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„Wir lassen uns nicht beeindrucken!“ – Julius-Hirsch-Preis für Borussia Dortmund

15.10.2014, 21:35 Uhr von:  Redaktion

Der BVB setzt einmal mehr ein Zeichen gegen Diskriminierung und Rassismus und wird für sein Engagement mit dem Julius-Hirsch-Preis 2014 ausgezeichnet. Am Dienstag fand die Preisverleihung in Gelsenkirchen statt. Neben den Verantwortlichen der Gedenkstättenfahrten waren auch die Teilnehmer ins Hans-Sachs-Haus eingeladen.

Übergabe des Julius-Hirsch-PreisesSie war seine letzte Botschaft: Eine Postkarte an die damals 14-jährige Tochter Esther. Gestempelt am 3. März 1943 in Dortmund, wo er sie vermutlich aus dem Zug geworfen hat. Mehr ist nicht bekannt von den letzten Tagen, Wochen, Monaten im Leben von Julius Hirsch. Er wurde Jahre später mit Datum vom 8. Mai 1945 für tot erklärt. Julius Hirsch war neben Gottfried Fuchs einer von zwei Juden, die je für die deutsche Nationalmannschaft antraten.

14. Juli 2014: In der Nacht nach dem WM-Sieg der Deutschen werfen Unbekannte einen Gullideckel in eine Scheibe der jüdischen Synagoge in Gelsenkirchen. Es war nicht die einzige Tat dieser Art in den letzten Monaten.

Relevanz des Themas ungebrochen

Drei Monate später, ein paar Straßen weiter: Im Hans-Sachs-Haus Gelsenkirchen vergibt der DFB im Vorfeld des Qualifikationsspiels gegen Irland den Julius-Hirsch-Preis. Mediendirektor Ralf Köttker moderiert die Preisverleihung und verweist direkt zu Beginn darauf, dass der Veranstaltung aufgrund der Ereignisse in der nahen Vergangenheit vielleicht noch mehr Relevanz zukommt als zuvor. Gelsenkirchens OB Frank Baranowski schlägt in dieselbe Kerbe: „Der Einsatz gegen Diskriminierung und Rassismus hört nicht am Stadiontor auf.“ Der Fußball habe lange gebraucht, um sich der dunklen Stellen in seiner Geschichte zu erinnern. Mittlerweile tut er es – abgeschlossen aber wird diese Arbeit nie sein. Leider lassen es sich sowohl Baranowski als auch Köttker nicht nehmen, an dieser Stelle auch noch auf einen deutlichen Sieg gegen die Iren zu setzen. Klüger ist man bekanntlich immer hinterher.

Julius HirschAnschließend wird den rund 300 Ehrengästen eindrucksvoll die Geschichte des Namensgebers Julius Hirsch vor Augen geführt. Vor genau 100 Jahren wurde Hirsch mit der Spielvereinigung Fürth Deutscher Fußballmeister, leistete anschließend seinen Wehrdienst und wurde für seine Verdienste mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Der Erste Weltkrieg kostete ihn seine besten Fußballerjahre, dennoch fühlte er sich seinem Sport und seinem Land so verbunden, dass er mit dem, was ihm in den kommenden Jahren wiederfahren sollte, nie gerechnet hatte. Dennoch ereilte ihn dasselbe Schicksal wie so viele Juden in dieser Zeit: Er wurde aus dem Verein ausgeschlossen, verfolgt, deportiert und schließlich in Auschwitz ermordet. Die Botschaft dieser Taten hallt bis heute nach: Seid nicht sprachlos, sondern erinnert euch der Geschichte von Julius Hirsch und erzählt sie weiter!

Deutliche Botschaft: Bleibt nicht sprachlos!

Nach einem Grußwort von DFB-Präsident Niersbach und dem israelischen Botschafter Yakov Hadas-Handelsman geht es weiter mit der Ehrung der Plätze zwei und drei. Letzteren erhält die Volkshochschule der Stadt Roth, den zweiten bekanntermaßen das Gemeinschaftsprojekt der BVB-Fanbeauftragten, der Fanabteilung, des Fanprojekts und der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache. Sie werden für die Gedenkstättenfahrt in die Region rund um das polnische Lublin ausgezeichnet, wo sich rund 32 BVB-Fans auf Spurensuche deportierter Jüdinnen und Juden aus Dortmund begaben. Von Vereinsseite steht KGaA-Geschäftsführer Thomas Treß auf dem Podium, der versichert, dass der BVB sich seiner Verantwortung im Hinblick auf die Anti-Rassismus-Arbeit bewusst sei. Angesprochen auf die rechtsextremistisch motivierten Übergriffe auf Thilo Danielsmeyer und Jens Volke in Donezk betont Daniel Lörcher: „Wir lassen uns von solchen Vorfällen nicht beeindrucken.“BVB-Fanbeauftragter Daniel Lörcher

Mehr Raum wird den Zweit- und Drittplatzierten leider nicht eingeräumt, stattdessen folgt eine teils wirre Laudatio von Sky-Kommentator Marcel Reif auf die Schickeria, welche für ihre Erinnerung an Kurt Landauer den ersten Preis in Empfang nehmen darf. Stellvertretend für die Gruppe betritt Simon Müller das Podium, der nach einigen Nettigkeiten von Niersbach und Karl-Heinz Rummenigge dann auf unwürdige und an dieser Stelle völlig deplatzierte Art und Weise Stellung dazu nehmen soll, weshalb sich eine Ultragruppe, die für so eine positive Aktion ausgezeichnet wird, nicht von Gewalt distanzieren könne. „Wir sind, wie wir sind“, entgegnet Müller und verweist darauf, dass aus seiner Sicht auch beim Verband nicht alles so laufe, wie er und andere Fans sich das wünschten. Fremdschämen in einer Veranstaltung, bei der eigentlich ein völlig anderes Themenfeld im Mittelpunkt stehen sollte und die an dieser Stelle von den Verantwortlichen für den Aufbau einer unangebrachten Erwartungshaltung genutzt wird.

BVB-Präsident Rauball setzt ZeichenSo geht zum Schluss die Auszeichnung von Mario Bendel für seine Facebook-Seite „Fußballfans gegen Rechts“ leider etwas unter. Und das zumal Andreas Hirsch, Enkel von Julius Hirsch, den Sonderpreis persönlich übergibt. Er bedankt sich bei Bendel und den Anwesenden für ihr Engagement und erklärt stellvertretend für die gesamte Familie: „Wir hätten uns nicht träumen lassen, dass der Name unseres Großvaters wieder so ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt wird.“

Den Ärgernissen bei der Verleihung zum Trotz stellt doch die Auszeichnung mit dem Julius-Hirsch-Preis ein deutliches Zeichen für die Anti-Rassismus-Arbeit des gesamten Vereins dar. Nun ist es an jedem Einzelnen von uns, dieses Zeichen auch in Zukunft mit Leben zu füllen und weiterzutragen. BVB-Präsident Reinhard Rauball jedenfalls ging gleich mit gutem Beispiel voran.

goldkind, 15.10.2014

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