...Marco Rühmann von der BVB Stiftung leuchte auf
Seit zwei Jahren hat der BVB sein soziales Engagement in der Stiftung "leuchte auf" gebündelt. Es war also an der Zeit, einen ausführlichen Blick auf die Tätigkeit der Stiftung zu werfen. Wer ist für die Arbeit der Stiftung verantwortlich? Wie ist die Stiftung organisiert? Woher kommt das Geld und wohin fließt es? Welche Projekte wurden und werden von der Stiftung gefördert? Wie kann man als BVB-Fan oder BVB-Fanclub ein eigenes Sozialprojekt von der Stiftung fördern lassen? Wie werden Spieler und andere BVB-Mitarbeiter in die Stiftungsarbeit eingebunden? Alle diese Fragen haben wir im ausführlichen Interview mit Stiftungsmanager Marco Rühmann geklärt.
Zur Person: Marco über seinen Werdegang und seinen Job bei der Stiftung leuchte auf
schwatzgelb.de: Welche Position bekleidest Du bei der Stiftung "leuchte auf“?
Marco: Ich bin der Stiftungsmanager. Ich bin bei der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA angestellt und dort auch gleichzeitig Projektleiter CSR. CSR bedeutet corporate social responsibility also unternehmerische Verantwortung. Alle Themen, die in den ökologischen und sozialen Bereich fallen, gehören zu meinem Tätigkeitsfeld.
Ich habe auch vor einem Jahr einen Studiengang zum zertifizierten Stiftungsmanager belegt. Bei der Gründung der Stiftung ist mir klar geworden, dass es notwendig ist, sich zusätzlich zu qualifizieren, zum Beispiel um notwendige Kenntnisse im Gemeinnützigkeitsrecht zu erwerben. (Lacht) Während des Lehrgangs habe ich dann gemerkt: „Verdammt, du stehst ja mit einem Bein schon im Gefängnis“. Denn im Gemeinnützigkeitsbereich darf man keine großen Fehler machen.
Ich gebe Euch mal ein Beispiel, was erlaubt ist und was nicht: Wenn man mit einem Partner oder Sponsor zusammenarbeitet, und du auf der Homepage einen Bericht schreibst, wie „Sponsor XY hat uns heute eine Spende in Höhe von 13 000 Euro übergeben und wir bedanken uns ganz herzlich bei Sponsor XY“, und du fügst dann das Logo des Sponsors ein, ist alles in Ordnung. Sobald du aber das Logo mit der Homepage des Sponsors verlinkst, ist das aktive Einflussnahme bzw. Werbung durch die Stiftung - und das ist verboten. Das sind Dinge, die wusste ich vorher auch nicht, und es gibt auch noch tausend andere Bereiche, in denen man höllisch aufpassen muss. Dafür war dieser Zertifizierungslehrgang total wichtig.
schwatzgelb.de: Welchen Anteil hat denn die Stiftung an Deiner Arbeitszeit?
Marco: Circa 70% meiner Arbeitszeit fließen in die Stiftung.
schwatzgelb.de: Wie sieht denn ein normaler Arbeitstag von Dir in der Stiftung aus? Gibt es in deinem Beruf überhaupt „Alltag“?
Marco: Ein normaler Arbeitstag sieht folgendermaßen aus: Morgens kümmere ich meistens um die Sachspenden. Wir bekommen im Jahr rund 6500 Anfragen von sozialen Einrichtungen mit ganz unterschiedlichen Wünschen. Diese reichen von Spenden für eine Tombola bis hin zur Frage, wo man an eine Rollikarte für den behinderten Sohn kaufen kann oder ob man ein signiertes Trikot für eine Versteigerung bekommt. Wir beantworten alle E-Mails und geben dann entsprechend eine Zu- oder Absage. Dann habe ich über den Tag verteilt noch viele Termine mit den Kollegen, wenn es um CSR-Themen geht. Dazu kommt, dass ich zu den einzelnen Projekten fahre und auch die Spendenscheck-Übergaben mache. Ich organisiere aber auch für unsere Sponsoren die Termine. Die Arbeit, die ich mache, ist sehr projektbezogen. Es gibt immer Etappen, die wir dann abwickeln, um unsere Arbeit voranzubringen. Ich prüfe auch die Projektanträge, und das nimmt viel Zeit in Anspruch. Zu guter Letzt stelle ich die Arbeit der Stiftung auch Unternehmen vor, die sich vorstellen können, mit uns zu kooperieren.
schwatzgelb.de: Welcher Teil deiner Arbeit macht dir am meisten Spaß?
Marco: Am liebsten bin ich direkt bei den Projekten vor Ort und überbringe den Menschen gute Nachrichten – zum Beispiel Spenden. Dann ist man mitten drin. Das Schöne ist, dass ich im Namen von Borussia Dortmund unterwegs sein kann und auch noch etwas Gutes tun darf.
schwatzgelb.de: Wie viele Mitarbeiter beschäftigt denn die Stiftung?
Marco: Wir sind mittlerweile zwei feste Mitarbeiter. Im ersten Jahr habe ich die Stiftung alleine - natürlich mit Hilfe zahlreicher BVB-Kollegen - aufgebaut. Der BVB stellt mich dafür ab, dass ich ehrenamtlich die Stiftung leiten kann. Meine Arbeit wird also nicht über die Stiftung sondern über die KGaA finanziert, um die Verwaltungskosten der Stiftung möglichst gering zu halten. Das soll sicherstellen, dass die Spenden, die die Stiftung erhält, auch zum deutlich überwiegenden Teil in die gemeinnützigen Projekte fließen können. Da die Arbeit irgendwann für eine Person kaum mehr zu bewältigen war und die Zusammenarbeit mit unserer studentischen Aushilfe sehr gut funktioniert hat, ist Thomas Klein ab dem 1. Dezember 2014 als zweiter Mann dazu gestoßen. Aber auch seine Tätigkeit wird von der KGaA finanziert.
schwatzgelb.de: Wie ist Dein beruflicher Werdegang vor der Tätigkeit beim BVB verlaufen?
Marco: Ich habe meinen Zivildienst in einer Behindertenwerkstatt in Herne-Horsthausen gemacht. Ich komme ja ursprünglich aus Castrop-Rauxel. Dort bin ich erstmals mit dem sozialen Thema in Berührung gekommen. Dieses Jahr hat mich persönlich unheimlich weitergebracht, und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, dort zu arbeiten. Danach war für mich klar, dass ich irgendwo im sozialen Bereich arbeiten wollte. Auf Anraten meiner Eltern habe ich ein Lehramtsstudium begonnen, das ich aber wieder abgebrochen habe. Über das Lehramtsstudium bin ich zum Bereich Sportwissenschaften gekommen, und das Thema hat mich wirklich begeistert. Im Rahmen dieses Studiums bin ich mit verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen in Kontakt gekommen und habe mich für die Soziologie entschieden. Meine Diplomarbeit habe ich dann über das Thema „Soziales Engagement in der Fußball-Bundesliga“ geschrieben. In diesem Rahmen habe ich Interviews in mehreren Fußballvereinen geführt: u.a. beim SV Werder Bremen, beim 1.FC Köln, in Mainz und beim HSV.
schwatzgelb.de: Da fällt uns natürlich auf, dass der BVB in Deiner Aufzählung fehlt.
