Danke, Fußball!
Ganz ehrlich, die Motivation zur Generalprobe des BVB vor der Rückrunde zu fahren, hatte in den letzten Tagen gehörig gelitten. Das hatte weniger mit der endlosen Leidens- und Vertragsverhandlungsgeschichte des Ilkay G. oder den eher lustlos-behäbigen Auftritten der Borussen in den bisherigen Testspielen zu tun. So etwas übertüncht die Lust auf Fußball nach einer Zeit der Entbehrung locker. Aber die Nachricht von einem unter Beteiligung von BVB-Fans halbtot geschlagenen Mitglied der Gelsenszene und die Haus- und Stadionverbote, die im Nachklapp des Auswärtsderbys auf die Dortmunder Fanszene herabprasselten, die Diskussion über Derbys komplett ohne Gästefans, hatten auch einem diesbezüglich eher Unbeteiligten wie mir die Lust auf Fußball gehörig verhagelt.
Die Vorlage, die ein paar Schläger in Köln Nordrhein-Westfalens höchstem Polizeibeamten lieferten, dem in der Hauptveranstaltung des Fankongresses in Berlin gerade die Argumente ausgingen, lag mir noch sehr schwer im Magen. Der Mann, der bis dahin ein Musterbeispiel dafür abgeliefert hatte, was in Deutschlands Polizeibehörden so alles falsch läuft, konnte nach einem Anruf eines Untergebenen triumphal verkünden: „Das ist die Klientel, mit der wir es zu tun haben!“ Zum großen Glück für Deutschlands Fußballfans bewahrheitete sich seine voreilige Prognose nicht, dass der schwer verletzte Fan „die Nacht nicht überleben“ würde. Was die Prediger der Repression aus dieser Geschichte sonst gestrickt hätten, mag ich mir nicht ausmalen.
Nur widerwillig trat ich also die kurze Reise zum Wedaustadion an und die Fahrt schien von Beginn an unter keinem guten Stern zu stehen. Nachdem ich eine Bahn knapp verpasste und die nächste eine ordentliche Verspätung hatte, schien es festzustehen, dass ich wohl nur die zweite Halbzeit des Benefizspiels unserer Borussia für den finanziell angeschlagenen Meidericher SV miterleben würde. Als ich in Duisburg-Schlenk aus der S-Bahn hastete, wehte der Wind mir aber wohlvertraute Klänge entgegen. „You’ll never walk alone“ das Lied, das den Einstieg in jedes Heimspiel im Tempel einläutet, war unverkennbar. Die Fußballhymne, die eigentlich den Scousers gehört und doch im Westfalenstadion mit ähnlicher Inbrunst wie an der Anfield Rd. von Menschen gegröhlt wird, die der englischen Sprache in weiten Teilen nur rudimentär mächtig sind. Sofort keimte Hoffnung. War der Anpfiff doch noch nicht erfolgt? Nein, es stellte sich heraus, dass der BVB im Stau stecken geblieben war und ich gerade rechtzeitig meinen Platz auf der Pressetribüne erreichen würde. Das neue Wedaustadion, die Blaupause aller Hellmich-Bauten der Republik, erstrahlte im Flutlicht und eine für ein Testspiel beeindruckende Kulisse begrüßte mich. Jetzt war es wieder da. Das Gefühl! Endlich Fußball!
Erste Halbzeit
Nach ein paar Sekunden ist das Spiel schon unterbrochen, weil Aubame einen Schlag abbekommen hat. Mit einer ordentlichen Beule ging es für den schnellsten Mann beim BVB direkt in die Kabine. Borussia fortan erst einmal zu zehnt. Trotzdem hatte der BVB die erste Chance, aber Alt-Borusse Ratajczak war minimal vor dem durchgestarteten Mkhitaryan am Ball, weshalb es trotz spektakulärer Flugeinlage natürlich keinen Elfmeter gab. Nach nicht einmal 5 Minuten hatte der Abnutzungskampf das nächste Opfer gefordert. Ofosu-Ayeh zog sich ohne Einwirkung eines Gegenspielers im Sprint eine Muskelverletzung zu und musste nach kurzer Behandlung aufgeben. Aubameang kam aber kurz darauf wieder aus den Katakomben und trug nun ein beeindruckendes Pflaster an der Stirn spazieren.
