...Ballspiel.vereint! – Borussen gegen Diskriminierung
Im Februar ist die Initiative ballspiel.vereint!, die sich mit Diskriminierung rund um Borussia Dortmund beschäftigt, mit einer Homepage und einer Facebook-Seite in die Öffentlichkeit getreten. Seitdem ist die Liste der Unterstützer stetig angewachsen und auch die Facebook-Seite erfreut sich großem Zuspruch. Wir haben uns mit den Jungs getroffen um die wichtigsten Fragen zu klären. Wofür steht ballspiel.vereint, wer steckt dahinter und welche Aktionen sind geplant?
schwatzgelb.de: Hallo, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt uns ein paar Fragen zu beantworten. Fangen wir mal ganz vorne an: Wie seid ihr darauf gekommen, die Initiative ballspiel.vereint! ins Leben zu rufen und was kann man sich unter ballspiel.vereint! überhaupt vorstellen?
ballspiel.vereint!: Die Initiative ballspiel.vereint! ist ein Zusammenschluss von Einzelpersonen und Fangruppen von Borussia Dortmund, zumeist Alles- oder Vielfahrer. Die Initiative setzt sich aus verschiedensten Teilen der Fanszene zusammen. Es sind Ultras dabei und Allesfahrer, aber auch Fans, die nur zu Heimspielen gehen. Uns verbindet neben dem Interesse an Borussia Dortmund der gemeinsame Wunsch, dass sich bei Borussia alle Menschen wohlfühlen können und wir ein entsprechendes Klima schaffen, in dem niemand Angst haben muss, dass ihm jemand in den Rücken fällt. Erst recht kein anderer BVB Anhänger.
schwatzgelb.de: Warum haltet ihr eine Initiative wie ballspiel.vereint! für notwendig?
ballspiel.vereint!: Es gab in der Vergangenheit mehrere Vorfälle, die zum Teil auch nicht so publik geworden sind wie die Angriffe auf Fanprojekt und Fanbetreuer in Donezk, die zeigen, dass man etwas für ein tolerantes Klima rund um den BVB tun muss. Andererseits gibt es auch positive Beispiele dafür, dass die Stimmung sich auch schnell drehen kann. Beim letzten Auswärtsderby, als wir mit den Bussen gefahren sind, wurden Leute als „Kanaken“ beschimpft. Da haben dann Leute von uns gesagt, dass wir so etwas hier nicht hören wollen und dafür haben wir im Bus viel spontane Zustimmung bekommen. Die Zivilcourage, sich zu äußern, wenn man solche Sprüche zu hören bekommt, wollen wir erleichtern. Jeder soll wissen, dass viele Leute hinter ihm stehen, wenn er sich gegen Diskriminierung zur Wehr setzt.
schwatzgelb.de: Es war ja auch ein Kritikpunkt, der bei uns im Forum aufgekommen ist, dass ihr einen Konsens schaffen wollt, der schon jetzt bei der ganz überwiegenden Mehrheit der BVB-Fans besteht.
ballspiel.vereint!: In der Fanszene von Borussia Dortmund hat sich ein stetiger Wandel vollzogen. In den Jahren 2005 und 2006 war ein krasser Antisemitismus weit verbreitet, der auch offen ausgelebt wurde und kaum auf Widerstand gestoßen ist. Das wurde dann nach und nach zurückgedrängt und die Problemfelder haben sich verlagert. Antisemitismus und Rassismus, die offen zur Schau getragen werden, sind weniger geworden, dafür trifft man jetzt vermehrt auf Sexismus und Homophobie. Dieses Themengebiet spielt für uns auch eine große Rolle. Aber auch bei uns kann sich das Augenmerk wandeln, zumal das ja auch immer davon abhängt, wer sich in der Initiative ballspiel.vereint! engagiert. Fakt ist aber, dass es rund um den BVB besonders bei internationalen Auswärtsspielen ein Klima gibt, dass es den Leuten unmöglich macht, ihr Maul aufzumachen, ohne Gefahr zu laufen, sich Sprüche anhören zu müssen oder gar auf die Fresse zu bekommen. Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir den Diskurs so wandeln können, dass viel mehr Leute ganz selbstverständlich sagen, dass diskriminierende Äußerungen nicht klar gehen. Wir wollen ein Forum schaffen, dass den Leuten die Möglichkeit gibt, sich zu diesen Themen offener zu artikulieren. Keiner soll das Gefühl haben, sich aus Angst vor Beleidigungen oder körperlicher Gewalt verstecken zu müssen.
schwatzgelb.de: Inwiefern ist es denn nach eurer Einschätzung heutzutage noch so, dass Leute Angst haben müssen, die sich offen gegen Diskriminierungen aussprechen?