Marco: Genau! Der BVB lag damals überhaupt noch nicht in meinem Fokus. Ich war zwar damals schon BVB-Fan, aber ich habe mir Vereine ausgesucht, von denen ich schon im Vorfeld wusste, dass sie im sozialen Bereich engagiert sind. So bin ich zum sozialen Thema zurückgekehrt und mit dem Bereich CSR in Berührung gekommen. Nach meinem Studium bin ich direkt zur DFL gewechselt, wo ich zuvor schon ein Praktikum im Bereich der Fanarbeit absolviert hatte. Dort habe ich dann vier Jahre gearbeitet und mich schwerpunktmäßig um soziale Themen wie Barrierefreiheit im Stadion oder die Vernetzung der Blindenreporter gekümmert. Außerdem habe ich dort den Bereich „Kids Club“ betreut, der aber eher pädagogisch und nicht marketingorientiert ausgerichtet war. Auch in die allgemeine Fanarbeit, die z.B. das Sicherheitsthema beinhaltet, war ich eingebunden. Am Ende meiner Tätigkeit für die DFL war ich für mich persönlich unzufrieden damit, dass das Thema Fanarbeit sich immer stärker in den Sicherheitsbereich verlagert hat. Diese politischen Diskussionen haben mir nicht so gelegen. Ich wollte lieber in Netzwerken arbeiten und neue Projekte voranbringen.
Auf einer Tagung habe ich dann Markus Rejek kennen gelernt, der damals Marketingleiter beim BVB war. Er erzählte mir davon, dass der BVB ein soziales Projekt plane. Die genaue Ausrichtung stand noch gar nicht fest. Ich habe meine inhaltliche Unterstützung angeboten und an dem Projekt mitgearbeitet, aus dem schließlich die Stiftung „leuchte auf“ entstanden ist. Auch das Konzept mit den drei Säulen Zukunft, Vielfalt und Engagement haben wir damals schon erarbeitet und es nach und nach verfeinert.
Der Aufbau der Stiftung leuchte auf
schwatzgelb.de: Gab es denn beim BVB schon einen CSR-Bereich, bevor Du dort angefangen hast?
Marco: Nein, das Engagement lief eher unkoordiniert ab. Das ist aber für ein mittelständisches Unternehmen auch ganz normal. Viele Unternehmen sind sozial engagiert ohne eine Strategie oder ein Konzept zu haben. So war das auch beim BVB. Man hat viel gemacht, die Blindenreportagen zum Beispiel gibt es in Dortmund ja schon seit zehn Jahren. Es wurden auch soziale Einrichtungen durch Spenden oder Spielerbesuche unterstützt. Alles jedoch eher nach dem klassischen Gießkannenprinzip. Mit der Stiftung versuchen wir uns nun um Themen zu kümmern, die auch zu Borussia Dortmund passen und die vielleicht sogar mit der Geschichte des BVB verknüpft sind.
schwatzgelb.de: Stand denn von Anfang an fest, dass das Engagement im Rahmen einer Stiftung stattfinden sollte?
Marco: Die Entscheidung für die Stiftung war erst das Ergebnis aller Gespräche, die wir geführt haben. Man kann ja im sozialen Bereich sehr unterschiedliche Konstruktionen wählen, beispielsweise einen eingetragenen Verein oder eine gemeinnützige GmbH. Oder man gründet einen eigenen CSR-Bereich wie der VfL Wolfsburg. Da muss jeder Verein entscheiden, was am besten passt.
schwatzgelb.de: Was zeichnet denn die Rechtsform Stiftung aus?
Marco: Der Begriff Stiftung ist leider nicht geschützt. Daher nennen sich viele sehr unterschiedliche Einrichtungen Stiftung. So können zum Beispiel vermögende Eltern ihre Kinder über eine Stiftung absichern. Der BVB hat das Konstrukt einer rechtsfähigen Stiftung gewählt. Das ist auf der einen Seite das komplexeste aber auch das nachhaltigste Konstrukt. Denn solch eine Stiftung ist für die Ewigkeit bestimmt. Als rechtsfähige Stiftung wird man sehr streng durch die Stiftungsaufsicht und vom Finanzamt kontrolliert. Die Stiftungsaufsicht prüft, ob die Gelder sinnvoll verwendet wurden. Das erhöht für uns natürlich den Aufwand, weil wir der Stiftungsaufsicht Bericht erstatten müssen. Es sichert die Stiftung aber auch ab, und der Status einer rechtsfähigen Stiftung erhöht auch die Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit.
Die Stifterin, also im Fall von Borussia die KGaA, stellt das Stiftungskapital zur Verfügung. Stiftungen mit einem entsprechend hohen Kapital finanzieren auch ihre gesamte Projektarbeit aus den Zinserträgen des Stiftungskapitals. Das ist angesichts der aktuellen Zinslage natürlich alles andere als einfach. Es ist auch absolut unrealistisch, dass die Stiftung „leuchte auf“ jemals in solche Sphären vordringt. Sie wird daher durch Spenden finanziert, die dann in soziale Projekte fließen. Von der KGaA bekommt die Stiftung eine Grundausstattung an Spendengeldern, mit der wir schon ganz gut arbeiten können. Aber natürlich sind wir auf weitere Spender angewiesen. Wir arbeiten auch eng mit Sponsoren des BVB zusammen, denn hier gibt es auch sinnvolle inhaltliche Verknüpfungen.
schwatzgelb.de: Neben dem Stiftungskapital und Dir als Stiftungs-Manager gibt es doch bestimmt auch noch weitere Gremien, die bei der Stiftung mitwirken. Welche sind das?
Marco: Der Vorstand der Stiftung bildet sich aus dem Vorstand der KGaA. Also sind derzeit Herr Treß und Herr Watzke die Vorstandsmitglieder. Daneben gibt es laut Satzung noch einen Direktor, und das ist derzeit Carsten Cramer. Dazu komme dann noch ich als Stiftungsmanager, der das operative Geschäft leitet.
schwatzgelb.de: Wie kann man sich das denn vorstellen? Du machst das Tagesgeschäft, welche Funktion hat denn dann der Stiftungsvorstand?
Marco: Es gibt zwei Ebenen. Den Stiftungsvorstand und den Stiftungsmanager. Ich bekomme die ganzen Projektanträge und recherchiere natürlich auch selber nach Projekten. Wenn ich Projekte und die dahinter stehenden Ideen gute finde und sie zum Stiftungskonzept passen, dann schlage ich sie dem Vorstand vor. Ich bekomme dann ein Feedback, ob wir die betreffenden Projekte finanzieren oder eben nicht.
schwatzgelb.de: Du hast gerade erwähnt, dass du die Anträge prüfst, ob sie zum Konzept der Stiftung und zum BVB passen. Welche Kriterien muss ein Antrag denn erfüllen, damit er förderungswürdig ist?