Kaum stand der pfeilschnelle Gabuner wieder auf dem Platz, da schlug er auch schon zu. Sahin schickte Mkhitaryan zum Hochgeschwindigkeitskonter auf die Reise und der hatte im Strafraum noch den Blick für den Mitspieler. Seinen Querpass konnte Aubameyang problemlos verwandeln, weil er im Sprint von der Mitellinie sämtliche Gegenspieler locker abgehängt hatte. Kurz darauf schickte Kehl Lewandowski auf die Reise, aber der entschied sich für die egoistische Variante und vertändelte den Ball. Aber auch der MSV durfte zu Beginn des Spiels mitspielen. Die Dortmunder Aushilfsinnenverteidiger Friedrich und Günter produzierten ein Missverständnis inklusive Querschläger und schon liefen zwei Zebras allein in Richtung des Kängurus. Doch Australien erwies sich stärker als Afrika, Mitch tauchte ab und klärte den Flachschuss ohne größere Probleme.
Wenn der Gegner versucht mitzuspielen, sind lange Bälle auf Aubameyang natürlich immer ein probates Mittel. Der Gabuner mit der Beule zog seinen Sprint schon weit in der eigenen Hälfte an und nahm den Kopf erst hoch, als er im Duisburger Strafraum angekommen war. Da legte er schön ab auf den nachrückenden Reus und der spielte mit einem kleinen Flachpass Lewandowski derart frei, dass der sich die Ecke praktisch aussuchen konnte, in die er den Ball schieben wollte. Das war natürlich schön anzusehen, aber Duisburg ist auch eher nicht der wirkliche Prüfstein für einen angehenden Champions League Viertelfinalisten.
Nach 25 Minuten zog der bullige Onuegbu in den Strafraum, aber wieder war Langerak blitzschnell am Boden und spitzelte ihm den Ball vom Fuß. Die gut gefüllte Heimkurve forderte lautstark einen Elfmeter, aber auch hier lag der Schiedsrichter absolut richtig, als er auf Eckball entschied. Der MSV hatte kurz darauf noch eine gute Gelegenheit. Standardspezialist De Witt zog einen Freistoß von halbrechts schön über die Mauer, aber auch knapp neben den Kasten von Langerak. Dann kam aber schon der nächste BVB Hammer. Aubameyang flankte in den Strafraum, Lewandowski legte schön zurück und Sahin donnerte den Ball aus 16 Metern an den Pfosten. Den Nachschuss verpasste zunächst Lewandowski, bevor Kevin Großkreutz den Ball aus guter Schussposition in den Himmel jagte. Das Publikum war sich dann ausnahmsweise mal einig: Schalalala Scheiße 04. Weiß ja jeder im Pott, dass die Kacke sind. Testspielatmosphäre vom Feinsten. Freudige Nachricht am Rande: Trotz gebrochener Nase warf sich Sahin im Mittelfeld ohne Rücksicht auf Verluste in jeden Kopfball.
Der nächste Treffer ging zu 50% auf das Konto von Käpt’n Kehl, der am Strafraum resolut einem Ball nachsetzte, den seine Kollegen verloren hatten. Ein kleiner Pass zu Lewandowski, der sieht den startenden Mkhitaryan und legt ihm den Ball in den Lauf und fettich is die Lauge. Zwei Minuten später schlug der Armenier erneut zu. Nach einem Pass von Lewandowski lief er allein auf Ratajczak zu und ließ diesem aus 14 Metern erneut keine Chance. Jetzt fielen die Treffer fast im Minutentakt. Eine Flanke von Schmelzer wurde abgeblockt und landete direkt auf dem Schlappen von Lewandowski, der die Kugel von der Strafraumgrenze trocken in den Winkel hämmerte. Kurz darauf versuchte sich Sahin an einem Traumtor, aber sein Schlenzer ging hauchdünn drüber. Diese erste Halbzeit machte aus Borussensicht richtig Laune. Schade nur, dass die Treffer alle in Richtung der Gästekurve erzielt wurden. Mit dem Pausenpfiff durfte dann auch der MSV noch etwas Ergebniskosmetik betreiben. Friedrich fälschte einen Schuss von Onuegbu unhaltbar für Langerak ab und endlich konnte auch die Heimkurve einen Treffer bejubeln.