ballspiel.vereint!: Unsere Initiative gibt es ja schon etwas länger und in der Zwischenzeit haben uns schon einige Fans davon berichtet, was ihnen passiert ist. Ein Beispiel aus eurem Forum ist jemand, der davon berichtet hat nicht mehr in seinem Block stehen zu können, weil er von Nazis ein „Blockverbot“ bekommen hat. Der hatte die darauf angesprochen, als er auf einem Handydisplay ein Hakenkreuz gesehen hat. Ähnliche Vorkommnisse wurden uns aus verschiedenen Ecken des Stadions berichtet. Auch wenn es nicht jeder Stadiongänger mitbekommt, die Problematik besteht weiterhin. Auch „Fußballfans gegen Homophobie“-Shirts sieht man beim BVB nur sehr selten. Ein Fan, der bei einem Auswärtsspiel der Amateure ein solches Shirt getragen hat, wurde von anderen BVB-Fans gefragt, wie er dazu käme, so etwas beim BVB zu tragen, man sei ein „richtiger Verein und nicht so ein Schwuchtelverein“. So etwas würde zu Konflikten führen und daher bitte man ihn, so ein T-Shirt zukünftig nicht mehr beim BVB zu tragen. Es wäre ignorant, solche Probleme zu leugnen, bloß weil man es als weißer Mann, der „deutsch“ aussieht, nicht unbedingt mitbekommt, wenn andere diskriminiert werden.
schwatzgelb.de: Ihr habt davon gesprochen, dass ihr den Leuten ein Forum bieten wollt. Was kann man sich darunter vorstellen?
schwatzgelb.de: Ich wollte noch einmal nachhaken weil Du eben sagtest, dass Ihr zwar mit der Homepage gerade nach außen getreten seid, aber die Initiative schon länger aktiv ist. Welchen Zeitraum muss ich mir da vorstellen, wann habt Ihr Euch mit der Idee zusammengefunden?
ballspiel.vereint!: Ein halbes bis ein ganzes Jahr. Wir fingen damit an, Grundideen zu sammeln. Danach haben wir Fanclubs angeschrieben, die sich in der Vergangenheit schon mal mit dem Thema beschäftigt haben und sich am Spieltag nicht nur auf das Spiel konzentrieren. Mit der Zeit wurde es halt immer konkreter. So sind erste Ideen entstanden. Im Rahmen der FARE-Aktionswoche ein Spruchband auf der Südtribüne zu sehen, über das auch im Vereinsmagazin berichtet wurde. Vielleicht hat es ja dort schon jemand wahrgenommen. (Anm.: Football against racism in Europe [FARE] ist eine von Fans verschiedener Vereine gegründete Initiative, die Rassismus rund um den Fußball bekämpft: http://www.farenet.org/)
schwatzgelb.de: Was stand da drauf?
schwatzgelb.de: Die Homepage haben wir uns auch angeschaut und da stand auch, dass Ihr die Ausstellung von BAFF „Tatort Stadion“ ins Borusseum holen werdet. Inwiefern hattet Ihr damit zu tun, dass die Ausstellung ins Borusseum kommt? Und was wird in dieser Ausstellung gezeigt?
ballspiel.vereint!: Die Idee, die Ausstellung nach Dortmund zu holen, gab es schon länger und wir haben das jetzt nochmal konkret angepackt, da es damals leider nicht geklappt hat. Denn die Ausstellung war noch nie in Dortmund und das hat uns gestört. Wir haben uns dann Partner gesucht und an einen Tisch geholt. Dort haben wir dann geklärt, wer kann was, wann und wie machen. Das Borusseum wird für diese Ausstellung die Fläche zur Verfügung stellen. Für die Leute, die nur diese Sonderausstellung sehen wollen, wird das Borusseum auch auf den Eintritt verzichten. Wir werden uns darum kümmern, Leute ins Borusseum zu holen. Zusammen mit den Fanclubs, die uns unterstützen, werden wir als Multiplikatoren fungieren und die Menschen darauf aufmerksam machen, dass es da eine Ausstellung gibt, die sich mit Problemen befasst, die wir in Dortmund auch haben.
schwatzgelb.de: Wann kann man die Ausstellung sehen? Und warum sollte man sie sich angucken?