Marco: Die Kriterien sind festgelegt und schriftlich fixiert, um Denjenigen, die einen Antrag stellen, schon im Vorfeld aufzuzeigen, in welchen Bereichen wir fördern und in welchen nicht. Das kann man auf unserer Homepage nachlesen, auf der es auch einen Förderungsantrag gibt. Das klingt auf den ersten Blick ziemlich sperrig und bürokratisch, ist aber ganz hilfreich, weil man schon beim Ausfüllen merkt, ob der Antrag zur Stiftungsidee passen kann. Dort wird zum Beispiel gefragt, welchen Bezug das Projekt zu Borussia Dortmund hat. Man liest dann schon heraus, ob der Bezug konstruiert ist, oder real. Dazu gibt es noch weitere Fragen zu Zielen und zum Konzept des Projektes. Wir schauen uns genau an, ob so ein Antrag zu unseren Säulen Zukunft, Vielfalt und Engagement passt.
schwatzgelb.de: An welche Adresse kann ich mich mit meiner Anfrage wenden?
Marco: Entweder schriftlich oder per Email an stiftung@bvb.de .
schwatzgelb.de: Gibt es auch Kooperationen mit anderen Stiftungen oder Organisationen, an die Du Antragssteller verweist, wenn es vielleicht nicht zur Stiftung „leuchte auf“, aber zu einer anderen Organisation passen könnte?
Marco: Klar, da schauen wir immer nach links und rechts. Wir sind allerdings noch nicht so unfassbar weit vernetzt in der großen Stiftungslandschaft, auch wenn wir Mitglied im Bundesverband der deutschen Stiftungen sind. Aber selbst wenn Ein Antrag nicht zu „leuchte auf“ passt, schauen wir immer nach anderen Möglichkeiten hier in der Region. Es gibt da eine schöne Anekdote zu einem Antrag auf Förderung einer Fußballausstellung: Als ich den Antrag bekommen habe, stand der Titel der Ausstellung noch gar nicht fest. Und irgendwann, nachdem ich mehrmals nachgefragt hatte, rief mich der Projektleiter an und sagte: „Wir haben jetzt einen Titel.“ Der lautete „Von Kuzorra bis Özil – Die Geschichte des Fußballs im Ruhrgebiet“. Da habe ich ihm dann zurückgeschrieben, dass das irgendwie nicht so ganz passt und die Kollegen der gGmbH in Gelsenkirchen doch eher die besseren Ansprechpartner seien. So schaut man dann halt, ob man den Leuten trotzdem weiterhelfen kann, anstatt einfach nur abzusagen.
Das Thema Inklusion und die finanziellen Ausstattung der Stiftung leuchte auf
schwatzgelb.de: Thema Supercup und DFL, Thema Inklusion. Wart Ihr da auch der Ansprechpartner der DFL?
Marco: Nein, leider nicht. Ich hatte im Vorfeld darum gebeten, dass wir die Auswahl der Einlaufkinder mit Behinderungen treffen können und Kinder aus unseren Netzwerken berufen dürfen. Das wurde aber abgelehnt, weil man mit der „Aktion Mensch“ zusammenarbeitet, und die „Aktion Mensch“ wollte die Kinder selber auswählen.
schwatzgelb.de: Ist es denn möglich, so eine Aktion auch für ein Bundesligaheimspiel des BVB ins Leben zu rufen?
Marco: Interessant, dass du es ansprichst. Das ist nämlich bereits umgesetzt worden, auch wenn es kaum jemandem aufgefallen ist. Seit Anfang dieser Saison laufen die beiden Mannschaftskapitäne mit zwei Kindern auf den Rasen, und eins der beiden Kinder hat jeweils eine Behinderung. Das haben wir einfach gemacht, ohne es an die große Glocke zu hängen, weil uns das im Rahmen der sozialen Inklusion wichtig war. Ein schönes Beispiel dafür, dass wir auch viele Dinge machen, die eher im Stillen ablaufen. Zum Beispiel mal ein Trainingsbesuch mit schwerstbehinderten Kindern.
schwatzgelb.de: Habt Ihr noch weitere Projekte zum Thema Inklusion gefördert?
Marco: Wir haben mal ein Projekt zur sozialen Inklusion untersützt, also für Kinder mit Behinderung. Da ging es darum, dass Kinder, die eine Förderschule besuchen und meistens eine geistige Behinderung haben, durch Schulungsmaßnahmen so qualifiziert werden, dass sie später mal im ersten Arbeitsmarkt bestehen können. Es soll die Zwangsläufigkeit durchbrochen werden, dass die Kinder am Ende in einer Behindertenwerkstatt landen und dort arbeiten. Während eines Gesprächs habe ich den Kindern übrigens die Frage gestellt: „Was wollt ihr denn später werden?“ Ein Junge mit Down-Syndrom zeigte direkt auf und sagte: „Stadionsprecher von Borussia Dortmund!“
Da dachte ich, das ist doch mal eine coole Sache, fragst du mal den Nobby, ob der Linus, so hieß er, mal ein Tagespraktikum bei ihm machen kann. Nobby sagte direkt: „Ja klar! Nimm den mit, dann soll der mich mal einen Tag begleiten.“ Das hat Linus getan und war total begeistert. Er hat später auch ein dreiwöchiges Praktikum bei uns in der BVB-Geschäftsstelle absolviert, auf der Poststelle gearbeitet und ein paar weiteren Abteilungen geholfen. Das Coole daran ist: Linus war eine so tolle Persönlichkeit, der war so offen, dass er alle Kollegen begeistert hat. Selbst wenn ein Kollege wirklich mal einen schlechten Tag hatte – kurz nachdem Linus den Raum betreten hatte, war die schlechte Laune wie verflogen, weil der Junge einfach so eine herzliche Persönlichkeit ist. Das alles zeigt mir, wie wichtig es ist, dass man die Dinge mit dem BVB vernetzt. Dass nicht nur die Stiftung für sich arbeitet, sondern dass man das auch in den BVB überträgt.
schwatzgelb.de: Wie alt ist der Linus?
Marco: Der ist jetzt 16. Als er bei uns war, war er 15. Also dauert es noch ein bisschen, bis er mit der Schule fertig sein wird. Aber vielleicht wird er erstmal ein weiteres Praktikum machen, und dann werden wir weitersehen.
schwatzgelb.de: Sprecht Ihr Euch eigentlich auch mit anderen Stiftungen im nahen Umfeld ab, damit man sich nicht gegenseitig Sponsorengeldern wegnimmt, oder läuft das alles parallel? Ich denke da zum Beispiel an „Roter Keil“, die von Sebastian Kehl ja sehr stark unterstützt wird, oder auch Neven mit seiner eigenen Stiftung.