Der jämmerliche Rest vom Spiel
In der zweiten Halbzeit schickte Jürgen Klopp 10 neue Feldspieler ins Rennen. Nur Langerak blieb auf seinem Posten, weil Weidenfeller zur Schonung gar nicht erst mit nach Duisburg gereist war. Der zweite Anzug rund um Julian Schieber, der bereits beim Aufwärmen vom Gästeblock frenetisch gefeiert worden war, tat sich zunächst deutlich schwerer, Chancen herauszuspielen. Von den Blitzattacken der ersten Halbzeit war nichts mehr zu sehen. Und so dauerte es eine knappe Viertelstunde, bis es erstmals wieder lauter im Wedaustadion wurde. Denn die erste gefährliche Aktion im zweiten Durchgang gehörte dem MSV. Langerak lag schon am Boden, Onuegbu zog an ihm vorbei, konnte den Ball aber aus spitzem Winkel nur noch ans Außennetz platzieren.
Als die Duisburger Journaille schon Verwünschungen gegen Klopp ausstieß, weil der die erste Elf vom Feld geholt hatte, kam der große Auftritt von Testspielpublikumsliebling Julian Schieber. Einen hohen Schlag aus dem Mittelfeld holte er einigermaßen gekonnt runter, erlief den verstolperten Ball und schoss ihn aus extrem spitzen Winkel hinter Ratajczak in den Kasten. Extase im Gästeblock! Nun wechselte auch der MSV ein wenig durch und in der kurzfristigen Verwirrung in der Zebra-Abwehr bot sich Hofmann eine gute Schussmöglichkeit, die er aber einigermaßen kläglich vergab. Der Gästesektor forderte derweil „Schieber für Deutschland“. Naja. Wie realistisch sein WM-Start ist, demonstrierte der grobmotorisch veranlagte Schwabe dann bei nächster Gelegenheit. Er stolperte an Ratajczak-Ersatz Lenz vorbei, um sodann mit dem Ball ins Toraus zu laufen. Das nächste „Highlight“ ließ dann weitere 10 Minuten auf sich warten, bis Olli Kirch es schaffte, einen 25-Meter-Schuss über das Fangnetz hinweg auf die Tribüne zu ballern. Vielleicht ergibt sich da ja doch noch eine Option für eine NFL-Karriere für den sympathischen Vollblutborussen.
BVB Hz. Gut: Langerak - Großkreutz, Friedrich, Günter, Schmelzer - Sahin, Kehl - Aubameyang, Mkhitaryan, Reus – Lewandowski
BVB Hz. Mau: Langerak - Piszczek, Sokratis, Sarr, Durm - Kirch, Bender - Blaszczykowski, Hofmann, Ducksch – Schieber
MSV: Ratajczak (71. Lenz) – Ofosu-Ayeh (6. Feisthammel), Kühne, Bajic, Güll (71. Lekesiz) – Öztürk, De Wit – Yesilyurt, Zoundi, Aycicek (71. Rybacki) – Onuegbu (71. M'Bengue)
Tore: 0:1 Aubameyang (8. Mkhitaryan) 0:2 Lewandowski (16. Reus), 0:3 Mkhitaryan (37. Lewandowski) 0:4 Mkhitaryan (40. Lewandowski), 0:5 Lewandowski (42. Schmelzer), 1:6 Schieber (69. Kirch)
24.355 Zuschauer im Wedaustadion