Aus der Hölle ans Licht. Zehn wilde Jahre mit dem BVB.
Die vergangenen zehn Jahre beim BVB waren nicht einfach eine Aneinanderreihung mehrerer Saisons. Es ging für unsere Borussia von der Fast-Insolvenz zum Hochgeschwindigkeits-Fußball samt deutschem Double und Champions-League-Finale. Tim Gräsing hat diese Zeit aus allernächster Nähe miterlebt und berichtet davon in seinem Buch.
Beliebte Fernsehserien haben uns in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass es Geschichten gibt, die es verdient haben, so ausführlich wie möglich erzählt zu werden. Da wäre zum Beispiel Ted Mosby, der in 'How I met your mother' neun unterhaltsame Staffeln brauchte, um endlich die Frau seiner Träume zu finden. Oder die Mordermittler Rustin Cohle und Martin Hart, deren Suche nach einem brutalen Serienmörder nicht in Spielfilmlänge, sondern in einem achtstündigen Meisterwerk (True Detective) dargestellt wurde. Und auch die vergangenen zehn Jahre unseres geliebten Ballspielvereins sind eine solche Geschichte, die sich nicht mit wenigen Sätzen erzählen lässt. Schließlich ging es bergauf und bergab, aber vor allem bergauf, es gab Umwege, Zwischenziele und unerwartete Wendungen. Auf jene „zehn wilden Jahre mit dem BVB“, wie sie der Autor nennt, blickt Tim Gräsing in seinem Buch „Aus der Hölle ans Licht“ zurück.
Tim ist seit frühester Kindheit glühender Anhänger unserer Borussia. Daher hat er die vergangenen zehn Jahre nicht aus kritischer Distanz, sondern als allernächster Nähe betrachtet. Und aus dieser Nähe erzählt er die jüngere Vereinsgeschichte. Wie er 2005 unter der Fast-Insolvenz gelitten hat. Wie ihn die regelmäßigen fußballerischen Horror-Veranstaltungen unter Röber und Doll anwiderten. Wie erleichtert er war, als die Borussia unter Klopp plötzlich wieder Fußball spielte. Und auf welcher Wolke er schwebte, als Dortmund ganz Deutschland und Europa in Grund und Boden spielte.
Dabei bedient er sich einer bodenständigen, und doch flapsigen Sprache, wie es einer Erzählung aus dem Ruhrpott nun mal gebührt. Der Leser hat von Anfang an das Gefühl, als stehe er mit Tim gerade an der Theke, wo dieser weit ausholt: „Also, das war so...“ Dass sich diese Theke in einer Dortmunder Kneipe befindet, wird dadurch deutlich, dass Tim immer wieder Bezüge zu ganz speziellen BVB-Momenten herstellt oder Passagen aus Vereinsliedern zitiert. Menschen, die dem BVB nicht nahe stehen, werden an diesen Stellen Schwierigkeiten haben, dem Erzählten zu folgen. Menschen, die dem BVB nicht nahe stehen, werden dieses Buch in seiner ganzen Form womöglich nicht verstehen. Aber das ist kein Wunder. Denn wie wir alle wissen, verstehen Menschen, die dem BVB nicht nahe stehen, in der Regel nicht allzu viel.
Molsiris gibt den Startschuss
Tim beginnt bei seinen Erzählungen dort, wo es für den BVB beinahe zu Ende gegangen wäre. Am 14. März 2005. Der Tag der Molsiris-Entscheidung. Damals drückte Tim noch die Schulbank. Und an jenem Montag saß er äußerst nervös auf selbiger. Mit einem Ohr stets am Radio. Der Leser erinnert sich prompt zurück an diese schreckliche Zeit und weiß natürlich sofort, was er selbst an diesem Tag erlebt und wie er die freudige Nachricht empfangen hat.
In der Folge beschreibt Tim den Verlauf der einzelnen Saisons und welche Auswirkungen die Spiele und Tabellenstände auf seinen mentalen und auch physischen Zustand hatten. Die markanten Punkte jeder Saison hebt Tim besonders hervor. Und auch hier schwelgt der Leser unweigerlich in Erinnerungen: „Wo habe ich dieses Spiel erlebt? Wie habe ich von diesem Transfer erfahren? Wie habe ich auf diese Niederlage oder diesen Triumph reagiert?“
Die erste Hälfte des Buches durchzieht genau jener graue, triste Tenor, der sich in den Jahren 2005 bis 2008 Samstag für Samstag auf dem Spielfeld widerspiegelte. Tims Ausführungen aus dieser enttäuschenden Phase finden ihren Höhepunkt im Abstiegskampf 2007: „Ich schlief schlecht. Ich aß kaum noch. Ich fühlte mich alt, verbraucht und von meiner geliebten Borussia im Stich gelassen.“ Wem ging es damals nicht so?
„Die Gegner fielen reihenweise.“
Auch für die beiden zurückliegenden Spielzeiten mit den wiedererstarkten Bayern findet Tim passende und wirkungsvolle Worte: „Das Imperium, das Böse, schlug zurück. […] Ich fand das nicht weiter verwunderlich. Mit der ersten Meisterschaft hatten wir sie verärgert. Mit der zweiten Meisterschaft hatten wir sie gekränkt. Mit dem Pokalsieg hatten wir sie bis auf die Knochen blamiert. […] Wir hatten dieses Unheil hinaufbeschworen, denn wir waren der Stachel, der sich tief in die rote Selbstgefälligkeit gebohrt und langjährige Strukturen aufgeweicht hatte.“
Zum Ende seiner Erzählungen kommt Tim zu der Erkenntnis, dass die Dortmunder Entwicklung der beiden vergangenen Jahre sicher nicht optimal war, aber dass die Borussia heute so viel besser dasteht als noch vor zehn Jahren. Die Borussia ist ihren Weg gegangen. Einen atemberaubenden, aufregenden Weg, den vor zehn Jahren niemand für möglich gehalten hätte. Der BVB hat es geschafft. Aus der Hölle ans Licht.
Offenlegung: Tim Gräsing ist Mitglied unseres schwatzgelb.de-Redaktionsteams.