Marco: Das läuft alles parallel. Ich würde Sebastian oder Neven niemals reinreden wollen. Da sammelt jeder für sich. Es gibt aber mit Sicherheit den ein oder anderen Sponsoren, der sowohl Nevens Stiftung als auch uns unterstützt hat. Darüber habe ich mit den Beiden allerdings noch nicht gesprochen. Wobei ich mir grundsätzlich vorstellen kann, dass unsere Stiftungen auch in gewissen Bereichen zusammenarbeiten. Ich habe schon mal mit Neven grob ein paar Möglichkeiten angedacht, ohne jetzt allerdings schon konkrete Projekte vereinbart zu haben. Allerdings hat das nichts mit der Sponsorensuche zu tun. Es ist ohnehin so, dass wir mit unserer Stiftung gar nicht aktiv auf Sponsorensuche gehen. Wir betreiben z.B. noch kein kein aktives Fundraising, oder gehen aktiv auf die Fans zu. In erster Linie ist das die Stiftung von Borussia Dortmund, und sie wurde für die Menschen hier in Dortmund eingerichtet. Wenn jemand jedoch an uns Spenden möchte, dann freut uns das natürlich sehr.
schwatzgelb.de: Wie setzt sich die finanzielle Ausstattung der Stiftung denn zusammen? Sprich, welchen Anteil machen Gelder des BVB aus und welchen externe Geldgeber.
Marco: Ganz genau im Prozentbereich kann ich das gar nicht sagen, weil sich das ständig ändert. Die Stiftung wächst stetig, da ist eine ziemliche Dynamik drin. Ich würde aber denken, dass der BVB mindestens 50 % der Ausstattung von sich aus trägt.
schwatzgelb.de: Kannst du denn eine Summe nennen, wie hoch das Stiftungskapital ist?
Marco: Das Stiftungskapital beträgt aktuell 120.000 €. Das ist deshalb so gering, weil die Stiftung mit diesem Kapital gegründet wurde. Diese Beträge werden von der Stiftungsaufsicht festgesetzt, indem sie die Satzung prüft und festlegt, dass man für den Stiftungszweck ein Kapital in der jeweiligen Höhe benötigt. Es ist auch nicht in unserem Interesse, dieses Kapital weiter aufzublähen, weil wir mit den normalen Spenden viel besser arbeiten können. Wenn jetzt zum Beispiel jemand käme und eine Zustiftung von weiteren 100.000 € leisten wollte, dann würde mich das natürlich freuen, aber im Endeffekt sind damit bei Zinssätzen von 2 % auch keine größeren Sprünge möglich. Wir sind als Stiftung auch verpflichtet, Spenden innerhalb von zwei Jahren wieder in den sozialen Bereich zurückzuführen. Es ist uns also gar nicht erlaubt, Gelder langfristig anzusammeln und lediglich zu verwalten. Eine große Spende hilft uns also im Tagesgeschäft deutlich mehr als eine Zustiftung.
schwatzgelb.de: Spenden sind reine Geldspenden, oder auch Sachspenden?
Marco: Wir machen auch viel mit Sachspenden. Es werden ja auch kleine Förderungen angefragt: zum Beispiel Tombolas oder Trikotversteigerungen. Viele Vereine hier im Umland sind auf solche Sachspenden angewiesen, und die stellen wir dann zur Verfügung. Das ist aber nur ein Bruchteil dessen, was wir mit unserer Stiftung machen. Der eigentliche Bereich liegt in der finanziellen Förderung.
Die Projekte: Was wird von der Stiftung leuchte auf gefördert
schwatzgelb.de: Begleitet Ihr die Projekte nach der Förderung auch weiter, beziehungsweise gibt es eine Art Zielvereinbarung bei Antragsstellung, und wird das Erreichen dieser Ziele auch nachgehalten?
Marco: Das machen wir. Allerdings nicht bei allen Projekten. Wenn wir grundsätzlich jedes Mal einen Verwendungsnachweis einfordern würden, würden wir einige Projektträger wie z.B. die oben genannten, die für eine Tombola sammeln, schlicht überfordern. Hier müssten sie alles dokumentieren, eine Art Bilanz aufstellen. Das wäre für die vielen ehrenamtlichen, privaten Initiativen nicht zu leisten. Wir wiederum müssen dem dann immer nachgehen. Ich habe es zu Beginn versucht, aber schnell festgestellt, dass das extrem schwierig ist.
Bei unseren Leuchtturmprojekten machen wir das allerdings selbstverständlich. Zur Erklärung: Es gibt zwei verschiedene Kategorien bei uns. Das sind einmal die Leuchtturmprojekte und die allgemeinen Projekte. Die Leuchtturmprojekte, das sind die, die wir mit aufbauen und langfristig fördern, wie z.B die Youngsters-Akademie am Borsigplatz, das BVB-Lernzentrum oder die Fanclub-Ausschreibung, bei der wir jedes Jahr Projekte mit Fans gemeinsam unterstützen. Da beteiligen wir uns auch inhaltlich sehr stark und kontrollieren recht streng.
Wir haben vor kurzer Zeit zum Beispiel auch einen Verein aus Hamm unterstützt, bei dem während heftiger Regenfälle das komplette Vereinsheim unter Wasser stand. Alles nass. Die Computer, eine neu eingebaute Küche, alles musste neu angeschafft werden. Hier haben wir auch finanziell unterstützt, um wenigstens den Trainings- und Spielbetrieb am Laufen zu halten. Ich bin natürlich selbst hingefahren und habe mir alles vor Ort angeschaut. Ab der Stelle vertrauen wir dann aber auch unseren Projektpartnern, dass unsere Gelder wie verabredet eingesetzt werden. Ohne Vertrauen geht es nicht.
Wir schauen bei der Antragstellung aber sehr genau, was das für Einrichtungen sind. Wenn wir als Stiftung finanzielle Mittel herausgeben, müssen uns diese Einrichtungen eine Spendenbescheinigung ausstellen, und die bekommen sie nur, wenn sie beim Finanzamt als gemeinnützig anerkannt sind. Somit haben wir eine erste Kontrollinstanz, damit wir sicher gehen, nur gemeinnützige Institutionen zu unterstützen. Dadurch kann man davon ausgehen, dass die Mittel auch korrekt verwendet werden. Diese Einrichtungen bekämen ein Problem, wenn sie ihre Buchführung nicht genau machen würden. Dies noch einmal abschließend dazu.
schwatzgelb.de: Spielt es eine Rolle, ob der Antragsteller zum Beispiel ein evangelischer, katholischer oder städtischer Kindergarten oder ein Kinderhospiz ist, ob es eine Institution ist, die von staatlicher Seite unterstützt wird? Hält die Stiftung sich zurück, wenn ein Antragsteller schon anderweitig gefördert wird?