ballspiel.vereint!: Die Eröffnung wird am Karfreitag vor dem Heinrich-Czerkus-Lauf stattfinden. Meistens steht man vor dem Start ja noch ein bisschen vor dem Stadion herum. Dieses Jahr kann man ins Borusseum gehen und sich die Ausstellung anschauen. Mit dem Startschuss wird das Borusseum aber schließen. Die Ausstellung wird bis zum 27.04., also etwas mehr als anderthalb Wochen in Dortmund zu sehen sein. Im Rahmenprogramm wird das „Bündnis Dortmund gegen Rechts“ am Donnerstag nach Ostern einen Vortrag mit Gerd Dembowski organisieren. Das Bündnis hatte selbst auch den Plan, die Ausstellung nach Dortmund zu holen. Als wir das von BAFF erfahren haben, haben dann wir eine Zusammenarbeit mit denen aufgenommen. Wir organisieren die restlichen Veranstaltungen rund um die Ausstellung. Dazu wird eine Führung um den Borsigplatz gehören, welche den Augenmerk auf Orte legt, die sowohl in der BVB Historie, als auch politisch eine Rolle gespielt haben. Außerdem organisieren wir, dass ein humorvolles Göttinger Theaterstück zum Thema Homophobie im Fußball mit dem Titel „Steh deinen Mann“ in Dortmund aufgeführt wird. Grundsätzlich ist Tatort Stadion eine Ausstellung, die sich mit Diskriminierung im Fußball beschäftigt. Sie zeigt verschiedene Stellwände zu Themen wie z.B. Antisemitismus, Antiziganismus, Homophobie und so weiter. Dazu gibt es noch Stellwände, die sich konkret mit bestimmten Problematiken in einzelnen Städten beziehen.
schwatzgelb.de: Was meint Ihr damit, wenn Ihr schreibt, dass Ihr Euch von niemandem vor den Karren spannen lassen wollt, von Borussia, den Sponsoren oder Parteien usw.? Was versteht ihr unter „Vor den Karren spannen“ und wo seht Ihr die Gefahr darin?
ballspiel.vereint!: Wir sehen die Gefahr, dass man von Organisationen wie zum Beispiel dem eingetragenen Verein Borussia Dortmund instrumentalisiert wird, um Hilfstätigkeiten bei der Aktionen des e.V. zu leisten. Wenn man sich selber darauf reduziert, beim Verteilen von Flyern zu helfen, dann bleibt eigene Kreativität und Engagement leicht auf der Strecke. Natürlich können wir in Zusammenarbeit etwas schaffen, aber wichtig ist, dass wir uns als Initiative immer bewusst sind, welche Rolle wir dabei spielen. Wir wollen einen eigenen Input dazu beitragen und unsere eigenen Ziele verfolgen, es sei denn, sie decken sich mit denen des Vereins. Das Sponsoren und Parteien noch häufiger ganz andere Motivationen haben als wir, liegt ja auch auf der Hand. Wir wollen hier einfach kein Deckmantel oder gar Werbefläche sein.
schwatzgelb.de: Der Verein ist ja nicht völlig untätig und macht etwas gegen Rassismus und Diskriminierung. Wie schätzt ihr dieses Engagement ein und was sollte vom BVB noch kommen?
ballspiel.vereint!: Das aktuelle Engagement finden wir beispielhaft, da kann sich der ein oder andere Verein eine Scheibe von abschneiden. Dass das nicht immer so war, ist uns natürlich auch bewusst. Donezk hat in den Köpfen der Verantwortlichen einiges bewegt, weil ein Vereinsoffizieller und ein Fanprojekt-Mitarbeiter angegriffen worden sind und so nicht mehr nur Fans in den Konflikt verwickelt waren. Im Grunde ist der Verein jetzt auf einem super Weg. Man merkt ihm an, dass er ein Auge drauf hat und gewillt ist, viel zu tun. Die meisten Aktionen des BVB sind natürlich plakativ, doch da hat ein Verein meiner Meinung nach auch kaum Möglichkeiten, anders zu handeln. Deswegen finden wir es auch so wichtig, dass darüber hinaus von den Fans selbst etwas kommt; das wollen wir bündeln. Außerdem arbeiten wir auch super mit dem Verein zusammen. Darüber hinaus finden wir es wichtig, den Verein zu ermutigen, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen und dazu zu bewegen, auch bei anderen Formen der Diskriminierung Farbe zu bekennen. Natürlich ist es als Fußballverein immer schwierig, sich neben dem laufenden Spielbetrieb stetig mit Themen wie Antidiskriminierungsarbeit auseinanderzusetzen. Aber gerade das muss zwingend Aufgabe eines so großen Vereins wie Borussia Dortmund sein, der jetzt knapp 100.000 Mitglieder hat. Der BVB macht erste Schritte in die richtige Richtung, gerade durch die Fanbetreuung, die inzwischen vorbildliche Arbeit leistet. In der Breite ist der Verein wahrscheinlich noch nicht richtig aufgestellt. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass vor allem in der BVB-Historie einiges aufgearbeitet und die Rolle des Vereins in der NS-Zeit nicht nur von Gerd Kolbe beleuchtet wird, sondern aus verschiedenen Perspektiven, um zu gucken, ob da nicht vielleicht doch die ein oder andere Sache fehlerhaft dargestellt wurde oder um seine Aussagen auch nur zu verifizieren. Dann stellt sich die Frage, ob der BVB diesbezüglich sogar eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Wir standen letztes Jahr im Champions-League-Finale, haben nach 2010 zweimal die Meisterschaft geholt und sind in Sachen Emotionen, Außendarstellung und Fans ein Vorbild für hunderte Vereine weltweit. Was das Thema Antidiskriminierungs-Arbeit angeht, sind wir aber sowohl auf Vereinsebene als auch auf Seiten der Fans renovierungsbedürftig. Es gibt einen Bedarf und viele Menschen, die sich von uns angesprochen fühlen kommen auf uns zu und sagen: „Hey, wir haben Bock darauf, wie geil ist das denn! Ich stehe in Block 84 und dachte bisher, ich bin der einzige Mensch auf der Welt, der daran Interesse hat.“
schwatzgelb.de: Bisher habe ich eure Aufkleber gesehen und das, was auf der Homepage steht. Was habt ihr sonst noch in der Pipeline und über welche Aktionsformen denkt ihr nach?
