Satz mit x? Macht nix!
Unter normalen Umständen hätte Hannover die Punkte getrost mit der Post schicken können. 4:1, 4:1, 3:1, 5:1, 3:1 lauten die letzten fünf Resultate aus den Heimspielen gegen Hannover, dazu hatte der BVB vor dem Spiel eine absolut makellose Heimbilanz (4 Spiele, 4 Siege, 14 Tore), während Hannover eine genauso makellose Auswärtsbilanz aus 3 Spielen, 3 Niederlagen und ungeschlagenen 0 (geschrieben: Null) Toren vorzuweisen hatte. Man hätte also die Punkte aus Hannover empfangen, hätte gewürfelt, ob man auf BVB-Seite 3, 4 oder 5 Tore hinschreibt, hätte Hannover sein erstes Auswärtstor geschenkt und alle wären glücklich gewesen, ein ruhiger Nachmittag auf der Couch und den anderen beim Spielen zuschauen. Die Umstände waren aber nicht normal.
Nach dem Spiel gegen Gladbach war es nicht nur so, dass mitten in der Nacht bei uns eingebrochen wurde und uns während wir schliefen die drei Punkte gestohlen wurde, man hatte uns dazu auch noch das ganze gute Porzellan zertrümmert. (Das ist zumindest die beste Erklärung, die ich in der spielfreien Woche finden konnte für das, was vor zwei Wochen in Gladbach abgelaufen ist.) Sokratis, Piszczek, Schmelzer, Bender, Sahin, Kehl, Gündogan, Reus und Hofmann krank, angeschlagen oder verletzt, Hummels gesperrt. Man hätte eine richtig gute Mannschaft aufstellen können mit den Spielern, die bei uns im Lazarett ihre Blessuren kurierten. Glücklicherweise gab es ja besagte Länderspielpause, die zwar eigentlich immer ungelegen kommt, in dem Fall aber durchaus nützlich war. Am Ende blieben von den Verletzten nur noch Piszczek, Kehl und Gündogan übrig – und der wegen Doppelbestrafung gesperrte Hummels. Klopp entschied sich, Schmelzer noch etwas extra Pause zu gönnen und setzte auf das mittlerweile schon fast gewohnte Außenverteidiger-Duo Großkreutz/Durm. Sokratis ersetzte wie erwartet Hummels, dazu starteten Sahin und Bender als die einzig übriggebliebenen Sechser hinter Reus, Mkhitaryan, Aubameyang und Lewandowski.
Erste Halbzeit
Spieler und Fans legten los wie die Feuerwehr. Die Freude über die Rückkehr des Bundesligaalltags war allgegenwärtig und das Westfalenstadion strahlte mit der Sonne um die Wette. Der Sturmlauf auf das Tor von Hannover resultierte, anders als auch schon diese Saison, in einem sehr frühen Tor. Nachdem der BVB bereits eine gute Chance vergeben hatte, drang Durm in der 3. Minute in den Strafraum ein, wurde umgerissen und bekam zurecht den Elfmeter. Reus verwandelte zum wiederholten Male äußerst sicher. Alles war angerichtet für ein weiteres Fußballfest im Tempel, doch im Laufe der nächsten zehn Minuten und nach ein paar weiteren vergebenen Chancen schienen sich Fans und Mannschaft gegenseitig etwas einzuschläfern. Gegen einen Gegner, der weder hinten drin stand, noch wirklich angriff und somit nichts Halbes und nichts Ganzes darstellte, schien sich der BVB mehr und mehr auf seinem Tor aus zu ruhen. Ruhe gabs auch auf den Rängen immer öfter und so plätscherte das Ganze dahin, unterbrochen nur von den bizarren Zwischenergebnissen auf den anderen Plätzen. Es machte geradezu den Anschein, als wäre es manchen Zuschauern wichtiger, den Rückstand der Bayern und der Blauen zu feiern, als die eigene Mannschaft, die zu dem Zeitpunkt, trotz einer durchschnittlichen Leistung, gerade Tabellenführer war. Wie wenig die