Marco: Natürlich gibt es da einen Unterschied. Staatliche finanzierte Einrichtungen möchten wir nur ungern unterstützen. Wir machen aber auch Ausnahmen, zum Beispiel bei der Fanclubausschreibung „Schwarzgelbe Familie“. Da haben sich ja BVB-Fans ein Projekt überlegt. Als konkretes Beispiel kann ich einen Fanclub aus Dortmund-Lanstrop nennen. Dort sehr viele heutige Fanclubmitglieder einst die gleiche Grundschule besucht und haben folgerichtig immer noch einen sehr starken Bezug zu dieser Schule. Sie hatten erkannt, dass das Außengelände der Schule nicht schön ist, und es keine Spielgeräte für die Kinder gibt. Die haben sich deshalb was Cooles überlegt. Sie wollten einen Kräuterpark und einen Barfußpfad für die Kinder bauen lassen. Ich will nur sagen: Manchmal tauchen so coole Ideen auf, dass wir da eine Ausnahme machen, auch wenn es sich um eine Schule handelt, die staatliche finanziert ist. Wir wissen natürlich, dass die Kommunen wenig Geld zur Verfügung haben und dass so ein Projekt niemals realisiert würde. Der Fokus liegt aber eindeutig darauf, dass wir eingetragene Vereine oder andere Stiftungen unterstützen wollen und gemeinsam Projekte fördern möchten.
schwatzgelb.de: Was muss man denn als Fanclub mitbringen, wenn man sich bei der Stiftung mit einem sozialen Projekt für Unterstützung bewerben möchte?
Marco: Grundsätzlich ist es so, dass wir mit unserer Stiftung offen sind gegenüber Wünschen von Fans. Wir versuchen zu helfen, wenn Fanclubs auf uns zukommen und sagen: „Wir haben hier eine Idee, die würden wir gerne umsetzen. Das Problem ist, dass wir keine Mittel dafür haben. Was wir aber bieten können ist unsere Manpower.“ Denn die ist einfach da, weil Fanclubs organisiert sind. Solche Projekte können wir sehr häufig unterstützen. Das finde ich auch total super, weil man so eine Brücke hin zu den Fans schlägt. Wir haben diese Projektausschreibung auch deshalb „Schwarzgelbe Familie“ genannt, weil wir über die Stiftung eine noch stärkere Verbindung zwischen den Fans und dem Verein herstellen möchten.
Wir fordern einmal im Jahr unsere Fanclubs dazu auf, sich mit Projektvorschlägen an uns zu wenden. Wir als Stiftung setzen voraus, dass die Fanclubmitglieder mit ihrem ehrenamtlichen Engagement diese Projekte in die Tat umsetzen. Ein klassisches Beispiel: Der Kindergarten benötigt ein neues Klettergerüst. Unsere Stiftung könnte die Gelder zur Verfügung stellen, und die Fans bauen das Klettergerüst auf oder bereiten den Aufbau zumindest vor. Oder wie im Beispiel des Fanclub Lanstrop, wo ein Barfußpfad gebaut werden sollte. So etwas können die Fans natürlich auch selber machen. Das sind Dinge, die ich einfach cool finde, weil es das ehrenamtliche oder das soziale Engagement der BVB-Fans fördert. Für unsere Stiftung ist es super, wenn wir solch schöne Projekte entwickeln können und bürgerschaftliches Engagement stärken. Deswegen heißt eine Säule unseres Konzepts ja auch Engagement. Das ist total wichtig, weil Borussia Dortmund als Verein damals auch auf der Basis von ehrenamtlichem Engagement aufgebaut wurde. Das ist auch der Hintergrund zu dieser Säule, wie wir das inhaltlich mit dem BVB verknüpft haben. Denn ich glaube, die meisten denken heutzutage einfach nur: „Es ist ein professioneller Fußballverein, da verdienen sich alle dumm und dämlich.“ Dass es aber über weite Strecken der Vereinsgeschichte finanziell überhaupt nicht rosig aussah, das ist heute kaum mehr jemandem bewusst. Und so haben wir versucht, diese Verknüpfung über diese Säule ein bisschen zu erneuern. Uns ist wichtig zu dokumentieren, dass bürgerschaftliches Engagement für den BVB eine hohe Relevanz hatte und hat.
schwatzgelb.de: Kannst du grob sagen, wie viele Projekte ihr bisher unterstützt habt?
Marco: Bisher haben wir über 50 Projekte unterstützt mit einem Volumen von ca. 300.000 Euro.
Die Stiftung als Marketinginstrument - die Einbindung der BVB-Belegschaft in Stiftungsprojekte
schwatzgelb.de: Inwiefern sind die Mitarbeiter der Geschäftsstelle involviert in die Stiftung? Zum Beispiel als Ideengeber, Unterstützer, als Vorreiter für bestimmte Aktionen. Ist da etwas angedacht oder ist da ein gemeinsamer Geist erkennbar?
Marco: Das ist eine gute Frage, ein Klasse-Ansatz, und ich habe das auch schon länger auf dem Schirm. Bei der Fanclubausschreibung machen wir es zum Beispiel so, dass es eine Jury gibt. Wir bekommen ja die Ideen der BVB-Fans zugeschickt. Die Jury setzt sich aus Fanbeauftragten und Vertretern der Fanabteilung zusammen. Die Jury bewertet die Ideen der Fans. Die Stiftung ist allerdings kein demokratisches Konstrukt. Ansonsten hätten wir einen e.V. gegründet. Man formuliert für die Stiftung Stiftungszwecke, die die Stifterin umsetzen möchte. Dies ist die Grundlage der Stiftungsarbeit. Meine Handlungsfreiheit ist also eingeschränkt. Ich kann zum Beispiel keine Tierschutzvereine unterstützen, weil wir das nicht in der Satzung verankert haben, unabhängig davon, dass das auch zum BVB nicht passen würde.
schwatzgelb.de: Es gibt aber bei anderen Vereinen Projekte wie "Schwitzen für den Verein" hier also "Schwitzen für die Stiftung". Jeder Mitarbeiter der Geschäftsstelle, von der Geschäftsführung und den Direktoren, bringt einmal im Jahr einen Tag lang seinen persönlichen Beitrag für die Stiftung.
Marco: Ich würde das gar nicht mit der Stiftung verknüpfen wollen. Dies ist eher ein Bereich "Corporate Volunteering“. Es gibt Unternehmen, die Mitarbeiter für ehrenamtliches Engagement freistellen. Dies ist bei einigen Unternehmen normal, und das habe ich als CSR-Projekt weiter auf dem Schirm. Mein Wunsch wird es irgendwann sein, dass der BVB Mitarbeiter eine Stunde in der Woche freistellt, um gemeinnützigen Zwecken nachzugehen. Man könnte sich natürlich überlegen, dass man BVB-Mitarbeiter mit einbezieht, wenn bei einem Projekt beispielsweise eine Räumlichkeit umgestaltet werden soll und man helfende Hände braucht. So etwas könnte ich mir super gut vorstellen. Wir haben allerdings solche Projekte bislang noch nicht gefördert beziehungsweise nur zusammen mit BVB-Fans durchgeführt. Wir sprechen ja von der schwarzgelben Familie, und die Fans liefern dazu ihre Power, wir geben die finanzielle Unterstützung und gemeinsam bauen wir das Projekt auf.
