Fußball und Terrorismus
Die Attentate des vergangenen Freitags in Paris haben uns alle entsetzt. Über 130 getötete Menschen, die nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren. In einem Bistro, bei einem Konzert, oder einfach nur so auf der Straße unterwegs. Ermordet von fanatisierten Arschlöchern, denen auch das eigene (Über-)leben völlig egal ist, so lange sie nur andere mit in den Tod reißen können. Eigentlich ist ein Fußball-Fanzine wohl nicht ganz der richtige Ort, um sich über den internationalen Terrorismus zu äußern, aber diesmal gibt es eine ganz klare Schnittstelle zum Fußball.
Mutmaßlich hatte ein Attentäter eine gültige Eintrittskarte für das Länderspiel Frankreich gegen Deutschland, zwei weitere sollen ohne Tickets versucht haben, ins Stadion zu gelangen. Nach dieser nicht endgültig bestätigten Version ist die Verhinderung hoher Opferzahlen wohl nur dem Umstand geschuldet, dass die Angreifer erst nach dem Anpfiff versucht haben sollen, ins Stadion zu gelangen, und die Sicherheitskräfte an den Eingängen noch nicht in den Feierabendmodus geschaltet hatten. Ein Anschlag dieser Art und die mit Sicherheit folgende Massenpanik hätte noch viele, viele Menschenleben mehr gekostet, wenn der Plan aufgegangen wäre.
Dass große Sportveranstaltungen bereits in der Vergangenheit durch verschiedene Gruppen immer mal wieder Ziel von terroristischen Anschlägen geworden sind — die Olympischen Spiele in München 1972, der Boston-Marathon 2013 oder die Autobombe im Umfeld des Madrider Bernabéu-Stadions 2002, um nur ein paar zu nennen —, verwundert dabei nicht: Viele Menschen sind auf einem engen Raum versammelt und es gibt eine extrem große mediale Präsenz. Es geht dabei um Spaß, um Unterhaltung, aber auch um das Ausleben von Emotionen und persönlichen Freiheiten. Und um Luxus und Kommerz. Der Ausdruck einer Lebensweise, die für manche mit aller Macht zu bekämpfen ist. Auch sind die Sicherheitsvorkehrungen weniger umfassend als bei Flughäfen oder wichtigen Staatsgebäuden und leichter zu umgehen, weil Sportstätten auch darauf ausgerichtet sein müssen, in einem kleinen Zeitfenster eine große Anzahl von Menschen hinein und wieder hinaus zu schleusen. Es kommen einfach viele Faktoren zusammen, die auf Extremisten anziehend wirken können.
Man fühlt sich dabei irgendwie hilflos und ausgeliefert, weil man bis zu einem gewissen Maße genau das ist. Es gibt keinen wirklich wirksamen Schutz gegen diese Art von Terror. In den nächsten Tagen und Wochen wird es viele Stimmen geben, die zu höheren Sicherheitsvorkehrungen, mehr Überwachung und mehr Härte drängen werden — und die letztendlich auch mehr Misstrauen schüren wollen. Mancher Vorschlag mag dabei wirklich sinnvoll und bedenkenswert sein, aber auch vor dem Hintergrund der Bilder aus Paris ist „viel hilft viel“ schlichtweg falsch. Wenn wir unsere Stadien noch weiter zu Hochsicherheitstrakten ausbauen, in denen die Fans auf Schritt und Tritt überwacht werden, so macht man damit nichts weiter als genau diese Freiheit zu opfern, die die Terroristen angreifen wollen. Ohne jedoch die Situation wirklich zum Positiven zu beeinflussen. Mal ganz konkret auf Dortmund und das Westfalenstadion gemünzt: Was bringt es, die Zugänge und das Stadion selber noch weiter abzusichern, wenn sich baubedingt die Menschenmassen auf dem Vorplatz vor der Nordtribüne und vor den Südeingängen auf einem engen Raum tummeln? Wie will man die großen Parkplätze, die Shuttlebusse, die U-Bahnen und Züge, die die ankommenden Fans zum Stadion bringen, wirklich effektiv schützen?
Wer großes Leid verbreiten will, der wird bei Massenveranstaltungen immer einen Weg finden. Das war schon immer so und wir haben nur gelernt, das auszublenden. Weil dieser Gedanke sonst lähmen und dem Fußball alles nehmen würde, was ihn ausmacht: Den Spaß, das Unbeschwerte, das Emotionale und auch das Verbindende. Das alles dürfen uns die Attentäter nicht nehmen. Paris ändert, auch wenn manche das postulieren, eben nicht alles. Die Flüchtlinge, denen in den letzten Wochen immer wieder in den Stadien ein paar vergnügliche Stunden geschenkt wurden, sind weiterhin Menschen, denen wir ein Stück dieser Freude abgeben wollen. Der ausländisch wirkende Mann mit dem Vollbart, der schon lange auf der Tribüne neben uns steht, ist auch weiterhin ein Fan, der seinen Verein zum Sieg schreien will. Und das Stadion ist weiterhin so sicher, wie es eben sein kann. Wenn sich das ändert, dann haben die anderen gewonnen.