Am Borsigplatz geboren - Franz Jacobi und die Wiege des BVB
Am 19.09. erschien nach langer Wartezeit endlich die DVD zur Entstehungsgeschichte des BVB. "Am Borsigplatz geboren - Franz Jacobi und die Wiege des BVB" ist ein Film von BVB-Fans (nicht nur) für BVB-Fans, per Crowdfunding ermöglicht durch BVB-Fans. Eine Rezension.
In diesen Tagen und besonders nach dem 1:5 in München wird viel über die Erwartungshaltung und die Ansprüche des Ballspielvereins Borussia 09 e.V. Dortmund diskutiert. „Demut" ist ein Begriff, der immer wieder fällt, häufig ist von der Rückbesinnung auf alte Tugenden und Einstellungen die Rede. Nicht nur in dieser Zeit lohnt sich daher ein Blick auf das, was Borussia Dortmund einst ausgemacht hat (und auch immer noch ausmacht). Auf die ersten Tage dieses großartigen Vereins, die Widerstände, die die Gründerväter überwinden mussten und die Schwierigkeiten, die fast dazu geführt hätten, dass es diesen Ballspielverein nie gegeben hätte.
Wer mit den letzten Stichworten noch nichts anfangen kann, hat offenbar noch nicht den neu erschienenen Film über die Gründungsgeschichte gesehen. Am Borsigplatz geboren – Franz Jacobi und die Wiege des BVB wurde am 19.09. offiziell und endlich auf DVD veröffentlicht und daraufhin an Vorbesteller und Unterstützer verschickt. Außerdem ist er nun auch für alle online und in den BVB-Fanshops zu erwerben. Um das Fazit dieser Rezension schon vorweg zu nehmen: dieser Film, der von BVB-Fans finanziell überhaupt erst ermöglicht wurde, weil er durch Europas größte Crowdfunding-Kampagne entstand und von drei Herzblut-BVB-Fans ins Leben gerufen wurde, ist ein Pflichtkauf für jeden, dessen Herz schwarzgelb schlägt.
Ein paar Worte zur Enstehungsgeschichte. Die drei Filmemacher Jan-Henrik Gruszecki, Marc Quambusch und Gregor Schnittker riefen Mitte 2013 dazu auf, den Film über die Crowdfunding-Plattform „startnext" zu unterstützen. Sie wollten den wohl wichtigsten Gründervater des Ballspielvereins – den namensgebenden Franz Jacobi - ehren, solange es noch möglich ist, weil es nicht mehr viele lebende Nachfahren gibt, die ihn persönlich kannten und etwas über ihn erzählen können. 120.000 Euro sollten in der Finanzierungsphase gesammelt werden, um den Film zu realisieren. Am Ende standen knapp 218.000 Euro, weil BVB-Fans, Fanclubs, Sponsoren der Borussia und Co. sich beteiligen wollten. Gruszecki, Quambusch, Schnittker und ihr Team konnten loslegen.
Zwei Jahre später ist der Film, der Anfang des Jahres schon in vielen Kinos in Dortmund, aber auch in ganz Deutschland Premiere feierte und durchweg positive Kritiken erntete, nun auch auf DVD erhältlich. Und schon auf dem ersten Blick fällt dem Unterstützer oder Käufer auf, dass es sich um eine wirklich hochwertige Produktion handelt. Unterstützer erhalten einen exklusiven schwarzen Schuber zusätzlich zum DVD-Paket, das ebenfalls in einem Schuber geliefert wird. Historische Fotos der legendären Orte Borsigplatz, Weiße Wiese und Wildschütz werten die Verpackung zusätzlich auf, neben der DVD findet jeder Käufer einen „Kein Bier für Rassisten"-Bierdeckel, zwei Postkarten, ein nett gestaltetes Booklet und eine Audio-CD vor. Auf Letzerer findet sich noch einmal die eigens für den Film komponierte Version von „Am Borsigplatz geboren" in einer Instrumental Version und der Version von Andy Schade und Jo Marie Dominiak. Schon hier wurden ehrlicherweise meine Erwartungen übertroffen, denn man merkt dem Produkt schon an der Verpackung an, dass mit ganz viel Liebe und Herzblut gearbeitet und etwas hergestellt werden sollte, was nicht einfach nur Standard-Kram ist.