Du hast allerdings vollkommen Recht, dass man mit den Mitarbeitern noch mehr machen könnte. Wir haben vorletztes Jahr zu Weihnachten eine Aktion mit dem Weihnachtsbaum in der Geschäftsstelle unternommen. Es gibt in Dortmund den Verein „Interaktion“, und „Aktion Kinderwünsche“ ist deren Projekt zur Weihnachtszeit. Da haben wir in der Geschäftsstelle den Weihnachtsbaum unter das Motto "leuchte auf" gestellt. Daran hingen Kinderwünsche in der Preislage von 25 Euro und die Mitarbeiter konnten sich die Wünsche vom Baum herunternehmen, einkaufen gehen und dem Kind diesen Wunsch erfüllen. Das ist auch super angekommen, und diese Aktion haben wir Weihnachten 2014 wiederholt. Das hat mir gezeigt, dass die Mitarbeiter Bock auf das Thema haben. Aber insgesamt ist das ein guter Hinweis und ich werde mir Gedanken dazu machen, wie man die Mitarbeiter noch mehr einbinden kann. Übrigens konnten sich in diesem Jahr alle Fans an dieser Aktion beteiligen. Sowohl in der Geschäftsstelle als auch in allen BVB-Fanshops in Dortmund hingen die Kinderwünsche ebenfalls aus. So haben wir gemeinsam mit den Fans knapp 600 Weihnachtsgeschenke erfüllen können. Das war großartig!
schwatzgelb.de: Die Stiftung hat für den BVB sicher auch Marketing-/PR-Aspekte. Inwieweit verhindert man, dass das alles als Marketinginstrument wahrgenommen wird? Besteht nicht die Gefahr, dass gesagt wird, die Stiftung wird doch sowieso nur zur Werbung für den BVB betrieben? Macht ihr bewusst Sachen, die man nicht an die große Glocke hängt, unabhängig davon, ob der BVB dadurch besonders toll aussieht?
Marco: Natürlich! Klar machen wir so etwas. Wenn wir zum Beispiel Anfragen von schwerstkranken Kindern bekommen, die nur noch eine geringe Lebenserwartung haben, erfüllen wir in der Regel Wünsche, ohne das zu kommunizieren. Die enge Verbindung zum BVB ist für die Stiftung da unheimlich wertvoll, weil wir bei Borussia Dortmund die Aufgabe übernehmen, auf soziale Problemstellungen aufmerksam zu machen. Ich nehme das Beispiel der sozialen Inklusion. Menschen mit Behinderung so in die Gesellschaft zu integrieren, dass sie als selbstverständlicher Teil wahrgenommen werden. Da nutzt die Stiftung das Vehikel BVB, um dieses Thema öffentlich zu platzieren. Das funktioniert nur über diesen Weg. Die Stiftung wird öffentlich noch nicht so stark wahrgenommen, dass sie von alleine so ein Thema setzen könnte. Da brauchen wir natürlich den BVB.
Im Umkehrschluss ist es so, dass durch die Namensgebung, wir heißen schließlich BVB-Stiftung „leuchte auf“, auch Imageeffekte erzielt werden, die auch auf den BVB als Verein oder als Konzern zurückfallen, wenn wir so sozial engagiert sind. Ich finde, das ist kein großer Nachteil. Die Effekte, die wir über den BVB nutzen, sind größer als andersherum. Dadurch, dass wir eine rechtsfähige Stiftung sind, sind wir eine institutionelle eigenständige Einrichtung und haben z.B. auch eigenes Briefpapier. Die Geschäftsführung der KGaA bildet natürlich auch gleichzeitig den Stiftungsvorstand, und dadurch gibt es eine unmittelbare Verknüpfung. Wir dürfen als Stiftung zum Beispiel gar nicht für Sponsoren werben. Das höchste der Gefühle ist, und das finde ich auch gerechtfertigt, wenn wir von einem Sponsor einen Spendenscheck über eine erhebliche Summe überreicht bekommen, und dann auch ein Foto geschossen wird. Dies sollte man im sozialen Bereich auch nutzen, denn es können sich auch an vielen Stellen Win-Win-Situationen ergeben.
Ein Moment der besonders nahe ging - Einbindung von Spielern in Stiftungsprojekte?
schwatzgelb.de: Solche Projekte haben für Dich persönlich sicher auch eine Bedeutung. Man sitzt ja auch als Mensch und nicht nur als Entscheider im Büro. Gab es schon Projekte, bei denen es Dir persönlich leidgetan hat, wenn sie abgelehnt worden sind, weil sie den Stiftungszwecken nicht entsprachen?
Marco: Bei Stiftungsprojekten, die ich ablehnen musste, ist es mir noch nicht so gegangen. Denn ich wusste immer, warum ich sie abgelehnt habe. Es ist noch nicht vorgekommen, dass ich gedacht habe, oh das ist ein super Projekt, aber es passt nicht zum Stiftungszweck. Wir sind schon so breit aufgestellt, dass so etwas noch nicht vorgekommen ist. Es gab allerdings mal eine Situation, die mir persönlich total nahe gegangen ist. Da ging es um eine Familie in der Schweiz. Die Tochter der Familie hat uns angeschrieben. Ihr Bruder hatte eine schwere Krebserkrankung. Sie hatte beim Anschreiben noch die Hoffnung, dass die Chemotherapie bei ihrem Bruder noch anschlagen könnte und hat uns darum gebeten, ein unterschriebenes Trikot von Marco Reus für ihn zu organisieren, weil er ein Riesen-Fan von Marco Reus war. Wir haben uns so schnell es ging gekümmert. Haben ein Trikot organisiert, es von Marco unterschreiben lassen und in die Schweiz geschickt. Danach habe ich drei oder vier Tage keine Rückmeldung erhalten und habe mich dann bei der jungen Frau gemeldet. Sie hat mir dann erzählt, das Trikot wäre einen Tag zu spät angekommen, weil ihr Bruder zuvor verstorben war. Das ist mir richtig nahe gegangen, weil sie damals auch einen sehr emotionalen Brief geschrieben hatte. Wir haben dann die Familie ins Stadion eingeladen, damit sie stellvertretend für ihren Sohn bzw. ihren Bruder ein Spiel erleben können. Ich bin im Stadion bei der Familie vorbei gegangen und habe sie persönlich begrüßt. Die Mutter konnte gar nichts sagen, sondern hat die ganze Zeit nur geweint.