Konzentration auf andere letztendlich bringt, war am Ende des Tages auf der Anzeigentafel abzulesen. Der BVB trainierte derweil Ecken, konnte aber auch nach der vierten in der ersten Hälfte keine zählbare Verbesserung aufweisen und weitere Chancen waren auch eher Mangelware. Reus noch einmal aus der Distanz, Sahin kurz vor dem Pausenpfiff ebenfalls, Hannover mit ein paar Halbchancen. So schunkelte man sich Richtung Pause und eigentlich war ja alles in Ordnung, wenn nicht alles so Scheiße gewesen wäre. „Stimmung Scheiße“ (der Vorsänger), „Vorsänger Scheiße“ (mein Nachbar), „Mkhitaryan Scheiße“ (ein anderer Nachbar), „Weidenfeller Scheiße“ (noch ein anderer Nachbar), „Spiel Scheiße“ (mehrere andere Nachbarn). Ich möchte keinem direkt widersprechen, aber manchmal könnte man Dinge auch etwas positiver betrachten. Nur so ein Gedanke als zwischenzeitlicher Tabellenführer…
Zweite Halbzeit
Eigentlich hatten wir ja erwartet, dass es nur besser werden konnte. Doch das einzige, was nach der Pause deutlich besser wurde, war Hannover. Zwar spielten sie noch immer die nicht Fisch nicht Vogel-Variante halbhoch und halbdefensiv, halbangreifend im Halbfeld und erspielten sich Halbchancen, aber der BVB verlor den Griff aufs Spiel nun völlig. Die spannendsten Minuten erlebte das Spiel zwischen der 50. und der 56. Minute, als es Chancen im Minutentakt auf beiden Seiten hagelte, danach verflachte es aber bald wieder. Noch immer gab es die eine oder andere Gelegenheit zum Abschluss und das Torschussverhältnis war am Ende positiv (18:10), genauso wie die Zweikampf- (55%+) und Ballbesitzquote (51%+), doch das Gefühl war weg. Ein Spiel was in der ersten Hälfte noch hauptsächlich langweilig war, wurde nun zunehmend gefährlich für uns. In düsteren Zeiten im frühen Mittelalter (2005 – 2008) nannten wir das jeweils „betteln um den Ausgleich“, doch Hannover tat uns den Gefallen nicht. Vielleicht lag es daran, dass sie ohne Stürmer angereist waren (beide etatmäßigen Stammstürmer waren verletzt), vielleicht lag es am schlechten Karma, das die Mannschaft umgibt die als einzige auswärts noch nicht getroffen hat, vielleicht lag es auch an unserer Verteidigung, die sehr stabil stand und wenig zu ließ. Als der auffällig unauffällige Gagelmann nach drei Minuten Nachspielzeit abpfiff, stand auf Hannover Seite jedenfalls die gewohnte Null. Bei Toren und Punkten.
Ausblick
Gut, es war nicht unser bestes Spiel und wahrscheinlich hat es etwas mehr Kraft gekostet, als es von der Tribüne den Anschein machte, doch am Ende stehen drei Punkte auf der Haben Seite und das an sich ist schon sehr positiv. Nimmt man noch dazu, dass sich das Lazarett langsam lichtet, mehrere Verletzte heute Spielpraxis sammeln konnte und es keine weiteren Blessuren zu beklagen gibt, fällt durchaus ein positives Fazit zu ziehen aus diesem Spiel. Auch wenn es nicht gerade toll anzuschauen war.
Mit Blick auf die kommenden schweren Aufgaben in Arsenal und bei den Blauen ist es sicherlich von Nöten, eine deutlich verbesserte Leistung abzurufen. Andererseits hat gerade unsere geliebte Truppe schon des Öfteren bewiesen, dass sie mit den Aufgaben wächst. Je besser der Gegner, umso besser unser BVB. Eigentlich keine schlechten Aussichten.
Die Fotostrecke zum Heimsieg gegen Hannover gibt es wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.
