Lohn einer sportlich guten Leistung. Nämlich mit einem Pass oder Dribbling den Gegner spielerisch umgangen zu haben. Wer bewusst und ohne Chance, den Ball zu erwischen, in einen Gegner hinein grätscht, erfüllt nicht irgendwelche klischeehaften Männlichkeitsideale, er verhält sich schlicht und ergreifend unfair und unsportlich.
Es wäre natürlich sehr weltfremd, völlige Fairness im Profifußball einzufordern. Dafür geht es wohl einfach um zu viel. Um Geld, um Prestige und um große Schlagzeilen. Das macht es einfach verführerisch, sich wider die Vorgaben einen Vorteil zu verschaffen. Es kann aber auch nicht sein, dass schon das Bemühen um und die Forderung nach einem möglichst regelgerechten Spielverlauf zu Diskussionen führt. Im Sinne des Spiels sollte das der Konsens sein und von allen Seiten daran gearbeitet werden, die Spieler wieder zu so einem Verhalten aufzufordern. Insofern hat Thomas Tuchel nichts Unrechtes gefordert. Eigentlich ist er sogar nicht weit genug gegangen.