So etwas ist echt krass und das muss man auch erst einmal verarbeiten. Bei vielen Dingen, wir werden ja täglich mit ähnlichen Situationen konfrontiert, darf man es auch nicht zu nah an sich heran lassen. Ansonsten belastet einen das einfach zu sehr. Ich habe den höchsten Respekt vor Ärzten, die so etwas jeden Tag sehen und die einfach mitbekommen, wie Menschen sterben und die unmittelbar mit solchen Dingen konfrontiert sind. Wir bekommen es auch häufig mit und wir versuchen in dem Moment in allen Bereichen, im Rahmen, der uns zur Verfügung steht, zu unterstützen. Wir freuen uns natürlich, wenn wir so einen Wunsch erfüllen können, wie zum Beispiel ein krebskrankes Kind zum Trainingsgelände einzuladen, damit es sich Autogramme von den Spielern holen kann. Du siehst dann direkt, wie sich das Kind darüber freut, und dass so ein Erlebnis einen Motivationsschub für den Heilungsprozess geben kann und falls es dafür zu spät ist, dann war es immerhin noch einmal ein schönes Erlebnis.
schwatzgelb.de: Habt ihr dahingehend auch einen kurzen Draht zu Fritz Lünschermann, wenn es darum geht, dass beispielsweise gesperrte oder verletzte Spieler für die Stiftung zur Verfügung stehen?
Marco: Ja, in der Regel läuft das über Fritz. Wobei ich sagen muss, wir machen relativ wenig mit unseren Spielern. Das hat etwas mit der grundsätzlichen Spielerfluktuation heutzutage zu tun. Es gibt viele Vereine, die ihre Projekte haben und die sehr stark mit Spielern als Botschafter für bestimmte Säulen arbeiten. Wenn man einen Spieler auswählt und der dann unmittelbar mit der Stiftung verknüpft oder vielleicht sogar Botschafter für eine Säule ist, schafft man sich damit eventuell mehr Probleme als es Nutzen bringt. Das möchte ich einfach nicht.
Natürlich können die Spieler eine sehr hohe Öffentlichkeitswirksamkeit erzeugen und für einzelne Projekte auch gut genutzt werden. Ich möchte aber verhindern, dass Spielergesichter unmittelbar mit der Stiftung verbunden werden. Denn wenn sie irgendwann den BVB verlassen, was ja auch legitim wäre, ist das einfach unpassend.
Mir geht es auch mehr um die sozialen Projekte. Ich ärgere mich regelrecht darüber, wenn Medienvertreter fragen, ob bei einem Termin auch ein Spieler dabei ist und ich das verneine und als Reaktion kommt: „Ja, dann müssen wir mal gucken, ob wir überhaupt jemanden schicken.“ Manchmal geht es auch einfach nicht ohne Spieler.
schwatzgelb.de: Wie sähe das mit ehemaligen Spielern aus, die sehr lange für den BVB aktiv gewesen sind und einen hohen Identifikationsgrad haben?
Marco: Klar, das geht auch. Allerdings muss ich dazu sagen, dass mittlerweile eigentlich jeder Spieler wissen sollte, dass es die BVB-Stiftung gibt. Viele Spieler haben auch ihre eigenen Projekte, die sie unterstützen. Zum Beispiel Neven mit seiner Stiftung oder Roman und Sebastian. Schmelle setzt sich für den Tierschutz ein. Aber wenn jetzt ein Spieler zu uns kommt und sagt „Ich habe Lust hier mitzuwirken“, stehen ihm natürlich alle Türen offen. Dann muss aber auch gesichert sein, dass Derjenige in den nächsten Jahren noch beim BVB ist, weil es uns auf die langfristige Zusammenarbeit ankommt. Mir ist wichtig, dass die Spieler engagiert sind und hinter der Sache stehen und sich nicht einfach nur abfotografieren lassen, obwohl sie im Grunde gar nicht wissen, worum es geht.
Wie kam es zum Namen "leuchte auf" - Das Leuchtturmprojekt Youngsters Akademie
schwatzgelb.de: Wie ist man damals eigentlich auf den Namen „leuchte auf“ gekommen?
Marco: Das war sehr witzig. Denn das Konzept zu erarbeiten, hat wesentlich weniger Arbeit in Anspruch genommen als den Namen und das Logo zu finden, denn hier sind unzählige Kollegen aus dem Hause mit einbezogen worden. Die Namensfindung hat mehrere Monate gedauert. Wir wollten die Stiftung unbedingt ein Stück weit mit der Geschichte von Borussia Dortmund verknüpfen und hatten erst die Idee zum Logo. Der Stern auf dem Logo zeigt ja den Borsigplatz mit seinen sechs abgehenden Straßen des Kreisverkehrs aus der Vogelperspektive. Außerdem ist ein Stern auch ein schönes Symbol für eine Stiftung. Dann kam es zu der Frage, wie man dem Stern nun einen vernünftigen Namen geben kann. Wir sind dann viele bekannte BVB-Lieder durchgegangen und haben Passagen gesucht, die passen könnten. Am Ende haben wir dann gesagt, „Leuchte auf mein Stern Borussia“ passt richtig gut zur Stiftung und natürlich zu einem leuchtenden Stern. Außerdem kennt jeder dieses Lied, und so haben wir auch die Verbindung zum Borsigplatz, der Wiege des BVB, geschaffen.
schwatzgelb.de: Wie ist denn das Stiftungskonzept entstanden?
Marco: Als feststand, dass wir eine Stiftung gründen, mussten wir uns zuerst überlegen, welche Projekte wollen wir denn überhaupt fördern? Wir haben uns das sehr genau überlegt und gesagt, wenn wir was machen, muss sich das auf die Stadt Dortmund und die Region des Ruhrgebiets beziehen, denn das ist hier unsere Heimat und die Heimat des Vereins. Es macht einfach nur Sinn, wenn wir hier vor Ort arbeiten. Wenn wir zum Beispiel ein Projekt in Bremen fördern würden, fehlte mir einfach komplett der Bezug zum BVB.
Dann habe ich angefangen zu recherchieren und habe geguckt, in welchen Bereichen soziale Probleme in Dortmund bestehen. Dabei bin ich auf eine Studie der Stadt Dortmund aus dem Jahr 2008 gestoßen, aus dieser Studie ist mittlerweile der „Aktionsplan soziale Stadt“ geworden. In dieser Studie hat sich die Stadt dieselbe Frage gestellt, nämlich in welchen Bereichen nachgewiesen soziale Problematiken bestehen. Dort wurden dann Problembezirke eingeteilt und es wurden verschiedene Kriterien und Themenstellungen identifiziert. Aus diesen Themenstellungen haben wir uns passende für den BVB herausgesucht. Zum Beispiel der Bereich Vielfalt, der ja beim BVB eine große Rolle spielt. Wir haben versucht, die Studie mit Borussia Dortmund zu verknüpfen und eine Verbindung zu schaffen.
Uns war es wichtig, dass wir auch direkt am Borsigplatz ein Projekt unterstützen, und mit der Youngsters-Akademie ist uns das auch gut gelungen.
schwatzgelb.de: Kannst du die Youngsters-Akademie erklären, für die Leute, die noch nichts davon gehört haben?
schwatzgelb.de: Wie kam die Idee bei dir an?
