"Willkommen im Fußball" - Anstoß für Fußballtraining mit Flüchtlingen
Sie heißen Mohammed, Ismael und Khalif, sind zwischen 16-20 Jahren alt und als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Am vergangenen Mittwoch hatten sie noch eines gemeinsam: Zusammen mit 25 anderen jungen Geflüchteten nahmen sie am ersten Fußballtraining von „Willkommen im Fußball“ in Dortmund teil. Wir haben sie dabei begleitet.
Mittwoch, gegen 14 Uhr: Der Sturm bläst über das Trainingsgelände der Eintracht in Dortmund, dahinter sieht man die Pylonen des nahen Westfalenstadions in der Nachmittagssonne leuchten. 28 Jugendliche in schwarz-gelben Trikots kommen auf den Platz gelaufen. Die BVB-Trikots tragen die Aufschrift #refugees welcome. Das letzte Mal wurden sie noch von den Profis der Borussia anlässlich eines Aktionsspieltags getragen, nun dienen sie den Jugendlichen, die überwiegend aus Syrien, Afghanistan, dem Iran, Irak, Somalia und Eritrea kommen, als Trainingskleidung.
Auf dem Platz werden sie von BVB Co-Trainer Arno Michels und BVB-Jugendtrainer Marvin Mainoo-Boakye schon erwartet. Zusammen mit Mats Kieserling vom TSC werden sie die nächsten 90 Minuten das erste Training leiten. „Ich bin schon sehr gespannt darauf, was die Jungs am Ball können“, freut sich Arno Michels, der die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen hat.
Und das ist nicht wenig, wie sich später noch zeigen soll. Denn kicken kann jeder der Jugendlichen ganz passabel, die von den verschiedenen Berufskollegs, die sie besuchen, für das Projekt angemeldet wurden. Nach einer kurzen Ansprache im Kreis und dem Aufwärmen werden zwei Gruppen gebildet und dann geht’s auch schon los.
Nichts unterscheidet die Kids auf dem Platz von einer ganz normalen Fußballmannschaft. Wenn der Ball rollt, ist vergessen, dass man den Anderen vielleicht erst ein paar Minuten vorher kennengelernt hat. Dass der eigene Aufenthaltstatus ungeklärt ist und man nicht weiß, wie lange man überhaupt hier ist und was danach kommt. Dass man auf dem Weg nach Deutschland Heimat, Familie oder Freunde verloren hat. Kommandos werden gerufen, Lachen und Applaus wehen über den Platz zu uns an die Seitenlinie, wenn das Tor im Spiel auf dem Kleinfeld mal wieder getroffen wurde.
So soll es von nun an jeden Mittwochnachmittag ablaufen. Die Jugendlichen fahren mittags nach der Schule direkt zum Sportgelände der TSC Eintracht in die Victor-Toyka-Straße. Im dortigen Vereinsrestaurant bekommen sie einen kleinen Snack, bevor um 14:30 Uhr für alle das Training beginnt. Nach den 90 Minuten auf dem Platz wartet in den oberen Räumlichkeiten der Geschäftsstelle in Gestalt von Friedel Knoch dann noch eine zweite Halbzeit auf die Jugendlichen: 45 Minuten Deutschkurs.
„Wie lange seid ihr in Deutschland“, fragt Wolfgang Euteneuer vom Projekt „Angekommen“ zu Beginn des Kurses die Jugendlichen, um ihre Deutschkenntnisse einzuschätzen. Einige wenige Geflüchtete sind schon seit zwei Jahren in Deutschland, die meisten anderen zwischen einem Jahr und erst wenigen Monaten. Schnell wird klar: Ab nächster Woche wird der Deutschkurs in zwei Gruppen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad stattfinden. Fußballvokabular inbegriffen.
Und noch eins stellt sich schnell heraus: Fußball schafft eine Verbindung, die mit wenig Worten auskommt. Denn kurz danach bin ich dran und stelle schwatzgelb.de und mögliche gemeinsame Aktivitäten vor. Bei „zusammen Fußball gucken“ und „Stadion“ nicken die ersten freudig. Wie schon vorhin auf dem Platz ist die Stimmung sehr freundlich, der Umgang miteinander offen und locker. Einer ruft einen Scherz in den Raum, alle lachen. Auf meine Frage, wer denn schon mal in unserem Stadion war, gehen mehrere Hände hoch. Diese Jungs waren vor kurzem dabei, als die BVB-Stiftung „Leuchte auf“ Flüchtlinge zum Euroleague-Spiel gegen den FK Qabala eingeladen hatte. „Ob sie denn gerne wieder hingehen würden?“ Noch mehr Hände gehen hoch.
Und so werden wir die Gruppe in den nächsten Wochen immer mal wieder begleiten, uns besser kennen lernen und ihnen unsere Stadt und unseren Fußball näherbringen. Und hier in loser Reihenfolge von unseren gemeinsamen Erlebnissen und Erfahrungen berichten.
Wer selbst gerne einen Teil dazu beitragen möchte, ist herzlich eingeladen. „Borussia Dortmund möchte für eine funktionierende Integration von insbesondere jugendlichen Geflüchteten sorgen. Die gesamte BVB-Familie kann dabei behilflich sein“, sagt auch Marco Rühmann, Stiftungsmanager von „leuchte auf“ und meint damit ein breites Engagement auf und abseits des Platzes.
„Willkommen im Fußball“ ist ein bundesweites Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, gefördert von der Bundesliga-Stiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Dahinter steht die Kooperation eines Vereins der 1. oder 2. Bundesliga mit lokalen Bildungsträgern, bürgerschaftlichen Initiativen oder kommunalen Akteuren sowie Amateurfußballvereinen. Ziel ist es, jungen Geflüchteten bis 27 Jahre durch niedrigschwellige Angebote den Zugang zu Sport zu ermöglichen sowie Integration und das gesellschaftliche Miteinander zu unterstützen. Jedes Willkommensbündnis ist zunächst auf zwei Jahre angelegt und erhält eine finanzielle Förderung von 11.500 Euro. Die BVB-Stiftung „Leuchte auf“ erhöht diesen Betrag nochmal um 4.000€.
„Willkommesbündnisse“ gibt es bereits in 20 Bundesligastädten. Und nun auch in Dortmund: Mit Borussia Dortmund und dem TSC Eintracht Dortmund haben zwei Schwergewichte im Profi- und Amateursport als Ausrichter der wöchentlich stattfindenden Trainingseinheiten zusammengefunden. Darüber hinaus komplettieren das Projekt „Angekommen“ der Walter Blüchert Stiftung und wir als schwatzgelb.de über unsere Aktion „Flutlicht“ das Dortmunder Willkommensbündnis mit integrativem Engagement.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung des BVB.