Diese Detail-Verliebtheit, Hingabe und natürlich auch der BVB-Hintergrund der drei Macher zeigt sich selbstverständlich auch im Kern des Pakets, dem eigentlichen Film. In 109 Minuten erzählen sie hauptsächlich von den Anfängen des Ballspielvereins und starten mit den sich bald zum 50. Mal jährenden Europapokal-Sieg 1966, zu dem Franz Jacobi im hohen Alter selbst nach Glasgow reiste, um den bis dato größten Erfolg seiner (und hier kann man nun wirklich dieses Fürwort benutzen) Borussia mitzuerleben. Die Quintessenz: ohne Franz Jacobi hätte es diesen Europapokal-Sieg, alle weiteren Titel, die legendäre Märchenzeit zwischen 2008 und 2013, hätte es Borussia Dortmund nicht gegeben.
Für Liebhaber von Blockbustern und Popcorn-Kino sei an dieser Stelle erwähnt, dass es sich um einen Dokumentarfilm handelt. Dies ist aber auch kein Problem, da die Produzenten es schaffen, beeindruckende Bilder, historische Dokumente und Fotos, Animationen und Berichte von Hinterbliebenen eindrucksvoll miteinander zu verbinden. So wird die Entwicklung des Borsigplatzes grafisch genauso eindrucksvoll aufbereitet wie die nachgestellten Szenen von der Vereinsgründung im Wildschütz oder den ersten Spielen auf der Weißen Wiese. Es fühlt sich an als sei man live dabei als Franz Jacobi, Heinz Unger und die anderen Gründungsväter sich gegen die katholische Kirche zur Wehr setzen möchten, nur weil sie den einen großen Wunsch haben: Fußball zu spielen. Und auch Original-Zitate von Franz Jacobi selbst aus einem Interview mit BVB-Archivar Gerd Kolbe werden – und das mag anfangs komisch klingen – durch Sandmalerei wunderbar in Szene gesetzt. Dieser Film wird einfach zu keiner Minute langweilig, auch weil die Interview-Partner sympathisch und absolut authentisch sind – und eine gewisse Ursula Kude ohnehin allen die Show stiehlt. Denn diese Frau ist das, was man umgangssprachlich wohl „ein Original" nennt. Sie trägt ihr Herz auf der Zunge und versteht es, mit wenigen Worten klar zu sagen, was sie denkt. Nicht nur deshalb hat sie auch einen Platz im Herz der Filmemacher gewonnen und verdient sie sich ein Extra-Lob an dieser Stelle. Es ist schwer, diesen Film mit Worten zu beschreiben, sodass eigentlich wirklich nur die Empfehlung gegeben werden kann, sich einfach selbst ein Bild zu machen. Man wird es nicht bereuen.
Zusätzlich zum Film erhält man auf der DVD auch noch einen Audiokommentar von Schnittker, Quambusch und Gruszecki, die in geselliger Runde zusammensitzen und die Gedanken schweifen lassen. Dabei bekommt der Zuschauer entweder interessante und mitunter auch witzige Anekdoten zur Entstehung des Films, aber auch Zusatzinformationen wie die Tatsache, dass der damalige Wirt in der Gründungsgaststätte „Zum Wildschütz" sich keine Freunde unter Schiedsrichtern machte, weil er ihnen keinen Kaffee mehr gab, wenn er der Meinung war, er hätte gegen Borussia gepfiffen. Ich habe selbst vor diesem Audiokommentar noch keinen Film gesehen, bei dem ich wirklich Lust hatte, noch einmal die Macher zu hören. Diese Meinung muss ich nach Am Borsigplatz geboren wohl überdenken. Denn man erhält im Grunde einen zweiten, etwas launigeren und eben unterhaltsamen Film oben drauf. Dies liegt auch daran, dass sich die drei Macher nicht zu Ernst nehmen und eben locker quatschen. Beispielsweise darüber, dass der „Auswärtsmob" früher besser angezogen war als heute, manche Menschen auf Fotos lustig aussehen oder Brinkhoff's in der einen Minute als „Industriebier" diskreditiert wird, in der anderen aber noch einmal lobende Erwähnung für die Unterstützung des Filmprojekts erhält. Auch Filmfehler werden nicht verheimlicht, sondern offen angesprochen, unter anderem das Linksfahrgebot an der Weißen Wiese oder die Flutlichtmasten am Borussia-Stadion, die in der Sandmalerei vorhanden sind, historisch aber nie da waren. Und überhaupt: wenn Ursula Kude spricht, werden alle Macher still und lassen sie reden. Es lohnt sich also auch für diejenigen unter euch, die den Film bereits zu Hause haben, ihn noch einmal in den DVD-Player zu legen und sich den Audiokommentar zu geben.
Wer noch mehr zum Film erfahren möchte, kann sich die Sonderausgabe unseres Podcasts „Auffe Ohren" anhören. Dort war Jan-Henrik Gruszecki Anfang September zu Gast und plauderte munter über das Projekt.
Die DVD, sowie das Poster zum Film könnt ihr hier bestellen. Alternativ kann man die DVD auch bei Amazon bestellen.