Marco: Ich fand die Idee richtig gut, weil man die auch super mit dem BVB in Verbindung bringen konnte. Und das nicht nur, weil der Verein direkt am Borsigplatz Nr. 9 sitzt. Sondern eben auch, weil das Projekt einfach cool ist.
schwatzgelb.de: Worum geht es genau?
Marco: Es geht um die Kinder, die rund um den Borsigplatz aufwachsen. Dort gibt es viele soziale Herausforderungen. Außerdem muss man auch ganz deutlich sagen, dass es vielen Eltern total egal ist, was mit ihren Kindern passiert, gerade im Bildungsbereich. Diese Kinder möchten wir von der Straße holen und ihnen kreative Angebote machen, um sie in dieses Projekt zu integrieren.
Die Kids machen das auf zwei verschieden Arten: Sie besuchen einerseits interessante Berufsfelder, gehen zum Beispiel in die Kinderklinik, schauen sich den OP an und interviewen den Professor. So bekommen sie Informationen über interessante Berufsfelder. Die Kinder waren auch schon mal im BVB-Jugendhaus und haben mit dem Koch gesprochen, wie man eigentlich Koch beim BVB wird. Sie haben auch Hayrullah Alici, einen BVB-U17-Spieler interviewt und gefragt, ob man noch zur Schule gehen muss, wenn man Profi ist. Kinderfragen halt. Die Kids machen die Interviews komplett selbst, müssen sich im Vorfeld Fragen überlegen, die sie dann den jeweiligen Protagonisten stellen. Daraus werden Videoclips gemacht. Die werden von Kunststudenten in der Dortmunder Nordstadt aufbereitet, die das ehrenamtlich für das Projekt machen. Deswegen sind die Videos optisch auch so ansprechend.
Und dazu gibt eben noch das Youngsters Magazin. Das schreiben die Kinder selbst. Und berichten dann über ihre gemachten Erfahrungen. Sie waren beispielsweise mal bei der Robocup Fußballweltmeisterschaft in Holland und haben sich das alles angeguckt. Das ist ein Projekt, das auf der einen Seite den Kindern journalistische Erfahrungen bietet, weil sie das Heft selbst gestalten, dazu lernen sie von den Studenten aber eben auch, die Videoclips zu schneiden. Und sie lernen nebenbei noch etwas über die Arbeitswelt. Mir hat Volker Pohlüke, der Leiter des Projekts, im vergangenen Jahr von einem Kind erzählt, das unheimlich gerne Ärztin werden will, seit sie damals in der Kinderklinik war. Und da muss man der Kurzen natürlich mitteilen: „Wenn du Ärztin werden willst, musst du Abitur machen und dann musst du Medizin studieren.“ Die Kids bekommen also auch durch die Leiter des Projekts eine kleine Anleitung dafür, wie sie ihre Wünsche erfüllen können. Die reden dann auch mit den Eltern und weisen die Eltern dann darauf hin. Wir haben natürlich noch keine Evaluation gemacht über das Projekt, dafür ist es ja auch noch viel zu jung.
schwatzgelb.de: Seit wann läuft die Youngsters-Akademie?
Marco: Das läuft seit Januar 2013. Und das ist eines unserer Leuchtturm-Projekte, das wir langfristig unterstützen. Also wird die Projektförderung nicht im nächsten Jahr aufhören, sondern wir werden das weitermachen. Und vielleicht kriegen wir irgendwann dann mal die Rückmeldung, dass ein Kind – und das wär‘ halt schon mal ein Riesen-Erfolg – sich seinen Wunsch erfüllen konnte.
schwatzgelb.de: Wie alt sind die?
Marco: Die Kinder wachsen logischerweise ein bisschen mit, sie dürften mittlerweile zwischen 10 und 14 Jahre alt sein.
schwatzgelb.de: Und in dem Alter sagt man denen schon, dass sie Abitur machen müssen, wenn sie ihren Traum verwirklichen wollen?
Marco: Ja, klar. Es ist wichtig, den Kindern so früh schon Perspektiven aufzuzeigen. Zu dem Projekt kann ich auch noch eine Anekdote erzählen. Wobei eine Anekdote eigentlich immer lustig sein sollte und diese Geschichte eigentlich gar nicht so lustig ist. Als wir die Pressekonferenz mit Owo zur Vorstellung der Youngsters-Akademie hatten, haben wir ein Kind gefragt: „Was möchtest du denn später mal werden?“ Das war so ein 11-12 Jahre alter Knirps, der sagte dann, wie wahrscheinlich fast jeder in dem Alter: „Ich möchte Fußballprofi werden.“ Dann hat Owo ihn gefragt: „Du weißt aber schon, dass das schwierig ist, oder? Es gibt viele Kinder, die diesen Wunsch haben und das ist nicht ganz so einfach. Was möchtest du denn werden, wenn du nicht Fußballprofi wirst?“ Und dann sagte der Kurze: „Dann werd ich halt Drogendealer.“ Daraufhin haben wir uns alle völlig entgeistert angeguckt. Der Projektleiter Volker Pohlüke hat uns dann mal ein bisschen zur Seite genommen und erzählt, der Bruder von dem Kleinen wäre wohl in dem Bereich tätig. Der sieht dann, sein Bruder verdient gutes Geld, lebt gut und alles ist prima. Da war das für den Kurzen klar, Drogendealer ist ein guter Job. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, was das genau ist. Das hat uns dann auch nochmal ein bisschen die Augen dafür geöffnet, dass es wichtig ist, sich da vor Ort mit so einem Projekt zu engagieren.
schwatzgelb.de: Das ist ja auch für den BVB ganz wichtig. Der Verein hatte sich ja lange Jahre immer mehr vom Borsigplatz und der Nordstadt wegbewegt und wollten mit der Gegend auch gar nicht mehr so richtig was zu tun haben. Da wieder so ein bisschen zurück zu den Wurzeln zu gehen, auch wenn da jetzt natürlich ganz andere Verhältnisse herrschen als damals bei der Vereinsgründung, ist ja auch ganz wichtig für den Verein.
Marco: Ja. Und ich finde es auch wichtig für unsere Stiftung. Denn der Borsigplatz ist die Geburtsstätte von Borussia Dortmund, und es ist wirklich ein Stadtteil, das kann man wohl für die gesamte Nordstadt sagen, wo es unglaublich viele soziale Problemstellungen gibt, auch im Drogenmilieu. Das ist aber nicht das Thema unserer Stiftung ist. Diesen Bereich bearbeiten wir zum Beispiel nicht. Wir versuchen uns an der Stelle schwerpunktmäßig auf Bildungsprojekte zu konzentrieren. Aber es ist ganz wichtig, dass wir da vor Ort sind. Damit wir über die Stiftung von Borussia Dortmund zumindest einen Teil wieder zurückgeben können.
schwatzgelb.de: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Wir bedanken uns für das Gespräch.