Noten
Weidenfeller: Wenn er gebraucht wurde, war er zur Stelle und zeigte dabei sogar eine gute Strafraumbeherrschung. Wurde aber auch nur selten geprüft. Bekam gegen Ende eine total dämliche gelbe Karte, weil er an der Mittellinie zwischen Huszti und Sokratis schlichten wollte. Fiel aber auch mal wieder mit einigen wilden Abschlägen auf, die überall landeten, außer in der Nähe eines Mitspielers. (2,5)
Großkreutz: Begann superstark, hatte Huszti weitgehend im Griff und zeigte in der ersten Halbzeit auch gute Offensivaktionen. In der zweiten Halbzeit baute er aber auch in gleichem Maße ab, wie der Rest der Mannschaft. (2,5)
Subotic: Wirkte schon zu Beginn übermotiviert. Wollte wohl zeigen, dass er der Abwehrchef anstelle des Abwehrchefs sein kann. Dabei traten seine Schwächen im Spielaufbau aber deutlich zu Tage. Die Abstimmung mit Sokratis ließ auch zu wünschen übrig. (3,5)
Sokratis: In den Zweikämpfen eine Autorität. Konnte Hummels im Spielaufbau aber auch nicht mal in Ansätzen vergessen machen. In der zweiten Halbzeit mit mehr und mehr vogelwilden Aktionen. (3,5)
Durm: Wirkte zu Beginn unsicher, gerade so, als ob ihm die Anwesenheit des Platzhirschen Schmelzer hemmen würde. Fand sich im Verlauf der ersten Halbzeit besser zurecht, war aber immer sehr auf Sicherheit bedacht und konnte daher kaum Akzente im Spiel nach vorne setzen. (3,5)
Bender: In der ersten Halbzeit Zweikampfstark und ballsicher. In der zweiten Halbzeit hatte er Hannovers Angriffen auch nichts mehr entgegen zu setzen. (3,5)
Sahin: Zog in der ersten Halbzeit die Fäden wie einst im Mai. Man meinte schon, den Prä-Madrid Nuri auf dem Platz zu sehen. In der zweiten Halbzeit gelang ihm auch nicht mehr viel. Symptomatisch, wie er mit einem Freistoß einen gegnerischen Konter einleitete. (3)
Aubameyang: Spielte immer wieder seine überragende Schnelligkeit aus und zeigte sich im Anschluss dann zu unkonzentriert bei Abspiel oder Abschluss. Übersah auch einige Male den besser postierten Mitspieler. (3)
Mkhitaryan: Stand der überhaupt auf dem Platz? Ihm gelang so gut wie nichts. Es wird Zeit, dass er seine Klasse mal über 90 Minuten auf den Platz bringt. (4,5)
Reus: Stärkster Mann in der Dortmunder Offensive. Das war allerdings heute auch nicht sonderlich schwer. Ging nach einer guten Stunde runter, als der Trainingsrückstand sich bemerkbar machte. (2,5)
Lewandowski: Trottete als Schatten einstiger Größe über den Platz. Machte teilweise den Eindruck, als ob ihn die schlechte Laune trotz Gehaltserhöhung überfallen hat. Hoffentlich kann er sich auf der großen Bühne steigern. Ansonsten sollte man es vielleicht mal mit Schieber von Beginn an versuchen. (4)
Blaszczykowski (ab 66.): Kam rein und bekam sofort einen auf die Mütze. Danach passte er sich dem erschreckenden Niveau seiner Mitspieler an. (4,5)
Hofmann (ab. 80.) und Schieber (ab 90.): Zu kurz auf dem Feld für eine Bewertung, aber zumindest Schieber zeigte in den letzten Sekunden des Spiels noch einige auffällige Aktionen.
Stimmen aus der PK
Slomka: Wir haben in der 4. Minute einen schweren Fehler gemacht, der zum Elfmeter geführt hat. Das ist bitter. Aber wir gehen trotzdem mit einer guten Leistung nach Hause. Die Mannschaft hat über 90 Minuten eine tolle Einstellung gezeigt. Uns hat der Abschluss gefehlt, um das Tor zu machen. Gegen Ende hatten wir aber ein paar große Möglichkeiten. Aber eine gute Leistung zählt nicht, denn wir haben keine Punkte.
Klopp: Ich bin total zufrieden mit dem Spiel. Wir wussten, dass es brutal schwer wird. Denn Training hilft, um über 90 Minuten Kraft zu haben. Die hat uns heute gefehlt. Wir haben in der ersten Halbzeit sehr gut angefangen. In der zweiten Halbzeit haben wir uns zu sehr auf das Spiel von Hannover eingelassen, aber das hatte zu 90% körperliche Gründe. Trotzdem hatte Hannover nicht die großen Möglichkeiten. Der Sieg ist vielleicht etwas glücklich. Wir haben uns der Situation gestellt und sind gut damit umgegangen. Wir können sicher besser Fußball spielen, aber das ging heute nicht. Stand jetzt drohen für Dienstag keine weiteren Ausfälle. Die Belastung war heute sehr wichtig im Hinblick auf Dienstag. Ich habe da ein richtig gutes Gefühl.
Statistik
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Großkreutz, Subotic, Sokratis, Durm - Bender, Sahin - Aubameyang, Mkhitaryan, Reus - Lewandowski
Hannover 96: Zieler - Sakai, Marcelo, Schulz, Pocognoli - Sané, Andreasen - Stindl, Schlaudraff, Huszti - Sobiech
Einwechselungen: 66. Blaszczykowski für Reus, 80. Hofmann für Mkhitaryan - 46. Bittencourt für Pocognoli, 68. Kadah für Sobiech, 77. Schlaudraff für Sakai
Tor: 1:0 Reus (4., Foulelfmeter, Sakai an Durm)
Gelbe Karten: Weidenfeller - Sakai, Sobiech, Sané
Schiedsrichter: Gagelmann (Bremen)
Zuschauer: 80.645 (ausverkauft)
Nadja, 19.10.2013