schwatzgelb.de: Es bleibt noch die Frage nach dem fehlenden Impressum auf der Homepage.
ballspiel.vereint!: Ein paar von uns haben einfach verdammt schlechte Erfahrungen damit gemacht Namen und Adressen rauszugeben und so etwas wollen wir natürlich erstmal verhindern. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich schon ein Gesicht haben, aber wir sind auch der Meinung, dass das nicht unbedingt unsere Gesichter sein müssen, sondern es muss das Gesicht der Initiative sein. Durch die Liste auf unserer Homepage kann man ja auch schon sehen, wer ballspiel.vereint! unterstützt. Da haben wir von vielen schon einen großen Vertrauensvorschuss bekommen. Wir haben so viel Zuspruch von allen Seiten, die irgendetwas mit Fans oder mit dem BVB zu tun haben bekommen, dass wir gar nicht so scheiße sein können, dass man uns nicht vertrauen kann. Auch ohne Impressum mit Namen, die man vielleicht sowieso nicht kennt. Wenn Fanclubs auf uns zugekommen sind und gesagt haben, dass sie nichts unterschreiben wollen, ohne zu wissen, wer dahintersteckt, dann haben wir uns auch mit denen getroffen und oft stundenlang diskutiert. Wir sind aber davon überzeugt, dass die Personenkreise, die wir mit der Initiative ansprechen wollen, auch ziemlich schnell merken werden, wer zu ballspiel.vereint! gehört. Mit den Veranstaltungen, die wir durchführen werden, wird sich die „Gesichtslosigkeit“ ohnehin erledigen, weil wir dort ja auch präsent sein werden und im Namen der Initiative auftreten.
schwatzgelb.de: Ein Thema, das euch jetzt sicher auch nicht überraschen wird, wenn ihr mal ins Forum geguckt habt, ist natürlich auch, dass ihr auf eurer Homepage gegendert habt, was ja durchaus für Gesprächsstoff gesorgt hat.
ballspiel.vereint!: Im Endeffekt haben wir uns einfach dafür entschieden zu gendern, da uns kein besserer Weg eingefallen ist wirklich alle anzusprechen. Dass das rund um den Fußball für Diskussionen sorgt, hatten wir natürlich auch vorher auf dem Schirm, aber wir gehen nicht davon aus, dass es irgendjemanden ernsthaft daran hindern wird unsere Texte zu lesen, wenn der Inhalt ansprechend ist. Wir können euch allerdings nicht versprechen, dass wir ewig daran festhalten werden.
schwatzgelb.de: Gibt es noch irgendetwas, das ihr gerne loswerden möchtet?
ballspiel.vereint!!: Wenn ihr einen Fanclub da draußen habt, der sich von diesen Idealen angesprochen fühlt und der sich dazu bekennen mag, werdet Unterstützer, bringt euch ein! Wenn ihr uns kennen lernen wollt, schreibt uns eine eMail, wir schreiben zurück. Wir können mal ein Bierchen trinken vorm Spiel, können zusammen zum Stadion gehen, stellen uns gemeinsam auf die Süd. Wir können gerne lange quatschen und können dann gerne auch übers Gendern oder nicht Gendern reden.
schwatzgelb.de: Das ist ein schönes Schlusswort! Danke für das Gespräch und viel Erfolg für die Initiative!
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